Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung - 06.10.2019

(Axel Boer) #1

16 leben aktuell FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG, 6. OKTOBER 2019, NR. 40


WAAGERECHT: 1 Worin Schehera-
zade todesmutig Meisterin bleibt und
womit viel später Mann und Irving
uns so narrativtief beeindruckten (12)
12 Auch du, sein Sohn Brutus, und
das gegen deinen Vater ...! Was für ein
Caesarenmord! (6) 14 Was Fakultäts-
öbersten höchst öffentlich steht (6)
15 Klingt unersättlich, was Britain’s
Schalter so ein- zum Loslegen ... (4)
16 Sehen nach traubigem Silberregen
aus, aber sie giften uns durchweg an –
als Rein-Boni der Toxi-Natur?! (8)
18 Der kurzerhand vom Münchner
Hauptbahnhof nach Riem zu fl iegen
gedachte! Wenn man ihm mal den
Mund verböte ... (2) 19 Damit klap-
pern gehört zum Globalhandwerk des
Heimwerkers! (5) 21 Steht und geht
Verehrwürdenträger voran im Medi-
terraneren (5) 22 Wie’s noch Flucht-
stirn und Wulstbrauen verraten, spukt
der noch vererbend in uns rum! (12)
26 Da lachen ja die Hühner über so
was Kalkloses! Und was für’ne Lusche
aber auch! (6) 28 So festerdlos, dass
es im Freilandmuseum unübersehbar
ist, gibt jedem Landei die neusinnige
Bedeutung ... (6) 31 Erstname von
Zweitmensch auf Frau Luna sozusa-
gen (5) 33 Stellt schon europäische
Norm dar, dass Energie allerorten
so knapp scheint?! (2) 34 Abgrund-

tiefstapelnder Begriff aus der unters-
ten Welt (int.; 5) 35 Besitzt das aller-
werteste Rücklingsglück dieser Erde,
so eine! (8) 37 Und seine Hand bleibt
gitarrensaitenweise die sloweste of all,
muss sich höchstens Jimi geschlagen
geben (4) 40 Drummers Schlag- von

purster Rock’n’Roll-Art, und Chuck
Berry wusste: It’s got a ..., you can’t
lose it / Any old time you use it! (8)
44 Nobelpreisunwürdig, angeblich,
all seine Philipiken – von Alexander
Portnoy bis Nathan Zuckerman ... (4)
45 Hauthauptsächlich tiefl iegender

Substanzdefekt, sagt Weißkittel dazu,
kein Scherz! (5) 47 Wessen vita das
annus nullus primo eben zu verdanken
war (7) 48 Genießt sein Grummel-
gnatzigkeitsgehabe ganz ungeschmei-
dig, in aller Pistazienoelergiebigkeit
noch ... (6) 50 Die Licht-Gestalt der
gallischeren Zungen, für BVB-Fans
zumalen, die ihren hellwachen Helve-
tier feiern (6) 51 Meinste doch auch,
damit, näch? Oder nich, wa? Aber
sicher dat! (4) 52 Wird Karnevals-
kapelle selbst bei Kalauern zwischen-
durch durchaus, wie man sich damit
mal maximalbewimpern kann?! (7)

SENKRECHT: 1 Selbstbeleuchtung
durch Licht überm Scheffel, was den
trumpschen Selbstmarketingtingel-
tangel ausmacht (12) 2 Barsch nicht
kulinarisch, sondern so: im Ton, und
hundsgemein dazu! (5) 3 Schon alter
Schwede inzwischen, der Ibacadabra
als Ballzauberer (Vorn.; 6) 4 Lager-
feld lakonisch: Music gives colour to
the ... of the moment! (3) 5 Wird uns
nach Bargeld-Byebye fühlbar fehlen,
in Neurosenhaftigkeit bewahrt ... (4)
6 Höchstfalls übers Netz, aber oft ins
Aus und dann in Lobsprüchen eher
fehl am Sandplatz ... (4) 7 Apropos
Sand: Hat als Norweger damit stadt-
hafteste Bedeutung in Sørlandet! (8)

