Es ist praktisch unmöglich zu kon-
trollieren, was mit den Video- und Ton-
aufnahmen passiert, die die digitalen
Assistenten machen. Das gilt für die Be-
sitzer der Geräte, es gilt erst recht für
ihre Gäste. Und die Daten sind nicht
nur für die Konzerne interessant. Bun-
desinnenminister Horst Seehofer hat
im Frühjahr den Wunsch angemeldet,
dass Sicherheitsbehörden für Ermitt-
lungen auf die Daten von Smart-Home-
Geräten zugreifen dürfen. Auf eine klei-
ne Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion
antwortete das Bundesinnenministeri-
um, dass dafür nicht einmal ein neues
Gesetz nötig sei. Nach Ansicht der Bun-
desregierung reicht ein richterlicher Be-
schluss zur Online-Durchsuchung aus.
Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter
für den Datenschutz und die Informati-
onsfreiheit, warnt ausdrücklich vor der
Verwendung der smarten Kameras, zu-
mal „hier oft sehr sensible Daten erfasst
werden, die Informationen mit einer
Reichweite bis in die Intimsphäre der
Betroffenen enthalten können“. Gerade
wenn Nutzer Daten auf Cloud-Diensten
speicherten, sei nicht ausgeschlossen,
dass Sicherheitsbehörden auch ohne
Kenntnis der Betroffenen darauf zugrei-
fen könnten. Kelber rät deutschen Nut-
zern dazu, „alternative Produkte“ zu
kaufen, die „eine ausschließlich lokale
Speicherung ermöglichen“.
NACHBARSCHAFTS-APPDiese Skep-
sis gibt es nicht nur in Deutschland.
Auch in den USA steht Google stark in
der Kritik. Denn dort arbeitet der Kon-
zern eng mit lokalen Polizeibehörden
zusammen. Bürgerrechtsorganisationen
wie die „Electronic Frontier Foundati-
on“ (EFF) nennen die Ring-Gegen-
sprechkamera für die Haustür den „per-
fekten Sturm“ für Datenschutz-Brüche.
Denn Amazon bietet eine „Nachbar-
schafts“-App an, mit der Besitzer intelli-
genter Kameras ihre Aufzeichnungen
teilen können. Ein Datenschatz für die
Polizei. Lokale Polizeibehörden werben
bereits für die Anschaffung der Kameras,
und die Werbestrategen des Konzerns
unterstützten sie, berichtet die EFF.
In Deutschland gibt es solche Projek-
te bisher nicht. Allerdings werden die
Türkameras verkauft. Wer sie nutzt,
weiß oft nicht, dass die Geräte auch den
Gehweg oder die Straße im Blick haben,
also den öffentlichen Raum überwachen
- und das ist in Deutschland verboten.
Facebook betont deshalb immer wie-
der, dass die Kameradaten nicht gespei-
chert werden. Amazons Alexa aktiviert
auf Zuruf einen Modus, in dem die Da-
tenaufzeichnung der Kameras und Mi-
krofone gestoppt wird. Und Google
baut in Geräte einen mechanischen
Schalter ein, der die Kamera abschaltet.
Amazons Entwickler haben ebenso
schon einmal angedeutet, was möglich
wird, wenn die Entwickler die Möglich-
keiten künstlicher Intelligenz aus-
schöpfen. Zu den Neuigkeiten, die
Hardware-Chef Limp kürzlich vorstell-
te, gehörte eine Funktion, mit der Alexa
erkennen kann, ob die Nutzer zufrieden
mit ihr sind oder frustriert. So legte
Amazon offen, dass die Geräte inzwi-
schen Gefühle analysieren können und
Stimmungen deuten. Entsprechend
könnte Alexa reagieren – und, natürlich,
einen Kauf eines Produkts empfehlen.
WIRTSCHAFT & FINANZEN
Audiodaten direkt auf die Internet-Ser-
ver der Hersteller. Dort können sie von
künstlicher Intelligenz gelesen und ana-
lysiert werden. Der Suchmaschinenrie-
se Google geht dabei am weitesten.
