Frankfurter Allgemeine Zeitung - 04.10.2019

(lily) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Deutschland und die Welt FREITAG, 4. OKTOBER 2019·NR. 230·SEITE 7


R. Kelly


bleibt in Haft


Der wegen sexuellen Missbrauchs ange-
klagte amerikanische Sänger R. Kelly
muss vorerst weiter im Gefängnis blei-
ben. Nach der Staatsanwaltschaft lehnte
am Mittwoch in New York auch die Richte-
rin Ann Donnelly bei einer Gerichtsanhö-
rung eine Haftentlassung auf Kaution ab.
Es bestehe ein Fluchtrisiko, zudem habe
der 52 Jahre alte Kelly in der Vergangen-
heit schon zu oft versucht, Ermittlungen
gegen ihn zu behindern, argumentierte
die Richterin bei dem Termin im Stadtteil
Brooklyn. Kelly war wie erwartet nicht zu
der Anhörung erschienen. Die nächste
Anhörung setzte die Richterin für den


  1. Dezember an, einen möglichen Prozess-
    auftakt für den 18. Mai 2020. Der Sänger,
    der seit Juli in einem Gefängnis in Chica-
    go sitzt, hatte Anfang der Woche um Haft-
    entlassung auf Kaution gebeten. Die
    Staatsanwaltschaft in New York wirft Kel-
    ly unter anderem sexuellen Missbrauch
    und Erpressung vor. Zuvor hatte schon
    die Staatsanwaltschaft in Chicago Ankla-
    ge gegen Kelly erhoben. Sie legt dem frü-
    heren R&B-Superstar („I Believe I Can
    Fly“) 13 Anklagepunkte zur Last, dar-
    unter die Produktion von Kinderporno-
    graphie und Behinderung der Justiz. Kel-
    ly hat in dieser Anklage ebenfalls auf
    nicht schuldig plädiert, wie auch in einer
    weiteren Anklage im Bundesstaat Minne-
    sota. Die ersten Anschuldigungen gegen
    den aus Chicago stammenden Musiker
    mit dem bürgerlichen Namen Robert Syl-
    vester Kelly waren vor 20 Jahren bekannt-
    geworden. 2008 sprach ihn eine Jury vom
    Vorwurf frei, sich beim Sex mit einer Min-
    derjährigen gefilmt zu haben. (dpa)


Mike Pompeo


bekommt Käse


Der amerikanische Außenminister Mike
Pompeo hat bei seinem Besuch in Italien
ein ungewöhnliches Präsent überreicht be-
kommen. Das Geschenk soll der amerika-
nischen Regierung offenbar ein Umden-
ken bei Zöllen auf Importgüter aus Euro-
pa schmackhaft machen. Die italienische
Fernsehjournalistin Alice Martinelli
drückte Pompeo bei einem Fototermin in
Rom ein Stück Hartkäse in die Hand – mit
den Worten: „Das ist Parmesan, vielleicht
der beste der Welt.“ Sie hoffe, dass der Au-
ßenminister dabei helfen könne, das Ge-
schenk dem amerikanischen Präsidenten
Donald Trump zu überbringen, sagte Mar-
tinelli, bevor zwei Sicherheitskräfte sie
hinauseskortierten. Pompeo reagierte
überrascht, quittierte die unverhoffte
Gabe aber mit einem Lächeln. (AFP)

Emily Zamourka


singt unwiderstehlich


Selbst auf der Twitterseite des Los Ange-
les Police Department hört sich die Ob-
dachlose Emily Zamourka an wie auf ei-
ner Opernbühne. Die Aufnahme eines
Polizeibeamten, in der die 52 Jahre alte
Frau singend an einer U-Bahn-Station
im Stadtteil Koreatown zu sehen ist, wur-
de bis Donnerstag mehr als eine Million
Mal aufgerufen – und brachte so viele
Spenden ein, dass Emily Zamourka künf-
tig wieder eine Bleibe hat. Wie Zamour-
ka dem Sender NBC sagte, hatte sie ihre
Wohnung vor drei Jahren verloren. We-
gen einer Erkrankung konnte sie damals
keinen Musikunterricht mehr erteilen.