8 Hatte 55 Jahre lang weltkleinsten
Karnevalsumzug, hat Stelter & Jür-
gens fürs Kabarettistenkabinett (4)
9 Rippenstoßiges Hallihallo – uund,
wie geeht’s? (2) 10 Teste man mal
das Wort aufs Neue, und sehe dann
das Vergleichmäßigende, Tropfende
darin! (5) 11 Grundlegender Gehalt
halt, wie er zu Ohren kommt – oder
wer, der höchstens mannhaft lautbar

wird (5) 13 Hühnerproduktiveinhei-
ten in lakiger Delikatessbereitschaft,
wa?! (7) 17 Rein mit so was Plom-
biertem, mit dem sich Aylin auf den
Zahn fühlen ließe ... (5) 20 Und dem
zufolge ist bei An- auch echte Bedeu-
tung dran, in gewissen Konditionen
jedenfalls?! (5) 23 Heißer Überriese
und Hellster am Nachthimmel, wie in
Androidenebenen gesichtet – schwant
Ihnen da was? (5) 24 Wo kein Bären-
fell anfällt, muss eben dies bemän-
teln in Sápmi! (3) 25 Als was Boernes
kleinere Hälfte voll groß rauskommt
in Münster, auch ohne Nibelungen-

treue zu Prof. Dr. Dr. (8) 27 Gilt
bei für wenn besser geht nicht ... (5)
29 Das große Touri-Glück: kleine
Neben- als Schnäppchensaison! (2)
30 Begeistert reibungsvoll bezaubernd
als Flaschenfall in Märchen-Haft (7)
32 Als was wir so umkrautetes Hack
kauen, weil Kompresse ja unkaubar
ausscheidet (6) 36 In Weserhausen
stadtmusikantisch auf allerunterstem
Niveau, vernehmlich (3) 38 Symbol-
Rosemary als riveter der 1940er mit
US-kriegsinformationsamtlicher Bot-
schaft: We Can Do It! (nickname; 5)
39 Der kontrastreichlich bedeutsame
Farbentypenlehrmeister am Bauhaus,
in mitten drin sogar, zuletztlich?! (5)
41 Phänoment von hip zum Hype,
was mal so was Rituelles war – weiter
üblichst im Zweckultimativen ... (4)
42 Eher ins Gelbliche, nur schwach
Glänzende changierend noch, so’ne
Rohseide, n’est-ce pas? (4) 43 Äääh ...
Dingsda eben, en France, liegt Curt
auf der Zunge, der verdrehten ... (4)
46 Ort, wo drehend zusammenge-
hörigkeitsgefühlt wird, passt ja auch
sonst ganz gut (3) 49 Nippons großer
Erzähler und Nobelbepreister Nr. 2,
ließ gerade nassen Tod lebendig wer-
den (2) 50 Dem Leser einen Gruß
damit, zum Schluss – wenn auch nur
ganz kurz und ganz lat.! (2) up.

AUFLÖSUNG DER
LETZTEN QUADRATORTUR
WAAGERECHT: 1 (sog.) Kombattanten 12 (statt der
Lied-Lerche:) Laerche 13 (Niki) Lauda 15 (Anagramm
aus r-a-s-t-e:) Aster 16 (engl.) upon + (Stratford-)
upon(-Avon) 18 (Gilberto) Gil 19 (die bzw. mit) Petzen
20 eheste (enthalten in Ehest-euer) 21 Podest (erste
Silbe: „Po“, zum Publikum) 25 (int. Sangha, Sanskrit)
Samgha (auch in Fried-samGha-ghara) 28 Erol (San-
der) 29 („der) Gotha“ + (aus) Gotha 31 (in) ECU (als
European Currency Unit) 34 (Anagramm aus D-i-o-r-
C-a-r:) Ricardo (Quaresma) + (Richard Löwenherz por-
tugies.) Ricardo (Coração de Leão) 36 (Firma) „Enron“
37 nekro- 38 étude (franz. Übung/Studium) 40 rd.
(in Muttere-rd-eformat) 41 Gnom 43 Tsatsiki 45 OT
(int. Overtime) + o.T. (ohne Titel) 46 naemlich 48 M.N.
(Manuel Neuer bzw. Martina Navratilova) 49 (Auto-
modell) „Lada (Niwa“) 50 suechtig 51 (jeder) Fleck
52 (am) Trauern (orig. „Trauer muss Elektra tragen“)

