Dieses Gefühl ist schwer zu beschreiben – der
Moment, wenn einen ein Raubtierrudel fixiert
und man dem Blick ein Dutzend Herzschläge
lang standhält. Normalerweise werden Men-
schen nicht so taxiert, doch mein Körper er-
kannte die Situation instinktiv: Ich fing wieder
an zu schaudern, doch diesmal nicht vor Kälte.
So niedlich sie noch vor ein paar Minuten ge-
spielt hatten – sie blieben wilde Wölfe. Blut
hatte ihr weißes Fell dunkel gefärbt. Der Kada-
ver, von dem sie vorhin gefressen hatten, lag in
der Nähe, mit aufgeknacktem Brustkorb und
Rippen, die sich wie ein Ventilator gen Himmel
spreizten.
Die Wölfe beobachteten mich schweigend,
aber sie verständigten sich untereinander durch
ein Zucken der Ohren und durch die Schwanz-
haltung. Als ob sie gerade einige Entscheidun-
gen träfen. Und nach ein paar Augenblicken
kamen sie näher.
Eine Gelegenheit wie diese gibt es vermutlich
nirgendwo sonst auf der Erde. Deshalb war ich
nach Ellesmere Island gekommen, hoch in die
kanadische Arktis, und hatte mich einem Team
von Dokumentarfilmern angeschlossen. Der
Landstrich ist so abgelegen und im Winter so
kalt, dass es selten Menschen hierher ver-
schlägt. An der Westküste der Insel befindet
sich die Wetterstation Eureka, die ganzjährig
mit acht Leuten besetzt ist. Die nächste Ort-
schaft Grise Fiord (1 2 9 Bewohner) liegt 400 Kilo-
meter südlich. Etwa 1600 Kilometer weiter
ALLEIN UNTER WÖLFEN 141