Die Rechnungen für Ärzte und Medika-
mente blieben liegen. Schließlich wurde
ihr auch noch die Geige gestohlen. „Mit
der Geige verdiente ich mein Geld. Sie
war alles, was ich hatte“, sagte Emily Za-
mourka. Die gebürtige Russin, die vor
24 Jahren in die Vereinigten Staaten ge-
kommen war, zog auf die Straße und be-
gann, in den U-Bahnhöfen zu singen. Die
Nächte verbrachte sie auf einem Stück
Pappe in den Obdachlosenlagern in der
Innenstadt von Los Angeles. Nach dem
Spendenaufruf des Ka-
liforniers Michael Tru-
jillo, durch den online
bislang mehr als
60 000 Dollar zusam-
menkamen, hat Za-
mourka künftig wie-
der ein Dach über
dem Kopf. Das
Downtown Women’s
Center versprach, der als „Subway Sin-
ger“ bekannt gewordenen Obdachlosen
mit den Spenden zu einem neuen Zuhau-
se zu verhelfen. Falls es auch noch für
eine neue Geige reicht, plant Emily Za-
mourka, ihren Lebensunterhalt künftig
wieder mit Musikunterricht zu verdie-
nen. Die Pendler in Los Angeles müssen
dann auf dem Weg zur Arbeit wieder
ohne Puccinis Arien auskommen. (ceh.)

Hassa al-Mansuri


ist wieder auf dem Boden


Nach acht Tagen im All hat der erste Bür-
ger der Vereinigten Arabischen Emirate
auf der Internationalen Raumstation ISS
wieder Erdboden unter den Füßen. Hassa
al-Mansuri landete am Donnerstag mit ei-
ner russischen Sojus-Kapsel nach gut drei-

stündigem Flug in der Steppe Kasach-
stans, wie Live-Bilder der russischen
Raumfahrtbehörde Roskosmos zeigten.
Mit an Bord waren der Amerikaner Nick
Hague und der Russe Alexej Owtschinin.
Die beiden Raumfahrer waren im März
im zweiten Anlauf zur ISS geflogen. Ur-
sprünglich sollten sie schon vor gut ei-
nem Jahr abheben, die Trägerrakete war
aber kurz nach dem Start wegen techni-
scher Probleme abgestürzt. Als Ursache
gab Roskosmos einen Baufehler an. Der-
zeit befinden sich noch sechs Raumfahrer
auf der ISS, darunter der Italiener Luca
Parmitano, der gerade das Kommando
auf der Station übernommen hat. Parmi-
tano, ein Luftwaffenoberst, ist der erste
Italiener und der dritte Astronaut der eu-
ropäischen Raumfahrtbehörde (Esa) in
dieser Funktion. Er bleibt bis Februar
2020 an Bord. (dpa)

Kronprinzessin Mary


vertritt die Königin


Die dänische Kronprinzessin Mary darf
künftig als Vertretung von Königin Mar-
grethe II. einspringen. Dem habe die
79 Jahre alte Monarchin am Mittwoch
ihre Zustimmung erteilt, teilte das däni-
sche Königshaus mit. Damit ist die 47 Jah-
re alte, in Australien geborene Frau von
Kronprinz Frederik nun „rigsforstander“,
was sich am ehesten als „Königreichsvor-
steherin“ übersetzen lässt. Sie darf somit
die Verpflichtungen ihrer Schwiegermut-
ter als Staatsoberhaupt wahrnehmen,
wenn Margrethe etwa wegen einer Aus-
landsreise oder längerer Krankheit verhin-
dert ist. Bislang waren nur Thronfolger
Frederik sowie Prinz Joachim und Prinzes-
sin Benedikte dazu befugt. (dpa)