SENKRECHT: 1 (2x) klappern + Klappern (gehört zum
Handwerk) 2 Oase 3 (Li-mett-ensaftladen enthält)
Mett 4 Brezel 5 acres (als Anagramm r-a-c-e-s engl.
Rennen) 6 Thun(fi sch) 7 (Dich lat.) te 8 (hawaiian.)
„aloha!“ 9 „Nane“ (für Banane) 10 (Schlepper engl.)
tugs 11 Edith (Hancke) 14 alea (lat. Würfel) 17 Pesto
22 oriental 23 (im) Dock 24 (mit) Todesmut 26 (die)
Mandschu (Anagramm aus M-a-n-c-h-S-u-d) 27 (2x)
gereihte 29 grotesk 30 Heu + (lat.) „heu!“ 32 (in) Cork
+ (Korken engl.) cork (stoppers) 33 Unding 35 (wie in
Unb-arm-herzigkeit:) Arm (ab) + arm (dran) 39 „Taler,
(Taler, du musst wandern ...“) 41 (2x) Golf 42 (Mikro-
welle franz. micro-)onde (als Ende von m-onde, franz.
Welt) 44 (sog.) tica + TICA 47 a.a.C. (für anno ante
Christum) 48 mir + (2x russ.) mir + (Raumstation) „Mir“

■QUADRATORTUR 06.


Begeistert reibungsvoll


bezaubernd als Flaschen-


fall in Märchenhaft ...


