WIRTSCHAFT
Fotos: dpa
66 FOCUS 41/2019
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Strafzins –
was ist das?
Viele Banken verlangen Geld,
wenn Kunden ihnen Geld geben.
So unlogisch das auch klingen
mag: Wer sein Kapital achtlos auf
dem Girokonto liegen lässt oder
es festverzinslich anlegt (Tages-
geld, Festgeld usw.), zahlt heute
in vielen Fällen eine Art Geld-
buße: Die Bank fordert von ihm
ab einer bestimmten Guthaben-
höhe bis zu 0,4 Prozent Strafzinsen.
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Wie wirkt sich solch ein
Strafzins finanziell aus?
Wer zum Beispiel 100 000 Euro
besitzt, hat nach einem Jahr 500 Euro
verloren (0,5 Prozent) – ihm blei-
ben noch 99 500 Euro. Im nächs-
ten Jahr fallen weitere 497,50 Euro
weg (0,5 Prozent von 99 500), übrig
sind 99 002,50 Euro usw. Besonders
schlimm: Das ist nur der nominale
Geldschwund. Real (nach Inflation)
verliert der Sparer noch mehr Geld,
denn die Kaufkraft des Guthabens
vermindert sich zusätzlich um die
Inflation (aktuell 1,2 Prozent).
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Darf meine Bank einfach
Strafzinsen von mir fordern?
Eigentlich nicht. Denn Ihr Geld bei
der Bank ist eine „Einlage“ – also
ein Darlehen an die Bank. Im Dar-
lehensrecht steht aber nichts über
Strafzinsen. Daher nennen viele
Institute diese Zwangsabgabe ein-
fach „Verwahrentgelt“. Grundsätz-
lich darf eine Bank tatsächlich ihre
Kontokonditionen verändern. Vo-
raussetzung: Nur neu abgeschlos-
sene Verträge lassen sich anpassen,
bestehende Verträge sind tabu.
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Wann genau kann die Bank
Strafzinsen kassieren und
wann nicht?
Sobald sie die mit Ihnen vereinbar-
ten Konditionen kündigt und neue
Vertragsinhalte veröffentlicht (in
den Allgemeinen Geschäftsbedin-
gungen, AGB). Das darf die Bank
z. B. beim Girokonto und beim
Tagesgeldkonto – hier werden die
Konditionen ständig aktualisiert.
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Auch bei einem
Festgeldkonto?
Nein. Hier kann die Bank nicht
plötzlich Negativzinsen von Ihnen
verlangen. Denn Sie haben einen
festen, positiven Zins für z. B. ein
oder zwei Jahre vereinbart. Daran
muss sich die Bank halten, solan-
ge der Vertrag läuft. Danach löst
die Bank das Festgeldkonto auf
und zahlt Ihr Guthaben (inklusive
Zinsen) aus – Negativzinsen sind
ausgeschlossen. Ausnahme: Ihr
Tagesgeldkonto verlängert sich
automatisch nach einem oder
zwei Jahren („Prolongation“).
Dann passt die Bank die Zinsen
den Marktkonditionen an.
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Was, wenn meine Bank
trotzdem unerlaubt Straf-
zinsen einstreicht?
Dann können Sie die zu Unrecht
abgebuchten Beträge zurück-
verlangen. Sie schreiben Ihrer
Bank einfach einen formlo-
sen Brief. Die Verjährungsfrist
beträgt grundsätzlich drei Jahre –
erklärt Achim Tiffe vom Deut-
schen Anwaltverein.
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Kann ich Strafzinsen
als Verluste von der
Steuer absetzen?
Nein. Strafzinsen fürs Guthaben
sind für Sie zwar ein finanzieller
Schaden. Sie dürfen diesen Ver-
lust aber nicht mit anderen mög-
lichen Gewinnen (Aktien, Anlei-
hen) verrechnen.
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Sonderfall: Die Sparkasse
kündigt meinen hoch
verzinsten Sparplan –
kann ich mich wehren?
Kaum. Als „Prämiensparer“ haben
Sie schlechte Karten. Sie haben
mit Ihrer Bank zusätzlich zum
Basiszins einen Bonus vereinbart,
der steigt, je länger der Sparver-
trag läuft. Viele dieser langfristi-
gen Sparpläne werfen aktuell oft
mehr als zwei Prozent Rendite ab.
Das freut die Sparer und ärgert die
Sparkassen. Viele Institute kündi-
gen daher gerade Zehntausende
dieser alten Prämiensparverträge.
Das hat ihnen der Bundesgerichts-
hof erlaubt. Voraussetzung: Die
Sparkassen dürfen erst aussteigen,
wenn die Sparverträge ihre höchs-
te Prämienstufe erreicht haben.
Beispiel: Sie bekommen dieses
Jahr einen Bonus von 1,5 Prozent,
in 2024 aber sogar 2,0 Prozent.
Dann darf die Sparkasse Ihnen
erst 2024 kündigen. Verbraucher-
schützer raten, strittige Verträge
sowie die ausgezahlten Zinsen von
Experten prüfen zu lassen.
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Gilt das auch für
Bausparverträge mit
hohen Guthabenzinsen?
25 Fragen und Antworten, wie Sie Ihr
Geld gewinnbringender anlegen können
So entkommen Sie
den Strafzinsen
Olaf Scholz, 61
Bundesfinanz-
minister (SPD)
„Wir werden
prüfen, ob es der
Bundesregierung
rechtlich überhaupt
möglich ist, Klein-
sparer vor solchen
Negativzinsen zu
schützen.“ –
„Diese Prüfung ist
aber kompliziert
und wird etwas
dauern.“
Am 22. August 2019
in einem Interview