Neue Zürcher Zeitung - 02.10.2019

(singke) #1

26 WIRTSCHAFT Mittwoch, 2. Oktober 2019


Novartis kooperier t mit Microsoft


Neue ArzneiendankBündelung der KapazitätenimBereich der künstlichenIntelligenz


SERGIO AIOLFI


Novartis ist daran, digital aufzurüs-


ten. Seit Bertrand Bodson imJanuar


2018 den neugeschaffenenPosten eines


Chief Digital Officer angetreten hat, ist


eine ganzeReihe von Projekten lanciert


worden, die das Pharmaunternehmen in


das neue Zeitalter der Analyse grosser


Datenmengen führen soll. Der dazu er-


forderlicheAusbau der Kapazitäten er-


folgte bisher vornehmlich hausintern,


oder man tat sich mit kleinen Startup-


Unternehmen zusammen, um beispiels-


weise neue Instrumente im Bereich der


künstlichen Intelligenz zu erproben.


Drei-Länder-Laboratorium


Jetztsetzt Novartis zu einem grösse-


ren Sprung an und startet eineKoope-


ration mit dem IT-Konzern Microsoft.


Ziel der Zusammenarbeit, die sich über


fünfJahre erstrecken soll, istes, die


Künstliche-Intelligenz-Kapazitäten der


beiden Unternehmen zu bündeln und


damit im Pharmageschäft einen Inno-


vationsschub auszulösen.Vorgesehen ist


die Schaffung eines AI InnovationLab


mit Standorten auf dem Novartis-Cam-


pus inBasel,im Global ServiceCen-


ter des Unternehmens inDublin sowie


im MicrosoftResearch Lab in Gross-


britannien. Über den personellen Be-


stand dieser neuen Einrichtung und den


Umfangder geplanten Investitionen

machte Bodson im Gesprächkeine An-


gaben. Er betonte indessen, dass beide


UnternehmenFinanzmittel in das Pro-


jekt einbrächten.


DasvergrösserteTechnologie-Poten-


zial soll zum einen dazu dienen, die

Entwicklung neuer Medikamente und

deren Markteinführung zu beschleu-

nigen.Dank künstlicher Intelligenz, so

hofft man, wird es möglich sein, die rie-


sigen Mengen an klinischenDaten, die


in Studien oder bei der Behandlung von


Patienten in Spitälern anfallen, effizient


zu verarbeiten.Auf dieseWeise dürf-

ten neueWirkungszusammenhänge von


Substanzen und neueTherapiemöglich-


keiten entdeckt werden. Zum andern

will man aber auch erreichen, dass die


Aussendienstmitarbeiter des Unterneh-


mensbei ihrenKontakten mit den Ärz-


ten und Spitälern über datengestützte

Analyseinstrumente verfügen, die ihnen


erlauben, bessereTherapieoptionen für


Patienten oder optimierte Dosierun-

gen von Medikamenten zu präsentie-

ren. Und nicht zuletzt soll die künst-

liche Intelligenz auch imFinanzbereich


zur Anwendung gelangen, etwa wenn es


darum geht, verlässlicheLangfristpro-

gnosen über die Entwicklung derVer-

käufe zu machen.


Erfolg ist nicht garantiert


DieKooperation von Novartis mit Mi-


crosoft scheint vielversprechend. Ob

sich dasPotenzial tatsächlichrealisieren


lässt, ist eine andereFrage.Wie erinner-


lich, hatten dieBasler 20 14 beschlossen,


zusammen mit der Internet-Firma Goo-


gle eine «intelligenteKontaktlinse» zu

entwickelnund auf den Markt zu brin-


gen. Geplant war eine mit Sensoren und


Mikrochips ausgestattete Linse,die für


medizinische Zwecke – beispielsweise

zur Behandlung von Diabetes – einge-


setzt werden sollte. DasVorhaben blieb


erfolglos und wurde Ende 20 18 sang-

und klanglos beendet.Das Google-

Novartis-Projektist mit dem Microsoft-


Novartis-Projekt kaum zu vergleichen,

zeigt aber doch, dass eine solche bran-


chenübergreifende Zusammenarbeit

nicht frei vonFallstricken ist.


Mandat nicht offengelegt


Der Präsident der KantonalbankSchwyz tritt zurück


WERNER ENZ


Obschon gemäss einer Untersuchung

desWirtschaftsprüfers Deloittekeine

Hinweise aufVerstösse gegen Gesetze

oder bankinterneVorgaben festgestellt


wurden,hatBankpräsidentKunoKen-


nel am Dienstag seinenRücktritt er-

klärt. Der unabhängige Prüfer Deloitte


hat in seinem Bericht gleichsam eine

Verfehlung im Graubereich zutage ge-

fördert, die eben nicht auf die leichte

Schulter zu nehmen ist.