E


in gutes Gedächtnis ist wie eine
Online-Enzyklopädie in der Hosen-
tasche, stets verwendbar, immer ver-
fügbar, durchaus tragbar. Ein schlechtes
Gedächtnis ist wie ein alter Koffer, un-
geordnet und voller Gegenstände, die
vielleicht zu finden sind, vielleicht aber
auch nicht. In seiner Einfalt freut sich
der reife Mensch über den transpor-
tablen Wissensstoff, genannt Bildung,
und freut sich vor allem dann, wenn
Gott und die Welt ihm Geist in Hülle
und Fülle unterstellen.Wird jedoch der
reife Mensch reifer, erkennt er den Vor-
teil einer Erinnerung mit Löchern. Er
wühlt in seinem Koffer und findet nicht,
was er angeblich sucht, in Wahrheit aber
gar nicht in die Hand bekommen will.
Ein schlichtes Gemüt darf sich das so
vorstellen: Unangenehme Erinnerungen
werden nicht gepflegt, werden nicht auf-
gefrischt, verkümmern deshalb, ver-
dorren geradezu und sind eines Tages
tatsächlich nicht mehr vorhanden. Der
Knackpunkt aber sind Gott und die Welt.
Von ihnen wurde gesagt, dass sie eine
gewisse Spiritualität schlankweg unter-
stellen, was jedoch darauf hinausläuft,
dass sie dabei im Dunkeln tappen, weil
sie keine Ahnung haben, wie gut, das
heißt wie schlecht, das zuständige Ge-
dächtnis mittlerweile geworden ist.
Glücklicherweise sind Gott und die Welt
halbwegs höfliche Naturen und keine
Kriminalkommissare.Diese lächeln nur,
das heißt, sie grinsen überlegen, wenn
eine Auskunftsperson so tut, als könne sie
sich an irgendetwas bedauerlicherweise
nicht erinnern. Sie verfügen über men-
tale Techniken, ein schläfriges Gedächt-
nis zu bearbeiten und an der von ihnen
gewünschten Stelle zu revitalisieren.
Derlei Praktiken wenden normale Ge-
sprächspartner nicht an. Vielmehr lä-
cheln sie tatsächlich, lächeln ehrlich bis
höflich, sobald jemand behauptet, sein
Gedächtnis erlaube ihm zwar den Um-
gang mit Küchengeräten, lasse ihn aber

sonst oft schmählich im Stich. Diese
Nachsicht, diese Rücksicht weiß der Pfif-
fikus auszunützen, von der Pfiffika gar
nicht zu reden. Beide geben zum Aus-
druck, dass sie nicht über das verfügen,
was in der Welt der Computer die Such-
leiste ist. Der Effekt: Erinnerungen, die
unangenehm wären, stellen sich einfach
nicht ein. Und darüber lässt sich herr-
lich jammern, wunderbar klagen und
köstlich zetern. Wenn es schmählich ist,
mit Weiß zu verlieren, darf Maxime
Vachier-Lagrave die in Saint Louis ge-
spielte Partie vergessen. Oder auch nicht,
denn schließlich war der Sieger der Welt-
meister. ROSWIN FINKENZELLER

Weiß:Vachier-Lagrave;Schwarz:Carlsen – Sizilia-
nisch – 1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 g6 4.Lc6: bc6: 5.d
cd4: 6.Dd4: f6 7.0-0 d6 8.c4 c5 9.Dd3 Lg7 10.b
Sh6 11.Sc3 Tb8 12.Ld2 0-0 13.Tae1 Sf7 14.h4 Tb
15.h5 g5 16.Sh2 Se5 17.Dg3 Kh8 18.f4 gf4: 19.Lf4:
Tg8 20.Te3 Sc6 21.Df2 f5 22.Sf3 Lc3: 23.Tc3: e
24.Td3 ef4: 25.Db2+ Tbg7 26.h6 (siehe Dia-
gramm) fe4: 27.Td2 ef3: 28.hg7:+ Tg7: 29.Tf3: Dh
(Weiß gab auf)

Auflösung vom 27. September:



  1. ... Th2:+ 2.Kh2: Th8+ 3.Dh4 Th4:+ 4.Lh4: Df
    (Weißgab auf)