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

12 13 14

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18 19 20 21

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45 46 47

48 49 50

51 52

D


as ist sicher nicht ganz einfach,
wenn man alsBunte-Journalis-
tin über die Hochzeit von je-
mandem schreiben muss, der zur Fami-
lie des eigenen Verlegers zählt: Da
darf nicht einfach ein 08/15-Text über
ein „schönes Fest“ herauskommen.
Folglich dürfen wir über die Eheschlie-
ßung Sabrina Burdas mit einem Gra-
fen in Baden-Baden nicht nur lesen, es
sei ein „glamouröses Echo der Belle
Époque“ gewesen, bei welchem die
Braut aussah „wie Grace Kelly 2“, son-
dern auch die Beobachtung: „Im
Windschatten des internationalen
Brautpaares schwebte dessen ebenso
stylishe wie kosmopolitische Gäste-
Crowd im Kurbad ein.“ Aufgabe acht-
bar gelöst, könnte man sagen.
Doch dann gehen mit der Schreibe-
rin die Kutschpferde durch: „Ein Tsu-
nami der Eleganz ergoss sich über
Kopfsteinpflaster und Gassen, als man
in High Heels von der Stiftskirche
zum Empfang in ,Brenner’s Park-Ho-
tel‘ wanderte.“ In der Geschichte der
Naturkatastrophen dürfte das der ers-
te Tsunami gewesen sein, der auf High
Heels daherkam, und man muss froh
sein für Autorin und Leserschaft, dass
ihr Text dann bald zu Ende ist. Nicht
auszudenken, was da sonst noch alles
gekommen wäre: „Noch beim Hoch-
zeitswalzer erschütterte ein Erdbeben
der Distinguiertheit das edle Parkett
im Tanzsaal, bevor die gesamte erlese-
ne Gesellschaft in einer Apokalypse
der Anmut versank.“
Dem Brautpaar jedenfalls wünschen
wir, dass seine Ehe länger hält als die
des Schauspielers Rocco Stark, die
nach sieben Monaten scheiterte. Jetzt,
verrätWoche der Frau, kämpfe Stark
„um diese Beziehung mit einer außer-
gewöhnlichen Aktion: Er läuft von
Berlin nach München – im Hochzeits-
anzug!“ Ein Jahr habe er dafür trai-
niert: „Ein Mega-Marathon für die
Liebe – wie romantisch!“ Und nicht
nur das:Bildhat Stark erzählt, dass er,
ebenfalls seiner Ex zuliebe, „365 Tage
keinen Sex mehr hatte, ebenso kein
einziges Date“. Da sind wir gespannt,
welche Liebesbeweise Stark sich als
Nächstes ausdenkt: ein Ganzkörpertat-
too, ein Jahr lang ausschließlich Kohl-
rabi essen, nur noch in Anagrammen
reden? Wäre doch gelacht, wenn er
die Ehe so nicht kitten könnte.
Für klare Verhältnisse gesorgt hat
derweil Sylvie Meis. „Zum 1. Septem-
ber“, weißBunte, „gab sie ihre zweite
,kleine‘ Wohnung neben dem Pent-
house auf. ,Drei Zimmer, die ich als
Aufbewahrungsfläche für Kleider und
Schuhe nutzte.‘ Machte 5000 Euro (!)
Kaltmiete im Monat.“ Und noch eini-
ges mehr an Heizkosten, denn als für-
sorgliche Fashionista wird Meis gewiss
dafür gesorgt haben, dass die guten
Stücke es mollig warm hatten. „Ich
wusste, dass es kompletter Irrsinn ist.
Aber ich bekam es nie geregelt, die
Wohnung zu kündigen, weil mein Le-
ben so hektisch war.“ Nun hat sie es
doch getan, sich in ihrer Erstwohnung
einen Ankleideraum gestalten lassen
und einen Gutteil ihrer Garderobe ab-
gegeben – wäre ja auch schlimm gewe-
sen, wenn die armen Kleider der Ob-
dachlosigkeit anheimgefallen wären.

Völlig daneben finden wir die Idee
einer Zweitwohnung übrigens nicht;
verfügten wir über die finanziellen Ver-
hältnisse einer Sylvie Meis, dann wür-
den auch wir uns mehr Zimmer leis-
ten. Eines für unseren stattlichen Vor-
rat an Plastik-, Papier- und Jutetüten,
eines für vereinsamte Socken, deren
Partner eines Tages hoffentlich doch
noch aus der Waschmaschine zurück-
kehren, und eines für all die Pakete un-
serer Nachbarn, die verlässlich immer
dann ausgeliefert werden, wenn wir un-
seren freien Tag haben.
Mit ihren Gewändern ganze Schlös-
ser füllen könnten gewiss die Wind-
sors, die ihre Anhängerschaft beson-
ders dann verzücken, wenn sie mal
was von der Stange tragen. Ein Foto
von Meghan und Sohn Archie in Süd-
afrika versiehtBuntekurzerhand mit
Preisschildern und erläutert, dass Ar-
chies Socken genauso viel kosteten wie
Body und Hose: „Sie sollen zeigen,
dass er besonders ist.“ Wirklich er-
staunlich, was sich alles durch ein Paar
Socken für 18 Euro ausdrücken lässt.
FürDie Aktuellewäre Archie selbst
ohne Socken etwas Besonderes: „Mit
seinem quietschvergnügten Lachen
hat der jüngste Windsor-Spross einen
ganzen Kontinent erobert. Südafrika
im Archie-Glück!“ Auf lange Sicht
wird der kleine Eroberer bestimmt
noch etliche weitere Kontinente beglü-
cken können, zum Beispiel Ostasien,
Nordaustralien oder den Westerwald.
Punkten kann, nach einer längeren
Pechsträhne, aber auch Mutter Me-
ghan. „So stammte die Idee, einige Klei-
der von der letzten Auslandsreise aufzu-
tragen, tatsächlich von ihr“, weißGala.
„Auch, dass sie ihren teuren Verlobungs-
ring extra ablegte, zeugt von einem
Feingefühl, das Meghan bisher nicht un-

