KOLUMNE
FOCUS 41/2019 9
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Deutsche Gesetze
als lästiges Ärgernis
JAN FLEISCHHAUER Illustration von Marie Wolf
Anarchie und dem Rechtsstaat allein die harte Hand des
Gesetzes steht.
Nehmen wir Facebook, das größte soziale Netzwerk
der Welt. Dass man es bei Facebook mit keinem normalen
Unternehmen zu tun hat, merkt man als Journalist zum
Beispiel, wenn man eine Frage nach dem Umgang mit
Rechtsverstößen stellt und einen Smiley als Antwort erhält.
Die Pressesprecherin ist eine lustige Person, die sicher
auf jedem Firmen-Event für Bombenstimmung sorgt. Nur
mit Öffentlichkeitsarbeit hat sie nicht viel am Hut.
A
ber warum sollte sie auch? Facebook betrachtet
deutsche Gesetze als lästiges Ärgernis. Es vertraut
lieber seinen eigenen Gesetzen und seiner
eigenen Gerichtsbarkeit. Versuchen Sie mal, eine
Klage zuzustellen! Alles, was es dafür von Facebook in
Deutschland gibt, ist ein sogenannter Zustellungsbevollmäch-
tigter. Das ist in dem Fall die Anwaltskanzlei Freshfields in
Berlin, bei der Sie gerne Ihr Schreiben abgeben dürfen.
Wirklich zuständig ist aber immer irgendjemand weit weg
in Irland oder besser noch den USA. Denken Sie bitte auch
daran, Ihr Anliegen in Englisch abzufassen. Deutsch spricht
man bei Facebook nur, wenn man Anzeigen akquiriert bezie-
hungsweise Werbekunden das Blaue vom Himmel verspricht.
24 Prozent der Deutschen sagen, sie nutzten Facebook
als Nachrichtenquelle, in den USA sind es 39 Prozent.
Das Unternehmen wertet und gewichtet Beiträge, es
entscheidet, wem was wo gezeigt wird. Dennoch
behauptet die Firmenspitze bis heute, der Konzern
sei kein Medienunternehmen, sondern lediglich
eine Art Super-Server, auf dem sich die Nutzer
selbstständig frei bewegen und vergnügen würden.
Das ist wichtig für das Geschäftsmodell, denn an der
Behauptung, kein Medienunternehmen zu sein, hängt das
Privileg, auf alles verzichten zu dürfen, was ein Medien-
unternehmen beschwert – also Presserat, Jugendschutz
oder das Gegendarstellungsrecht, das wir ansonsten für
selbstverständlich halten.
Warum wir uns das gefallen lassen? Weil
Netzaktivisten wie Sascha Lobo einen
Riesenzauber veranstalten, wenn
jemand Hand an „ihr“ Netz legt. Es
wird mir immer ein Rätsel bleiben,
wie erwachsene Menschen glauben
können, ihnen gehöre etwas, nur weil
sie es benutzen. Leider lassen sich auch
viele Politiker vom Netzprotest beeindrucken.
Wer das Internet reguliere, verärgere die jungen
Menschen, heißt es, und wer will als Politiker schon
die Jugend gegen sich aufbringen?
Man kann den Internet-Giganten beikommen. Das ist
weniger schwer, als viele denken. Der erste Schritt wäre,
dass man dafür sorgt, dass für soziale Medien die gleichen
Regeln zum Schutz des Persönlichkeitsrechts gelten wie
für alle anderen Unternehmen, die mit Inhalten handeln.
Der zweite Schritt wäre, dass man gesetzlich verankert,
dass jedes Internet-Unternehmen, das in Deutschland
tätig ist, einen Verantwortlichen mit Wohnsitz in Deutsch-
land benennen muss. Also nicht mehr Dublin oder Palo
Alto, sondern Hamburg oder Stuttgart.
Ich garantiere Ihnen: So viel können sie dem armen
Menschen, der dann im Zweifel den Kopf hinhalten muss,
gar nicht zahlen. In kürzester Zeit würde Mark Zucker-
berg persönlich dafür sorgen, dass in Deutschland nie-
mand mehr über sein Netzwerk verleumdet oder bedroht
wird. Das Klagerisiko wäre einfach zu hoch.n