WAAGERECHT: 1 Unfallgaffermassen,
Raser auf den Rettungsgassen – bekommt
sie hoffentlich zu fassen 9 Die kommen
am Abend zu Gaby Baginsky (Pl.) 10 Die
doppelte Menge wäre bloß unnützer Tinnef
12 Im Hier und Heute festgeschrieben, im
Dann und Wann exakt benannt 13 „Man
weiß, ein Mensch ist ein.. ., aber das hin-
dert doch nicht, dass man ihn empfängt“
(Denis Diderot) 16 Crimson and Clover à
la Tommy James & the Shondells, nämlich

... and... (engl.) 18 Jeder hat zwei und
alle haben fast nichts (Pl.) 20 Englische
Zuchttiere und französische Könige fühlen
sich gleichermaßen angesprochen 21 Was
Mr. Speaker John Bercow jetzt schon die
längste Zeit durchs Unterhaus gerufen hat
(engl.) 22 Gerät mit den Mittelfingern ins
Handgemenge (Vorn.) 23 Wer eiert denn
so beim Kegelschnitt herum? 24 Schwebt
schwirrend schwerelos 26 Verschaukelt
Seebären, aber hoffentlich keine Verlage
auf Buchmessen 28 Sokrates’Szene-Stell-
dichein jetzt auf Portugiesisch 29 Inter-
national auf Nummer sicher gehen? Geht
auf ihr Konto (Abk.) 31 Der nötige
Schwung gehört beim Spielanfang schon
dazu 33 Was ODIN sicher sogar noch
unter den anderen Urviechern von germa-
nischen Göttern war (Abk.) 35 „Es ist das
Unglück aller Ideale, dass sie einen Brot-
korb am Arm hängen haben, dem die...
nachlaufen“ (August Pauly, Pl.) 38 Apollo-
Programm für Griechenland-Touristen
39 Kleidung von Rang gibt es nur in
welcher Form? 40 Das Prinzipielle für
Klappergestelle 41 Die Festlegung ist
darin untergebracht: Das wird jetzt so und
so gemacht


SENKRECHT: 1 Nimmt sich die Freiheit,
und zwar die von Rosa Luxemburg 2 Alte
Knacker haben bei ihm nur eingeschränkte
Kombinationsmöglichkeiten 3 „Das...
ist des Menschen beste Kraft“ (Friedrich
Nietzsche) 4 Gilt dreifach für den Sanitäts-
gefreiten Neumann 5 Welches britische
Duo ist ein Mitglied des französischen
Hochadels? (engl., frz.) 6 Bei näherer

Betrachtung muss man beide Augen zu-
drücken (Pl.) 7 Verschaffte Arno Schmidt
eine Traumfigur frei nach William Shake-
speare 8 Wo ist die Hausse wirklich haus-
gemacht, wo gehen die Renditen tatsäch-
lich in den Keller und die Mieten häufig
durch die Decke? 11 „Je besser ich die
Männer kenne, desto lieber mag ich.. .“
(Germaine de Staël, Pl.) 14 Sozusagen
Frankreichs Mondlandung auf dem Früh-
stücksteller 15 Deutsches Kotelett und
belgischer Fleischeintopf 17 Kaum als

Transportmittel belasten kann man
welchen Klapperkasten? 19 Gesundheit-
lich am Ball bleiben? Die tut sich dicke
damit 25 Welche Faust-Inszenierung wird
schnell zum Ringkampf? 27 Ob’s nun an
dem... oder an der Zeitverschiebung
liegt – jedenfalls kann man darüber nur
müde lächeln 30 In der von Mexico war
Teddy Parker – und auch Rex Gildo trank
da seine Margarita 32 Kellerkind unterm
Krabbelkriechkroppzeug 34 Brandwichtig,
wie man mit Stein gut zu Potte kommt

36 Der kann sogar als totaler Zusammen-
bruch eine absolute Pleite sein 37 Vom
Morgengrauen zum Ende der Nacht hat er
sich jeden Buchtitel geschnappt meu.

