Gregor Waschinski Abuja
E
s ist drückend heiß in Abuja. Die Moski-
tos sind aggressiv in der nigerianischen
Hauptstadt, gerade jetzt im Oktober,
zum Ende der Regenzeit. Jens Spahn,
der nach eigenem Bekunden schon im
heimischen Münsterland eine starke Anziehungs-
kraft auf Mücken ausübte, sitzt dennoch draußen.
Der Bundesgesundheitsminister spricht mit Firmen-
gründern, die in einem Innovationszentrum mit Un-
terstützung der Deutschen Gesellschaft für Interna-
tionale Zusammenarbeit an ihren Geschäftsideen ar-
beiten. Spahn zeigt sich besonders interessiert an
Projekten, bei denen es um die Digitalisierung der
Gesundheitsversorgung geht. Das Thema treibt den
Minister auch in Deutschland um. Die Ärzte vom di-
gitalen Wandel zu überzeugen sei „ein harter Job“,
sagt er.
Plötzlich meldet sich eine Frau aus der deutschen
Delegation zu Wort, sie sitzt etwas abseits am Tisch.
Es ist Maria Flachsbarth, parlamentarische Staatsse-
kretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung. Sie wolle noch
kurz darauf zurückkommen, woher das Geld für
viele Projekte in Ländern wie Nigeria stamme. „Das
ist mein Ministerium“, sagt die CDU-Politikerin. Die
Firmengründer nehmen ihren Hinweis teilnahmslos
hin. Hinter ihrem Gesichtsausdruck steht die Frage:
Wer ist die Dame im rosafarbenen Blazer? Dann re-
det Spahn weiter.
Vier Tage reist der Gesundheitsminister durch
das Afrika südlich der Sahara, vier Länder stehen
auf dem Programm seiner ersten Delegationsreise
mit einem Regierungsflugzeug. Spahns Vorgänger
Hermann Gröhe flog zusammen mit Entwicklungs-
minister Gerd Müller nach Afrika. Aus den Ministe-
rien heißt es, auch Spahn habe sich um eine Reise
mit Müller bemüht, leider sei kein gemeinsamer Ter-
min gefunden worden. Der Gesundheitsminister
dürfte aber nicht wirklich unglücklich darüber sein,
dass er das protokollarische Rampenlicht für sich al-
lein hat. Spahns Karriereziel ist Staatsmann, dazu
gehören staatsmännische Bilder. Auch wenn er sei-
ne Ambitionen herunterspielt und als emsiger Res-
sortchef auftritt: Die deutsche Gesundheitspolitik ist
ihm zu klein. Das wissen seine Parteifreunde. Und
vermutlich fürchtet das auch Annegret Kramp-Kar-
renbauer.
Fast ein Jahr ist es her, seit Kanzlerin Angela Mer-
kel nach der Landtagswahl in Hessen den Vorsitz
der CDU zur Verfügung stellte. Im Dreikampf mit
Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz um die
Nachfolge landete Spahn auf dem letzten Platz, hol-
te mit fast 16 Prozent der Delegiertenstimmen auf
dem Parteitag im Dezember 2018 aber ein besseres
Ergebnis, als ihm viele zugetraut hatten.
Kramp-Karrenbauer hat bislang als Parteivorsit-
zende und mögliche Merkel-Nachfolgerin im Kanz-
leramt nicht überzeugt, im Gegenteil. Auch ihr
schlagartig gefasster Plan, entgegen vorherigen An-
kündigungen doch ins Kabinett zu gehen und als
Verteidigungsministerin eine zusätzliche Bühne zu
bespielen, geht bislang nicht auf. Immer weniger
Wähler trauen in Umfragen AKK das Amt der Regie-
rungschefin zu. Das Kürzel stehe mittlerweile für
„Absolut keine Kanzlerkandidatin“, ätzte die
„Bild“-Zeitung. Der „Spiegel“ sieht Kramp-Karren-
bauer „im Treibsand“. Es ist ein gefährliches Narra-
tiv, das sich da für die CDU-Chefin aufbaut.