So unterliess esKennel vorJahren,

alsesum eine Beteiligung der Schwyzer


Kantonalbank an der NovaVorsorgeAG


ging, dieBank und denBankrat vorher


darüber zu informieren, dass er ein Be-


ratermandat von ebendieser Gesellschaft


hatte. Der Präsident der kantonsrätlichen


Aufsichtskommission Othmar Büeler

sagt dazu: «DerRücktritt ist lobenswert,


denn bei der Kantonalbank Schwyz ist

höchsten Ansprüchen zu genügen.»


Deloitte klärte imAuftrag der kan-

tonsrätlichenAufsichtskommission ab,

ob geldwerte Leistungen oder sonstige


Vorteilnahme zugunsten vonKennel er-


folgten und ob es Interessenkonflikte ge-


geben habe. Das wird klar verneint.Aber


hinsichtlich der Offenlegung des Berater-


mandats klingt Kritik an. Es hätte einer


guten Governance entsprochen, alle Kar-


ten hinsichtlich der NovaVorsorgeAG


auf denTisch zu legen. Diese Sensitivität,


schreibt Deloitte weiter, wäre von einem


Bankratspräsidenten zu erwarten gewe-


sen und hätte die jetzt in der Öffentlich-


keit und bei denAufsichtsbehörden ein-


getretenen Unsicherheitenreduzieren

oder gar verhindernkönnen.


Kennel ist zugutezuhalten, dass er

nach siebenJahren alsBankratspräsi-

dent denWeg frei macht. Er selbst hält


dazu fest, obwohl er in allen wesent-

lichen Punkten entlastet worden sei,

trete er zurück, um jegliche weitere Dis-


kussion um dieBank und seinePerson


zu vermeiden. Interimistisch übernimmt


Vizepräsident KarlRoos dieFührung.

DieSuche nach einem neuenBankpräsi-


denten wird eingeleitet.


An der NovaVorsorgeAGhält die


Schwyzer Kantonalbank eine Beteili-

gung von 49%. ZweiJahre nach dem Er-


werb, der 20 14 erfolgte, setzte es für die


BankeineWertberichtigungvon 10 Mio.


Fr. ab. Inzwischen beschäftigt Nova rund


50 Mitarbeiter und betreut einVorsorge-


vermögen von4Mrd. Fr.


In Südostasien kühlt sich das Wachstum ab –


nur Vietnam entwickelt sich dynamisch


Der chinesisch-amerikanischeHandelsstreit stellt für die RegioneineZäsur dar


MANFRED RIST, SINGAPUR


SeitJahrzehnten gilt in Singapur die


Devise, dass offene Märkte allen Natio-


nen nützen – vor allem natürlich dem


Stadtstaat selbst, der sich dankAus-


landsinvestitionen modernisiert hat.


Jetzt bläst derWind eher aus der protek-


tionistischen Richtung, was dieRepu-


blik nervös werden lässt. Die Abküh-


lung hat schon deutliche Spuren hinter-


lassen: Es wird weniger investiert, und


in den ersten acht Monaten des laufen-


denJahres sind die Exporte gegenüber


201 8 um 10,6% eingebrochen; bei den


Elektronikprodukten beträgt dieKor-


rektur gar 25%.


Nie zwischen dieFronten der bei-

denWeltmächte geraten – auch dieser


hehre Grundsatz guter Beziehungen zu


Washington wie auch zuPekingkönnte


sich bald alsreinesWunschdenken er-


weisen. Eine zunehmende Fragmen-


tierung von Märktenund technischen


Standards sei eines der Szenarien, auf


die sich Unternehmen einstellen müss-


ten, meinte dazu unlängst der Industrie-


und Handelsminister Chan Chun Sing.


Der Druck, sich für die USAoder China


entscheiden zu müssen, baut sich lang-


sam, aber sicher auf.


Rezessionerneut absehbar


Auch die «specialrelationship» mit dem


Nachbarland Malaysia und mit dessen


wegenKorruption angeklagtem Ex-Pre-


mierminister NajibRazak gehört der


Vergangenheit an. Seit inKuala Lum-


pur Mahathir Mohamad wiederRegie-


rungschef ist, herrschen erneut nüch-


terne Beziehungen zwischen den beiden


Ländern; einige der gemeinsam geplan-


tenMilliardenprojekte sind seither ins


Stocken geraten.Auch hier gilt es, sich


auf neueVerhältnisse einzustellen.


So deutlich wie in kaum einemande-


ren Land derRegion hinterlässt die stei-


gende wirtschaftliche Unsicherheit der-


zeit Bremsspuren. Es zeichnet sich ab,


dass Singapur im laufendenJahr unter


denLändern Südostasiens sogar den


stärkstenWachstumseinbruch verzeich-


nenkönnte. Der amerikanisch-chine-


sische Handelskonflikt liegt wie eine

dunkleWolke über dem Stadtstaat. Ge-


sucht sind neueFirmen in Zukunfts-

branchen wie Fintech, Gesundheit

oderAutomatisierung. Nach einem Zu-


wachs des Bruttoinlandprodukts (BIP)


von 3,2% im vergangenenJahr gehtdie


Regierung für 20 19 nur noch von einem


Plus von 0,6% aus. ZehnJahre nach

dem letzten Einbruch infolge derBan-


ken- undFinanzkrise ist gar das Szena-


rioRezession wiederrealistisch. Unge-


fähr alle zehnJahre–zuletzt1998 und


2008 –, so scheint es, kommt es jeweils


zu einer Zäsur.