Auflösung vom 27. September:
Waagerecht: 1 Megalithgraeber (Großstein- oder
Hünengräber; Seelenloch = Öffnung für die Seele
des Verstorbenen in den Verschlusssteinen der Grä-
ber) 9 Mondaen 12 Smaragd (grüner Edelstein)
15 (Macht aus dem Staat) Gurkensalat (Parole auf-
müpfiger DDR-Jugendlicher in den letzten Jahren
der DDR, bekannt geworden durch Graffiti in Wei-
mar) 16 Teil 18 Amigo (Die Amigos = dt. Volksmusik-
duo, bestehend aus den Brüdern Bernd und Karl-
Heinz Ulrich; amigo = span. Freund) 21 (Ein
Schluss-)Chor (beendet wie im antiken Drama auch
die Tragikomödie „Der Besuch der alten Dame“ von
Friedrich Dürrenmatt, 1956) 23 Niete 24 Arche
(Noah, Altes Testament) 25 Tanz 26 Mike (Love, ame-
rik. Musiker, Gründungsmitglied und Leadsänger der
Beach Boys, 1961) 27 (Doch die Schwalbe singt im
Dorf wie) Einst (Textzeile des Gedichts „Aus der Ju-
gendzeit, aus der Jugendzeit“ von Friedrich Rückert,
1859 vertont) 29 (Hot-)Elfen(-ster) 31 (Apfel-)Sine
(sine = lat. ohne) 32 Leine 33 Leid 34 Kennwoerter
40 Apanage (finanzielle Zuwendung zur Ermög-
lichung eines standesgemäßen Lebens) 41 Terrain
(= T-R-A-I-N-E-R) 42 Nutzungsangebot
Senkrecht: 1 Mammutstosszahn 2 (Gleich kommt
der) Gong (Sister King Kong, Textzeile des Lieds „Sis-
ter King Kong“ von Udo Lindenberg, 1976) 3 (Aman-
da) Lear (Dalí-Muse und Disco-Queen der siebziger
Jahre, Lied „Follow Me“, 1978) 4 Tyne (Fluss in Nord-
england, auf der linken Seite befindet sich die Stadt
Newcastle upon Tyne, bevor er in die Nordsee mün-
det) 5 Guss 6 (Bank-)Aval (Übernahme einer Bürg-
schaft durch die Bank) 7 (The) Beat (Goes On, Lied
von Sonny and Cher, 1967) 8 Radkurierdienst 10 Du-
plizieren 11 Eklat 13 Major (Siegmund Moritz Wil-
helm von Langen, preußischer Offizier, verteidigte in
der Schlacht bei Hochkirch 1758 mit seinen Truppen
den dortigen Friedhof gegen die Österreicher, 1706
bis 1758) 14 Rauchmelder 17 Innen(-Ansicht)
19 Meute 20 Gaben (medizinische Dosierung + Ge-
schenke + Talente) 22 (Heinrich) Heine (dt. Dichter
und Journalist, 1797 bis 1856) 28 Slang (engl. Jar-
gon) 30 Lehre 34 (Die bitteren Tränen der Petra von)
Kant (dt. Spielfilm von Rainer Werner Fassbinder,
1972) 35 Nanu (= U-N-N-A) 36 Werg (auch Kauder
genannt, Nebenprodukt der Langfaserproduktion,
Faser von niederer Qualität; hecheln = reinigen von
Bastfasern) 37 Etwa 38 Trog 39 (Die) Raub(-ritter vor
München, Theaterstück von Karl Valentin, 1924)

