Ein Muschelfischer
taucht vor Little
Farmer’s Cay auf
den Bahamas mit
Grünen Meeres-
schildkröten. Früher
waren sie hier vor
allem wegen ihres
Fleisches beliebt.
Heute schätzt
man sie eher als
Touristenmagnet.
und die Unechten Karettschildkröten im Atlan-
tik gerettet. Diese Maßnahme übernimmt man
inzwischen in anderen Regionen. Der Fischfang
wurde in be stimmten Gebieten eingestellt, und
Fanghaken für kommerzielle Zwecke wurden so
verändert, dass Schildkröten ihnen nicht verse-
hentlich zum Opfer fallen. Einige Fischereiflot-
ten setzen sogar Beobachter ein, die über ihre
Begegnungen mit Schild kröten Buch führen.
Einerseits sind also Fortschritte zu verzeich-
nen, andererseits ergeben sich komplizierte
neue Herausforderungen. Zum Beispiel diese:
Das Geschlecht der Schildkröten wird durch
die Temperatur des Sandes bestimmt, in dem
die Eier he ranreifen. In wärmerem Sand entste-
hen mehr Weibchen, und da der Klimawandel
die Temperaturen des Sandes überall in den
Tropen in die Höhe treibt, schlüpfen immer
mehr weibliche Schild kröten aus den Eiern.
AN EINEM WARMEN ABEND halten ein paar Wis-
senschaftler in der Bucht von San Diego in
Kalifornien eine ausgewachsene Grüne Meeres-
schildkröte fest, während Camryn Allen ihr
schnell ein Röhrchen Blut abnimmt. Seit meh-
reren Jahren bestimmt Allen im Auftrag der
amerikanischen Wetter- und Ozeanografie-
behörde mithilfe von Testosteron und anderen
Hormonen das Geschlecht von Meeresschild-
kröten. An diesem Ort ist der Anteil der Weib-
chen im Verhältnis zu den Männchen nur leicht
gestiegen. Die Erkenntnisse eines Forschungs-
aufent halts in Australien haben die Wissen-
schaftlerin dagegen ziemlich beunruhigt.
Raine Island, ein 21 Hektar großer Halbmond
aus Sand, liegt am Rand des Great Barrier Reef
und ist die weltweit größte Nistinsel für Grüne
Meeres schildkröten. Mehr als 90 Prozent der
Exemplare dieser Art, die im Norden des Great
Barrier Reef leben, legen hier und auf dem nahe
gelegenen Moulter Cay ihre Eier ab. Allen und
ihre Kollegen stellten erschrocken fest, dass die
weiblichen Grünen Meeresschildkröten, die auf
Raine Island schlüpfen, gegenüber den Männ-
chen im Verhältnis von 11 6:1 in der Überzahl
sind, weil die Temperatur steigt.
Das ist nicht die einzige Gefahr, die Meeres-
schildkröten durch den Klimawandel droht.
Wenn Wirbelstürme immer stärker werden,
fegen sie auch mehr Schildkrötennester weg.
Außerdem führt der steigende Meeresspiegel
dazu, dass Nistplätze überschwemmt und die
dort abgelegten Eier zerstört werden.
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