„Weiß, was eine Person ist – und was
nicht“, so lautet der Werbeslogan für
die „Nest Cam IQ“. „Weiß auch, wer du
bist – und wer deine Freunde sind“,
könnte man ergänzen. Die Kamera
sucht in ihrem Blickfeld nach Men-
schen. Und sobald sie ein Gesicht er-
fasst, gleicht sie es mit einer Datenbank
bekannter Personen ab. Die Funktion
ist dafür gedacht, dass sich der Nutzer
zum Beispiel eine Nachricht auf sein
Handy schicken lassen kann, wenn sei-
ne Frau oder die Kinder nach Hause
kommen. Oder um einen Einbrecher zu
erkennen. Denn die künstliche Intelli-
genz schlägt Alarm, wenn sie ein Ge-
sicht im Raum nicht kennt.
EINVERSTÄNDNIS EINHOLENGoo-
gle setzt eine ähnliche Gesichtserken-
nung zusammen mit Stimmerkennung
auch in intelligenten Displays ein. Die
Informationen daraus verknüpft der
Konzern mit denen der bestehenden
Benutzerkonten. Das führt dazu, dass
die „Nest Hub“-Displays ihre Benutzer
erkennen und ihnen etwa ihre Kalen-
dereinträge oder E-Mails anzeigen. Es
führt auch dazu, dass Googles Assistent
dank seiner Kamera genau weiß, wer
wann zu Hause ist.
Diese Gesichtserkennung in den eige-
nen vier Wänden ist das, was Daten-
schützern am meisten Sorgen macht.
Marit Hansen, Landesbeauftragte für
Datenschutz in Schleswig-Holstein,
sagt: „Sobald eine biometrische Analyse
etwa eines Gesichts erfolgt, müsste ich
alle Besucher einer Wohnung vorher
warnen und ihr Einverständnis einho-
len.“ Wer aber öffnet Freunden und Be-
kannten die Haustür und fragt sie als
erstes, ob sie einverstanden sind, dass
sie von einer Maschine gescannt und
katalogisiert werden? Das ist das eine.
Das andere ist, dass sehr private Auf-
nahmen automatisch auf Server in die
USA übertragen werden. Auch das sieht
Hansen kritisch: „Damit geben die Nut-
zer ein Stück weit die Kontrolle über
das Material auf.“ Noch problemati-
scher findet die Datenschützerin, dass
Audiodaten auf Servern aufgezeichnet
werden: „Das privat gesprochene Wort
ist vertraulich und darf nicht veröffent-
licht werden. Wird also eine solche Auf-
zeichnung einfach irgendwo hinge-
streamt, benötigen sie ebenfalls die ex-
plizite Einverständnis der Betroffenen.“
AUSGE-
BLENDET
Amazons
Ring-Kamera
warnt auto-
matisch, wenn
sich in ihrem
Blickfeld et-
was bewegt –
dank Nachtsichtmodus auch bei
Dunkelheit. Mit integriertem
Lautsprecher funktioniert das
Gerät als Gegensprechanlage.
Die Privatsphäre-Funktion kann
Sichtbereiche ausblenden.
AUF DU
Googles Nest
IQ-Kamera
gibt es als
Indoor- und
Outdoor-
variante.
Da Googles
Assistant
integriert ist, kann das Gerät
Fragen beantworten. Gekoppelt
mit dem kostenpflichtigen Nest-
Abonnement erkennt die Kamera
in Echtzeit Gesichter. Der Dienst
bewahrt Aufzeichnungen bis zu
3 0 Tage lang auf.
PROFI-DREH
Facebooks
Portal-Kamera
ist der Versuch,
den Videochat
neu zu erfin-
den: Ein Algo-
rithmus ana-
lysiert das
Geschehen vor
der Kamera und wählt den Bild-
ausschnitt automatisch. So ge-
winnen zuvor wackelige Whats-
App-Videoanrufe die Dynamik
eines professionellen Drehs mit
Kameramann. Zudem können
Nutzer mittels Augmented Reali-
ty Märchen erzählen oder Live-
Bildeffekte einblenden.
Allsehende Augen
GETTY IMAGES
(11); GETTY IMAGES/FRANKRAMSPOTT; PICTURE ALLIANCE / DPA
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