Focus - 05.10.2019

(Ron) #1

WIRTSCHAFT


Fotos: Getty Images, Bits & Pretzels, dpa, abp

56 FOCUS 41/2019


Das Gute wird sich durchsetzen, einfach
weil es cool ist, auf der guten Seite zu
stehen.
Start-ups, die heute international
bekannt werden, haben diese „Mission“
häufig schon in ihrer DNA. Aber auch
etablierte Konzerne versuchen inzwi-
schen, sich „umzuprogrammieren“. Spä-
testens seit BlackRock-Chef Larry Fink,
der weltweit größte Investor, vergangenes
Jahr in einem Brief an die wichtigsten
Firmenchefs der Welt forderte, dass sie
mehr tun sollten als Profite machen. „Jede
Firma muss einen positiven Beitrag zur
Gesellschaft leisten, sonst wird sie nicht
bestehen“, schrieb der Unternehmer. Sei-
ne Worte gelten als richtungsweisend.
Fink kontrolliert immerhin sechs Billiar-
den US-Dollar.

Glaubwürdigkeit entscheidet über Erfolg
Und tatsächlich interessiert es aufge-
klärte Konsumenten zunehmend, welche
Werte die Firma vertritt, deren Produkte
sie kaufen. So nahmen einige deutsche
Supermärkte vergangenen Monat bei-
spielsweise die Säfte von True Fruits aus
dem Sortiment, weil die bemüht lustige
Werbekampagne des Herstellers als ras-
sistisch empfunden wurde. TV-Modera-
torin Charlotte Roche hatte auf ihrem
Instagram-Account dazu aufgerufen,
die Säfte in den Regalen nach hinten
zu stellen. True Fruits machte sich im
Gegenzug über die Aktion lustig. In die-
sen Zeiten womöglich nicht mehr die
klügste Idee.
Laut einer globalen Studie von 2018 der
Strategieberatung Accenture wünschen
sich 62 Prozent der Verbraucher, dass
große Firmen Stellung zu Themen wie
Nachhaltigkeit, Transparenz oder Gleich-
berechtigung beziehen. 47 Prozent – und
das ist neu – wenden sich ab, sobald ihr
Vertrauen enttäuscht wird. Sie erwarten
Ehrlichkeit, egal, ob von Firmenchefs
oder Influencern.
Authentizität ist offenbar alles in einer
Gesellschaft, in der zwischen Marken
und Menschen in den sozialen Medien
kaum noch Unterschiede bestehen.
Man kann das Streben nach Sinn einen
Hype nennen, die absurd hohen Bewer-
tungen von jungen Firmen wie Beyond
Meat, die für eine fleischfreie, emissions-
ärmere Zukunft stehen, legen das nahe.
Man kann es aber auch als wirtschaft-
lichen Aufbruch begreifen, als Paradig-
menwechsel, als das „Yes, we can“ einer
neuen Gründergeneration. n

Der Name der schwedischen Klima-
Aktivistin Greta Thunberg wird hier zum
Mantra, ihr Anliegen zum Leitbild. „Es
ist traurig, dass eine 16-Jährige diesen
Kampf führen muss“, sagt Barack Oba-
ma, der die dreitägige Tech-Konferenz
eröffnete. „Hier sind kluge Menschen
im Raum. Ich muss niemanden davon
überzeugen, dass der Klimawandel
real ist.“ Der Saal lacht. Der Seitenhieb
auf seinen Nachfolger kommt an. Der
ehemalige US-Präsident fordert Regie-
rungen auf, den Unternehmen strikte-
re Vorgaben zu machen und so neue
Technologien zu fördern.
Analysten von CB Insights rechnen
vor, dass die Investitionen in sogenannte
Game Changer, also Start-ups, die gan-
ze Industrien verändern, im letzten Jahr
auf ein Allzeithoch von 498 Millionen
US-Dollar gestiegen sind. 2015 waren es
nur 17 Millionen US-Dollar.
Klar, Jeff Bezos und Mark Zuckerberg
sind noch immer Rockstars für die Men-
schen, die hier im abgedunkelten Saal
des Münchner International Congress
Center sitzen. Die beiden Amerikaner
haben immerhin Milliarden-Imperien
aus dem Nichts geschaffen, den Alltag
einer ganzen Generation mit Amazon
und Facebook verändert. Wenn auch
nicht immer zum Positiven. Es ist eine
Art Gottkomplex, der dem Gründertum
innewohnt. Doch die Superhelden der
neuen Gründergeneration werden wohl
nicht dem Druck der Shareholder nach-
geben. Ihnen geht es darum, die Welt
zu verbessern. Geld verdienen wollen
sie trotzdem, das schließt das andere am
Ende auch nicht aus.


„Plastik zu verwenden ist dumm“


Dieses Gefühl dominiert auch bei der
Bits & Pretzels. Als der Unternehmer Joey
Zwillinger seine nachhaltige Schuhmar-
ke Allbirds vorstellt, klatscht das Publi-
kum immer wieder. „Heutzutage noch
Plastik bei der Produktion von Laufschu-
hen zu benutzen ist einfach dumm“, sagt
Zwillinger. Aus seiner Sicht gebe es ein-
fach bessere Lösungen. Für ihn gehört
Nachhaltigkeit ebenso selbstverständ-
lich zur Produktentwicklung wie dessen
Design.
Die Zuhörer applaudieren wieder. All-
birds-Sneakers sind CO 2 -neutral und vor
allem im Silicon Valley beliebt. Der Ame-
rikaner wirkt lässig, weniger aufgeregt
als andere Redner, die hier das Umden-
ken beschwören. Eine seiner Botschaften:


Filmstar Jessica Alba produziert Öko-Kos-
metik mit ihrer Firma The Honest Company

Er arbeitete erst mit Steve Jobs, dann
mit Jeff Bezos zusammen: David Limp,
Alexa-Chef bei Amazon, im Gespräch mit
Moderatorin Britta Weddeling
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