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VW Passat VW Tiguan
Foto: dpa
GRAFIK DER WOCHE
Aktenzeichen
4 MK 1/18 ungelöst
Mit der Musterfeststellungs-
klage fordern Hunderttausende
VW-Kunden Schadensersatz
wegen manipulierter Diesel
A
m Montag dieser Woche erlebte die
Stadthalle Braunschweig mal wieder
eine Premiere – allerdings keine musi-
kalische. Wo sonst das Staatsorchester oder
Showgrößen wie Chris de Burgh auftreten,
durften diesmal die Richter des 4. Senats am
Oberlandesgericht auf die Bühne: Auftakt
zur bundesweit ersten Musterfeststellungs-
klage. Unter dem Aktenzeichen 4MK 1/
geht es um die Frage, ob VW wegen des
Diesel-Betrugs betroffenen Autofahrern
eine Entschädigung bezahlen muss. Rund
470 000 Diesel-Fahrer haben sich der Klage
des Verbraucherzentrale Bundesverbands
angeschlossen. Der Bundestag hat für den
Prozess extra ein neues Klagerecht geschaf-
fen, damit auch ein Verband stellvertretend
für Verbraucher klagen kann. Richter Michael
Neef, 52, erklärte zum Prozessauftakt, es sei
nicht so leicht, eine mögliche Entschädigung
für VW-Kunden festzulegen. Zugleich regte er
einen Vergleich an, auf den sich VW bislang
nicht einlassen will. n
JAN GARVERT
18 FOCUS 41/
- September 2015 Die Vor-
würfe der US-Umweltbehörde
EPA gegen Volkswagen werden
bekannt. VW soll Dieselmoto-
ren manipuliert haben, damit
sie die Grenzwerte während
Abgastests einhalten. Nur in
den USA gibt Volkswagen den
Betrug zu. 480 000 Diesel-
fahrzeuge sollen betroffen
sein, heißt es zunächst.
15. Oktober 2015 Das Kraft-
fahrt-Bundesamt (KBA) ordnet
den Rückruf von 2,5 Millionen
Fahrzeugen des VW-Konzerns
an. Der Dieselmotor EA 189
soll Fahrten auf dem Prüf-
stand erkennen und in einen
besonders sauberen Modus
umschalten. VW soll die Mo-
toren in einen rechtskonfor-
men Zustand versetzen.
25. November 2015 Das KBA
genehmigt die Vorschläge, die
VW vorgelegt hat, um die ver-
botene Abschalteinrichtung
mit einem Software-Update
zu beseitigen. In einigen Mo-
toren soll zusätzlich ein neues
Luftgitter eingesetzt werden.
Allerdings beginnt der Rückruf
erst im Januar 2016 und zieht
sich über Jahre.
14. Dezember 2015 Der da-
malige Bundesverkehrsminis-
ter Alexander Dobrindt (CSU)
streicht aus dem Entwurf für
einen Bericht an den Rechts-
ausschuss des Bundestags
Regelungen zur Musterfest-
stellungsklage heraus. Zu dem
SPD-Prestigeprojekt notiert er
handschriftlich: „Lehnen wir
ab!!! Komplett streichen!“
16. März 2016 Den ersten
Prozess wegen Abgasbetrugs
gewinnt VW. Das Landgericht
Bochum verweist auf den
Grundsatz, wonach ein erheb-
licher Mangel nur dann vor-
liege, wenn die Behebung
mehr als ein Prozent des Auto-
Kaufpreises koste. Insge -
samt gibt es bis jetzt mehr als
60 000 Einzelklagen.
Corpus Delicti
Volkswagen hat die Steue-
rung des Motors EA 189 so
manipuliert, dass die Soft-
ware den Abgas-Testzyklus
erkannte und auf eine be-
sonders gute Abgasreini-
gung umschaltete, die die
Grenzwerte einhielt. Unter
realen Bedingungen lagen
die Werte darüber. Betroffen
sind 2,5 Millionen Fahrzeuge
des Konzerns bundesweit
Verbraucher
Mindestens zehn Verbraucher,
die ähnlich geschädigt wurden,
müssen sich zusammenfinden.
Sie wenden sich an einen
klage berechtigten Verband
Gericht prüft Voraussetzung
Zuständig sind Oberlandes
gerichte. Wenn die Vorausset
zungen erfüllt sind, eröffnet
das Bundesamt für Justiz das
Klageregister
Klageberechtigte Verbände
Sie müssen bestimmte Voraussetzungen
erfüllen, z. B. dass Unternehmensspenden
nur fünf Prozent ihrer Mittel ausmachen
So funktioniert die
Musterklage
Nicht einzelne Verbraucher,
sondern nur Verbraucher
verbände können eine Muster
feststellungsklage initiieren.
Ziel ist es, dass Verbraucher
gleich gelagerte Ansprüche
leichter gegen Unternehmen
durchsetzen können und nicht
jeder Verbraucher einzeln
immer wieder die gleichen Be
weise bei Gericht vorlegen muss
Die Diesel-Affäre: kurze Geschichte eines großen Betrugs