bedingt zugetraut wurde.“ Hauptsache,
es kommt am Ende nicht raus, dass
Meghan den Klunker einzig aus Furcht
abgelegt hat, im armen Afrika beklaut
zu werden.
In Südafrika, soGala, rutschte Me-
ghan auch „der Spitzname ihres Söhn-
chens heraus: ,Bubba‘ nennt Meghan
den Kleinen.“Bunteerklärt: „In Eng-
land wird mit ,Bubba‘ liebevoll der
Stammhalter, der erstgeborene Sohn
der Familie, bezeichnet. Anders in den
Vereinigten Staaten. Dort ist ,Bubba‘
ein Schimpfwort für einen zurückgeblie-
benen Jungen vom Land, vergleichbar
mit dem deutschen Wort ,Dorftrottel‘.“
Auf ein nicht ganz einfaches Mutter-
Sohn-Verhältnis lässt dann wohl schlie-
ßen, dass Meghan aus Amerika stammt.

N


un aber wirklich. Nun sei die Re-
gierung wirklich entschlossen,
ein Verbot der Außenwerbung
für Tabak durchzusetzen, heißt es in Mel-
dungen vom Anfang der Woche. „Noch
in dieser Legislaturperiode“, wie Politi-
ker von Union und SPD beteuern, könn-
ten die Plakate, die für Zigaretten und an-
dere Tabakprodukte werben, verschwun-
den sein – so wie längst aus allen anderen
Ländern der Europäischen Union.
Nirgendwo in der EU hat sich die Ta-
baklobby damit als so wehrhaft erwiesen
wie in Deutschland, wo das seit vielen Jah-
ren anvisierte Werbeverbot so etwas wie
der Hauptstadtflughafen unter den Geset-
zesvorhaben geworden ist. Ein Verbot, so
war stets gedroht worden, werde unzähli-
ge Arbeitsplätze vernichten – allerdings
ist nicht bekannt, dass Deutschland zum
Zufluchtsort für Heerscharen arbeitslo-
ser Tabakarbeiter aus seinen Nachbarlän-
dern geworden wäre.
Zuletzt hatten sich die hiesigen Politi-
ker in dem Schneckenrennen sogar von
den Konzernen selbst überholen lassen,
welche mittlerweile eingestehen, wie ge-
fährlich ihre Ware ist, und sich für die
Wende ungeniert selbst feiern: „Wir ha-
ben uns entschieden, etwas wirklich Gro-
ßes zu tun“, heißt es etwa bei Philip Mor-
ris. Als seine „Vision“ bezeichnet es das
Unternehmen heute, Zigaretten durch
„rauchfreie Produkte“ zu ersetzen, und
zwar durch solche, die Philip Morris
selbst herstellt. Herkömmliche Philip-
Morris-Kippen bleiben alldieweil im Han-
del und werden vorerst auch weiter produ-
ziert, schließlich sollen deren Konsumen-
ten nicht zur Konkurrenz überlaufen;
eine sichere Bank scheinen all die E-Ziga-
retten und Erhitzer mit ihren kaum er-
forschten Nebenwirkungen zudem noch
nicht zu sein. In den Vereinigten Staaten
steigen die Zahlen der Menschen, die
mutmaßlich durch E-Zigaretten erkrankt
oder gar gestorben sind, rasant.
In Deutschland wiederum könnten
jene Tabakwerbeplakate, die noch aller-
orts an Litfaßsäulen und Wartehäuschen
hängen, zur letzten ihrer Gattung gehö-
ren. Und darüber, dass es mit ihnen bald
zu Ende geht, sind ihre Schöpfer womög-
lich gar erleichtert: Eine undankbarere
Aufgabe in der Werbebranche ist schwer-
lich vorstellbar, als ein Produkt zu propa-
gieren, dessen Ruf dermaßen ruiniert ist.
Ebenso gut könnte man versuchen, gesell-
schaftlich ähnlich geächtete Tätigkeiten
zu promoten wie russisches Roulette,
Trickdiebstahl oder Bierbike-Touren.
Den stärksten Claim, der auf allen Plaka-
ten steht, haben sich die Werber ohnehin