Foto Los Angeles Police Department/AFP


Schwarz am Zug


D


as Lied von der „Biene Maja“ wur-
de für Generationen unvergess-
lich. Doch Karel Gott hatte weit
mehr im Repertoire als nur das Titellied
der gleichnamigen Fernsehserie. In den
sechziger Jahren steuerte der Sänger den
Soundtrack bei zu einem neuen Lebens-
gefühl in seiner tschechischen Heimat.
Mit seinen Liedern brachte er die Bot-
schaft einer neuen, liberalen Zeit in die
Plattenbausiedlungen, zu den Arbeitern,
den Jugendlichen, den Unpolitischen.
Die Geschichte des Musikstars Karel
Gott begann in diesen sechziger Jahren.
Viele Tschechen und Slowaken hatten da-
mals genug von Sozialismus und Plan-
wirtschaft, sie sehnten sich nach allem,
was aus dem Westen kam. Und die Musik
brachte ihnen zumindest eine Illusion
von Freiheit. „Die Lieder aus dem Wes-
ten klangen so anders als unsere eigenen,
in denen immer die Angst vor den Ideolo-
gen mitschwang“, erinnerte sich Karel
Gott einmal.
Der Sänger war damals gerade 20 Jah-
re alt geworden. Offiziell war er als Elek-
triker tätig, in dem Beruf, den er ur-
sprünglich gelernt hatte. Eigentlich aber
fühlte er sich als Rock ’n’ Roller. Er verän-
derte sich äußerlich so, wie er es von den
Plattencovern aus dem Westen kannte:
lange Haare, mächtige Koteletten, Schlag-
hosen und weitgeöffnete Hemden. Sei-
nen ersten Auftritt hatte er bei einem Ta-
lentwettbewerb. Danach sang er sich von
der Provinz in der Stadt Pilsen, wo er im

Sommer des Jahres 1939 geboren wurde,
bis in die Hauptstadt Prag. Das Publikum
liebte seine Stimme, und Karel Gott into-
nierte mit Vorliebe das, was seine Anhän-
ger von ihm hören wollten: Songs von
Frank Sinatra, von Elvis Presley, von den
Beatles.
Die Originalversionen von deren Ti-
teln konnten damals offiziell im Land
nicht gekauft werden, es gab sie höchs-
tens auf dem Schwarzmarkt zu erwerben.
Und da kosteten sie leicht schon mal den
Wochenlohn eines Fabrikarbeiters. In
diesen Monaten des Prager Frühlings, so
scheint es, hat Karel Gott eine Populari-
tät erfahren, die für ein ganzes Musikerle-
ben reichen könnte. In einem Café am
Wenzelsplatz etwa erstarrten die Kellner
damals vor Ehrfurcht, wenn er die Terras-
se betrat. Die Gäste ringsum applaudier-
ten, auch die ausländischen Touristen,
denn Karel Gott war genauso der Star ih-
rer Jugendjahre.
In dieser Zeit waren die Musikprodu-
zenten aus dem Westen längst schon auf
die „goldene Stimme“ aus der Tschecho-
slowakei aufmerksam geworden. „Weißt
du wohin“ war im Jahr 1967 seine erste
deutschsprachige Platte. Was folgte, war
eine außergewöhnliche Erfolgsgeschich-
te: Karel Gott absolvierte Auftritte in
Las Vegas, er ging auf Europa-Tournee
und hatte eine Personality-Show im ZDF,
„Der Goldene Löwe“ von Radio Luxem-
burg. In Frankfurt eröffnete er den tradi-
tionellen Weihnachtsmarkt auf dem Rö-
merberg mit einem Auftritt, bei dem er
deutsche Weihnachtslieder sang.
In seinem Heimatland war später sein
Verhältnis zum kommunistischen Re-
gime nicht immer unumstritten. 1977 un-
terzeichnete Karel Gott mit anderen
Künstlern die sogenannte Anticharta,
die von der Kommunistischen Partei als
Antwort auf die Bürgerbewegung Char-
ta 77 der oppositionellen Künstler und
Regimekritiker initiiert wurde. Die kom-
munistischen Machthaber statteten den
inzwischen international beliebten
Künstler mit einem dauerhaften Visum