Kein schlechtes Wort über Kollegen
Spahn will kein schlechtes Wort über Kramp-Kar-
renbauer verlieren. Natürlich sind einige Dinge nicht
optimal gelaufen, das weiß er auch. Zum Beispiel
die Antwort auf einen Youtuber mit blau gefärbter
Haartolle, der in einem klickträchtigen Internetvi-
deo zur „Zerstörung der CDU“ aufrief. Doch der Mi-
nister warnt davor, sich in Personalfragen zu verlie-
ren. Klare Meinung und scharfe inhaltliche Kontu-
ren – so müssen nach Ansicht des 39-Jährigen die
großen Zukunftsdebatten geführt werden, damit die
Union wieder mehr Wähler überzeugen kann. Vor-
bildfunktion hat der österreichische Kanzler Sebas-
tian Kurz. Nach dessen Wahlsieg schrieb Spahn auf
Twitter, der ÖVP sei „mit Mut zu Haltung, klarem
Profil und dem Willen zur politischen Führung“ ein
„beeindruckender Wahlerfolg“ gelungen. Den An-
spruch auf den CDU-Vorsitz meldet Spahn derzeit
nicht offen an. Aber er liefert eine Jobbeschreibung
für die Post-Merkel-Zeit, auf die er ziemlich gut pas-
sen könnte. Auch seine Reisetätigkeit lässt aufhor-
chen: Spahn fliegt in das Kosovo und nach Mexiko,
um Pflegekräfte anzuwerben. Über die US-Haupt-
stadt Washington flog er Ende September zur UN-
Generaldebatte nach New York, zurück nach
Deutschland ging es im Kanzlerjet mit Merkel.
Kramp-Karrenbauer musste zeitgleich mit einer ei-
genen Maschine zu ihrem Antrittsbesuch in die Ver-
einigten Staaten reisen, ihre Delegation war kurzfris-
tig aus dem Regierungsflieger ausgeladen worden.
Aus Platzgründen, so die Begründung.
Der weiße Airbus mit dem Schriftzug „Bundesre-
publik“, den Gesundheitsminister nur in Ausnahme-
fällen nutzen können, parkt am vergangenen Frei-
tag auf dem Rollfeld von Goma. Auf dem Flughafen
der Millionenstadt stehen Hubschrauber der UN-Sta-
bilisierungsmission, die gegen Rebellengruppen im
Osten der Demokratischen Republik Kongo im Ein-
satz ist. Spahn steigt die Treppe herab. Statt Hände
zu schütteln, kreuzt er mit dem Empfangskomitee
die Ellenbogen. „Ebola-Handschlag“ heißt die Ges-
te, die eine Übertragung der tödlichen Viren verhin-
dern soll. Goma liegt in dem Gebiet des afrikani-
schen Landes, das von der Infektionskrankheit
heimgesucht wird. Seit August 2018 haben sich hier
rund 3 200 Menschen mit Ebola infiziert, mehr als
2 100 von ihnen sind gestorben.
„Mit einem Flieger ist eine solche Infektionskrank-
heit auch sehr schnell etwa in Europa und Deutsch-
land“, sagt Spahn. „Das ist der Grund, warum wir
hier so stark engagiert sind.“ Der Minister hat eine fi-
nanzielle Zusage mitgebracht: Drei Millionen Euro
zusätzlich will er aus seinem Etat zum Ebola-Notfall-
fonds der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bei-
steuern. Eine ehrbare Summe, allerdings unter-
stützt das Entwicklungshilfeministerium den Osten
Kongos allein in diesem Jahr mit 50 Millionen Euro.
Kleines Amt,
große Ziele
Jens Spahn lauert im Gesundheitsministerium auf seine nächste
Chance für einen Aufstieg. Auf einer Reise durch Afrika demonstriert
er: Die deutsche Gesundheitspolitik ist ihm zu klein. Spahn will mehr
- auch wenn er selbst nur über die Sache reden will.
Jens Spahn auf dem
Flughafen in Kigali,
Ruanda: Protokollarisches
Rampenlicht.
imago images/photothek
4
MIO. EURO
an Hilfszusagen für
den Kampf gegen
Ebola hat Jens Spahn
bei seiner Afrika-
Reise im Gepäck.
Quelle: BMG
Wirtschaft
& Politik
MONTAG, 7. OKTOBER 2019, NR. 192
6