nicht selbst ausgedacht: Gegen die Wirk-
macht des obligatorischen Satzes „Rau-
chen ist tödlich“ kommt keine noch so
clevere Kampagne an.
Von daher ist es nicht ganz klar, ob die
Gestalter der jüngeren Zigarettenplakate
sich unfreiwillig oder komplett freiwillig
auf Anti-Werbung verlegt haben.
Nehmen wir die Plakate von John Play-
er Special, die gerade manches Stadtbild
prägen. Zu sehen sind vier junge Erwach-
sene, zwei weiblich, zwei männlich, zwei
mit Fluppe und zwei ohne, die strahlend
beieinandersitzen, und der Spruch:
„Mehr: Zusammen. Weniger: Rauchge-
ruch.“ Soll heißen: Unsere Zigaretten
stinken nicht ganz so arg – und noch we-
niger, wenn man sie in Gesellschaft
raucht? Es dürfte jedenfalls noch heftig
genug sein, um auch die beiden Passivrau-
cher ordentlich zu verpesten. So gesund
kommen sie nicht mehr zusammen.
Geradezu rührend mutet das Bemü-
hen von Benson & Hedges an, den bemit-
leidenswerten Status heutiger Raucher zu
verklären – durch die Kampagne „Drau-
ßen mittendrin“. Zu sehen sind einzelne
Raucher, die zumeist im Beisein mehre-
rer Nichtraucher vor einem Café oder
Club stehen, und Sätze wie: „Drinnen
tobt die Party. Draußen das Leben.“ Rein
dürft ihr ja nicht mehr, so der Subtext,

aber mit ein wenig Glück leistet euch vor
der Tür ab und an jemand Gesellschaft.
Auffällig ist, dass auf den aktuellen Pla-
katen die Zahl der Nichtraucher die der
Raucher häufig übersteigt – wie es in der
Gesellschaft längst der Fall ist. Manchmal
raucht auch gar keiner mehr, etwa auf je-
nem Gauloises-Plakat, auf welchem eine
junge Dame auf einem Motorroller sitzt
und eine zweite sich stehend an ihr fest-
klammert, während beide über einen un-
ebenen Sandstrand brettern, ein hochgra-
dig hirnrissiger Zeitvertreib. Wem sein
Leben so wenig lieb ist, der könnte dabei
getrost auch noch eine rauchen.
Nein, es ist keine Freude, der Zigaret-
tenwerbung bei ihren letzten Zuckungen
zuzuschauen. Wenn das Ganze über-
haupt was für sich hat, dann vielleicht,
dass sie einmal als Vorbild dienen könnte
für eine neue Ehrlichkeit in der Reklame:
„Klar machen unsere Schokoriegel fett,
aber immerhin schmecken sie lecker.“
Die aktuelle Kampagne von Camel
zeigt ebenfalls keine Raucher, nur Zigaret-
tenschachteln und Sprüche wie: „Mutig
sagt auch mal was Dummes.“ In der
Sprechblase daneben steht: „was Dum-
mes“. Die Message könnte sein, dass, wer
heute noch raucht, sehr mutig ist. Oder:
Jetzt, wo eh alles zu spät ist, ist es völlig
egal, welchen Quatschwir hier drucken.