aus, das ihm erlaubte, zwischen den poli-
tischen Welten zu pendeln. „Damit gehör-
te ich zu den wenigen privilegierten Men-
schen im Ostblock“, erinnerte sich Karel
Gott später. „Ich hatte gewissermaßen Di-
plomatenstatus.“ Er fuhr gerne mit sei-
nem BMW in wenigen Stunden von sei-
ner Wohnung in München in das Jugend-
stilhaus im Prager Stadtteil Barrandov, in
dem er mit seinem Vater wohnte. Dort
kochte der Vater regelmäßig die Lieb-
lingsspeise des Sohns: böhmischen
Schweinebraten mit Sauerkraut und Sem-
melknödeln.
Mit den Jahren starben viele seiner
ehemaligen Freunde. Der Sänger wohnte
weiter in der großzügigen Villa und galt
als begehrter Junggeselle der Prager Ge-
sellschaft. Dabei sollte es nicht bleiben:
Im Januar 2008 heiratete er in der ameri-
kanischen Stadt Las Vegas die um 37 Jah-
re jüngere Ivana Macháčková. Das Paar
hat zwei Töchter, die 13 Jahre alte Char-
lotte und die elf Jahre alte Nelly. Aus frü-
heren Beziehungen Karel Gotts stam-
men zudem zwei weitere Töchter in er-
wachsenem Alter.
Mit ihnen und mit zahlreichen Freun-
den feierte der Mann mit der samtenen
Stimme im vergangenen Juni seinen


  1. Geburtstag in seinem Sommerhaus
    in den böhmischen Wäldern. Geschenke
    wollte er zu seinem Festtag keine. Karel
    Gott war damals bereits an Leukämie er-
    krankt, das Sprechen fiel ihm schwer.
    Ein Lied freilich wollte er immer wieder
    hören, es war die heimliche Hymne sei-
    nes Landes: „Die Moldau“ des tsche-
    chischen Komponisten Bedřich Smetana
    aus dessen Zyklus „Mein Vaterland“. Ka-
    rel Gott hatte das Lied einst an einem
    Sommerabend in einem Prager Park vor
    Tausenden von Menschen gesungen. Am
    Dienstagabend kurz vor Mitternacht
    starb er im Alter von 80 Jahren im Kreis
    seiner Familie in seinem Haus hoch über
    den Dächern von Prag.


Der Autor, geboren 1940, ist Journalist in Frankfurt.
Er wurde vor allem als Moderator der „Starparade“
im ZDF bekannt.

SCHACH KREUZWORT


Botschafter der Musik


PERSÖNLICH


Laden dicht: Der britische Street-Art-
Künstler Banksy hat in London erstmals
ein eigenes Geschäft eröffnet. Allerdings
können Interessierte die darin präsentier-
ten Kunstwerke nicht ansehen oder dort
kaufen, da die Türen des Geschäfts ge-
schlossen bleiben, wie Banksy mitteilte.
Die Objekte können demnach ausschließ-
lich im Internet erstanden werden. Der Er-
lös solle an eine Flüchtlingsorganisation
gehen, deren Rettungsschiff von den italie-
nischen Behörden festgesetzt worden sei.
Bereits nach der Eröffnung am Montag
drängten sich Kunstfans vor dem Ge-
schäft in London. In der Galerie stehen
unter anderem ein von Überwachungska-
meras umgebenes Kinderbett und be-

druckte Kissen zum Verkauf. Hinter-
grund der Eröffnung ist laut Banksy der
Versuch eines Herstellers von Glück-
wunschkarten, unter dem Namen des
Künstlers seine Produkte zu verkaufen.
Nach Ansicht von Rechtsfachleuten nutzt
Banksy seine „Marke“ bislang nicht, um
seine Werke zu verkaufen, deshalb könne
sie auf andere übertragen werden. Daher
wurde dem britischen Künstler geraten,
selbst ein Geschäft zu eröffnen.
Der Street-Art-Künstler, der seine Iden-
tität geheim hält, ist mit der Situation of-
fenbar nicht besonders glücklich. Der
Rechtsstreit sei der wohl „unpoetischste
Grund aller Zeiten, Kunst zu machen“,
teilte er mit. (AFP)

Vom Elektriker


zum internationalen


Musikstar: Ein


Nachruf auf den


tschechischen


Sänger Karel Gott.


Von Rainer Holbe


Stille Trauer:Auch in seiner Geburtsstadt Pilsen gedachten die Menschen des verstorbenen Sängers Karel Gott. Foto Imago/CTK


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