werke, wo Tausende wertvolle Fossilien einfach
in den Brecher gehen. Da würde wohl nie etwas
geborgen, wenn nicht der eine oder andere Pri-
vatsammler dort unterwegs wäre.
Private Sammler nutzen also der Forschung?
Ja, Laienforschung ist für die Paläontologie sehr
wichtig. Wenn man es Leuten zu schwer macht,
kriegt man weder Nachwuchs fürs Fach, noch
bekommt man als Wissenschaftler die interes-
santen Stücke zu sehen. Ich verstehe die Begeis-
terung der Hobbyisten. Mir ging es ganz ähnlich.
Wann war das?
Ich war 16 und hatte nicht
viel Ahnung von Boden-
denkmalgesetzen. Es gab
bei uns eine Grabungs-
stätte, und ich habe eben
direkt daneben angefangen
zu graben – im Prinzip also
illegal. Und hatte Glück: Ich
fand einen Protorosaurus
aus dem Erdaltertum, 1,50
Meter klein, ein Reptil, das
lange vor den Dinosauriern
lebte und bestens erhalten
war. Ich habe meinen Fund
abgegeben, er wurde präpariert, und ich bekam
eine Replik. Als Wissenschaftler weiß ich, wie
wichtig es ist, dass gerade so ein Stück öffentlich
hinterlegt wird.
Wieso ist das für die Forschung so wichtig?
Man muss sicherstellen, dass andere Wissen-
schaftler später Zugang haben – nur so lassen
sich Ergebnisse nachprüfen oder neue gewin-
nen, wenn sich die Methoden weiterentwickelt
haben. Wenn ein Stück in Privatbesitz ist, dann
weiß man nie, was die Nachkommen mit Opas
und Omas Dino-Knochen machen.
Wie stark ist die Konkurrenz zwischen For-
schern wie Ihnen, kommerziellen Grabungs-
firmen und privaten Sammlern?
Man merkt schon, dass sich heute mehr Leute
auf dem internationalen Markt tummeln und
mehr betuchte Käufer unterwegs sind. Aber wir
liefern uns keine Preisschlachten. Der Markt hat
sich sogar entspannt, gerade weil mehr profes-
sionelle Firmen unterwegs sind. Heute geht ein
gut erhaltenes Dinosaurierskelett schon für den
Wert eines Einfamilienhauses über den Tisch.
Früher wäre dasselbe vielleicht für einen mehr-
stelligen Millionenbetrag zu haben gewesen.
Ihnen wurde nie ein Stück weggeschnappt?
Das nicht, aber ich kann Ihnen ein anderes Bei-
spiel nennen. Vor zwei Jahren habe ich mich für
einen Dinosaurierwirbel aus Wyoming interes-
siert, der gut in unsere Sammlung gepasst hätte.
Auf einer Messe habe ich ihn dann nicht mal
eine Minute angeschaut und wusste: „Den will
ich nicht.“ Der bestand, salopp gesagt, nur noch
aus Klebstoff, und der war
auch noch eingefärbt. Das
ist ein Unterschied zwi-
schen Händlern und For-
schern: Der Händler will
das Fossil aufhübschen,
der Wissenschaftler will
möglichst viel original
er halten haben.
Wieso?
Das Fossil soll optisch und
chemisch neutral bleiben,
denn ich möchte nach der
Präparation womöglich noch Isotopenuntersu-
chungen machen. Als Wissenschaftler würde
ich kein Material zum Konservieren benutzen,
das ich nicht wieder rückstandlos wegbekomme.
Der Händler hat den Halswirbel für die For-
schung also wertlos gemacht?
Genau. Ich nenne das Raubgrabung am Fossil.
Damit meine ich nicht, dass es illegal gesammelt
wurde. Sondern es passiert oft, dass ein Ge-
steinsrohling mit einem Dinosaurierknochen
ganz fix präpariert wird und dabei all die wich-
tigen morphologischen Details zerstört werden.
Im Prinzip können Sie das Stück hinterher weg-
werfen. Das Problem ist, dass sich auch für
solche Fossilien irgendwann ein Käufer findet.
Jemand, der schlicht sagt: „Wow, ich wollte
schon immer einen Stegosaurus-Wirbel zu
Hause stehen haben.“ Manche privaten Samm-
ler präparieren aber auch extrem gut: weil sie
sich auskennen und sehr viel Zeit investieren,
die Berufspaläontologen nicht haben. N
FOSSILIENHANDEL 135
Jens Lehmann, Leiter der Geowis-
senschaftlichen Sammlung der Uni
Bremen, inspiziert einen Bernstein.
FOTOS: © XINHUA / FOTOFINDER.COM (L.);
GEOWISSENSCHAFTLICHE SAMMLUNG BREMEN (R.)