HERZBLATT-GESCHICHTEN VON JÖRG THOMANN


Die Zigarette bleibt draußen: Raucher haben einen schweren Stand. Foto Plainpicture

Eine Apokalypse


der Anmut


Wurst-Rückruf durch
Feiertag verzögert
Nach zwei Todesfällen durch keim-
belastete Wurst aus einem Betrieb
in Hessen ist es wegen des Feiertags
diese Woche zu Verzögerungen bei
der Information über den Produkt-
rückruf gekommen. In Köln zum
Beispiel hat die Stadt erst am Frei-
tag alle betroffenen Großhändler er-
reicht – drei Tage nach der Schlie-
ßung des nordhessischen Betriebs.
Der Ablauf sei durch den Feiertag
am Donnerstag erschwert gewesen,
sagte ein Stadtsprecher am Samstag.
Die hessischen Behörden hatten die
Produktion des Unternehmens Wil-
ke Waldecker Fleisch- und Wurstwa-
ren in Twistetal-Berndorf am Diens-
tag vorläufig geschlossen und einen
Produktrückruf angeordnet. Das
Kölner Verbraucherschutzamt sei
am Donnerstag von der zuständigen
NRW-Landesbehörde darüber in-
formiert worden, dass neun Kölner
Großhändler mit Wurstwaren der
Firma beliefert worden seien, sagte
ein Stadtsprecher am Samstag. „We-
gen des Feiertags wurden vom Ver-
braucherschutzamt nicht alle Groß-
händler unmittelbar erreicht“, teilte
die Stadt mit. Wie viele von dem
Rückruf betroffene Produkte in
Köln tatsächlich noch ausgeliefert
wurden, ist unklar. Die Stadt erwar-
te nun eine Dokumentation der be-
troffenen Großhändler. Am Freitag
hatte bereits die Kölner Uniklinik
Fehler nach dem Rückruf der Wil-
ke-Wurstwaren eingeräumt; einige
Reha-Patienten hätten trotz des
Rückrufs noch Wurstwaren der Fir-
ma Wilke bekommen. dpa

Vier Kinder bei Unfall
schwer verletzt
Bei einem schweren Autounfall in
Mülsen (Landkreis Zwickau) in
Sachsen sind acht Menschen schwer
verletzt worden – unter ihnen vier
Kinder. Wie die Polizei mitteilte, ge-
riet eine Großraumlimousine am
Freitag ins Schleudern und rutschte
auf der nassen Straße auf die Gegen-
spur. Dort krachte das Fahrzeug
frontal in ein entgegenkommendes
Auto. In der Limousine saßen vier
Kinder im Alter von zwei bis zwölf
Jahren, alle wurden schwer verletzt.
Auch die 30 Jahre alte Fahrerin und
zwei weitere Mitfahrer wurden
schwer verletzt. Der Mann am Steu-
er des anderen Autos kam ebenfalls
mit schweren Verletzungen in eine
Klinik. dpa

Hilfsbereiter Freund
setzt alles in Brand
In einer Kettenreaktion hat ein
Mann in Bayern erst das Auto seines
Freundes, dann eine Scheune und
schließlich das komplette Anwesen
samt Bauernhaus in Flammen aufge-
hen lassen. Dabei wollte der 62-Jähri-
ge in Bibertal bei Günzburg ledig-
lich seinem Kumpel bei Schweißar-
beiten an dessen Auto helfen, wie
die Polizei am Samstag mitteilte.
Doch das ging gründlich schief.
Rasch griff der Brand vom Innen-
raum des Fahrzeugs auf die Scheune
über, in der das Auto stand. Am
Ende konnte auch der Einsatz von
140 Feuerwehrleuten nicht verhin-
dern, dass das gesamte landwirt-
schaftliche Anwesen niederbrannte.
Der Gesamtschaden wird auf rund
200 000 Euro geschätzt. dpa

Gestatten: Archie, genannt „Bubba“, in
Südafrika Foto Shutterstock

Ihr müsst


ja leider


draußen


bleiben


MELDUNGEN


Höchste Zeit, dass auch in
Deutschland das Verbot für
Tabakwerbung kommt.
Die Not der Werber, ein
in Verruf geratenes Produkt
anpreisen zu müssen,

ist den Plakaten abzulesen.


Von Jörg Thomann

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