Aber auch die anderenLänder der

Region spüren den Epochenwechsel. Die


Asiatische Entwicklungsbank (ADB)

hat ihreWachstumsprognose für 20 19

auf 4,5% nach untenrevidiert; 2018 hat-


ten die zehnLänder gesamthaft noch um


5,1% zugelegt.Indonesien, das grösste

Land Südostasiens, ist bezüglichAus-

senhandel zwarviel weniger exponiert

als Singapur und Malaysia. Der Insel-

staat kann sich auf die wachsendeKon-


sumnachfrage seiner 260 Mio. Einwohner


stützen. Im Gegenzug leidetdas Riesen-


land aber unter einer chronischen Inves-


titionsschwäche. So verharrt der Pro-

zentsatz ausländischer Direktinvestitio-


nen imVergleich zum BIP bei mageren


2%. Selbst nach zwanzigJahrenReform


und Demokratie ist dasLand für Inves-


toren vergleichsweise unberechenbar ge-


blieben. ZumVergleich: InVietnam, das


sich wegen des Handelskonflikts als Al-


ternative zu China positioniert hat, be-


laufen sich die ausländischen Direkt-

investitionen auf gut 8% des BIP.Auch


anderweitig entwickelt sichVietnam sehr


dynamisch.Tr otzGegenwind beimWelt-


handel vermochte dasLand die Exporte


in den ersten acht Monaten um7, 2% zu


steigern. FürVietnam wird ein BIP-Zu-


wachs von 6,7% prognostiziert.


Indonesien unter Erwartungen


Derweil bleibt Indonesien weiterhin

hinter den Erwartungen zurück. Nach

dem schwächsten Quartalswachstum

per EndeJuni seit zweiJahren ist zwei-

fe lhaft, ob das bescheideneWachstums-

ziel von noch 5%realistisch ist. Und

bezüglich Investitionen gibt es pro-

minente warnende Stimmen: Der frü-

hereFinanz- undWirtschaftsminister

RizalRamli wirft Staats- undRegie-

rungschefJokoWidodovor, während

seiner ersten Amtsperiode zu wenig

für dieVerbesserung des Investitions-

klimas unternommen zu haben. Statt-

dessen geheWidodo den einfachsten

Weg und setze bei den Infrastruktur-

vorhaben auf China.

Der indonesischeStaats- undRegie-


rungschef erhält nach seinemWahlsieg


vor fünf Monaten gewissermassen eine


zweite Chance;er steht vor derVer-

eidigung fürdie nächsten fünfJahre.

Doch seine zweite Amtszeit beginnt

stürmisch:Widodo sieht sich mit einer


Protestbewegung in den grossen Städ-


tenkonfrontiert,die dieRevision des

erzkonservativen Strafgesetzbuchs und


di e Wiedereinsetzung der Antikorrup-

tionsbehörde KPKverlangt; Letztere

sei ein «Investitionshindernis», klagten


pikanterweise einzelne Minister. So-

wohldie Absetzung der KPK als auch


die Einführung des islamistisch ange-

hauchten Strafgesetzes deuten hingegen


an, wie schwerfällig und umstritten die


ModernisierungIndonesiensbleibt.


ThailandsWährungerstarkt


Auch in Thailand, der zweitgröss-

ten Volkswirtschaft in der Region,

macht sich eine Abkühlung bemerk-

bar. ZumTeil hängtdies mit der Er-

starkung derLandeswährung seitJah-

resanfang zusammen, was die Exporte

und dieTourismuseinnahmen drückt.

Nach einemWachstum von bloss 2,3%

im zweiten Quartal hat die Zentral-

bank die Prognose für das laufende

Jahrauf 2,8%revidiert. Es wäre das

schwächsteWachstum der letzten fünf

Jahre – und es bedeutete eine starke

Verlangsamung derKonjunktur,wo-

mit wenig Hoffnung auf eine Über-

windung der riesigenWohlstandsunter-

schiede besteht.

Aufder Vinh-Tuy-Brückeind er vietnamesischen HauptstadtHanoi herrscht ein heilloses Gedränge. MAIKA ELAN / BLOOMBERG


Kuno Kennel


EhemaligerPräsident


der Schwyzer


NZZ Kantonalbank


Auf dieseWeise


dürften neueWirkungs-


zusammenhänge von


Substanzen und neue


Therapiemöglichkeiten


entdeckt werden.

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