54 REISEN WELT AM SONNTAG NR.40 6.OKTOBER2019
as Ahrtal ist ein Teil der Eifel, hat
aber einen ganz anderen Charak-
ter: dem Wein sei Dank. Fast jeder
Quadratmeter in dem felsigen Tal
im Norden von Rheinland-Pfalz
wird hier von den zahlreichen Weingütern ge-
nutzt. 85 Prozent der Rebsorten bringen rote
Trauben, aus denen vor allem der süffige Spät-
burgunder produziert wird, aber auch Frühbur-
gunder, Portugieser und verstärkt Dornfelder.
Mit gut 500 Hektar Anbaufläche ist die Ahr
Deutschlands größtes geschlossenes Rotwein-
Anbaugebiet.
Und man kann es auch als größtes Rotwein-
VVVerkostungsgebiet bezeichnen, Weinprobenerkostungsgebiet bezeichnen, Weinproben
werden im gesamten Tal angeboten, in Weingü-
tern und Weingenossenschaften. „Das ehemali-
ge Kloster Marienthal ist dabei besonders emp-
fffehlenswert“, sagt Herbert Marner von der Da-ehlenswert“, sagt Herbert Marner von der Da-
gernova, der mit 600 Weinbauern größten
Winzergenossenschaft im Tal. „Hier haben sich
vier etablierte Weingüter zusammengeschlos-
sen, um dieses Kleinod dauerhaft als Kulturgut
zu erhalten und um Marienthal als wichtigen
WWWeinort im Ahrtal zu etablieren.“ In Marienthaleinort im Ahrtal zu etablieren.“ In Marienthal
habe man sogar schon die Spitzen des koreani-
schen Weltkonzerns Samsung zu Gast gehabt:
„Die haben sich vor Begeisterung in einem der
tiefen Weinkeller bei Kerzenschein und Ahr-
wein gar nicht mehr eingekriegt!“
Längst haben die Gemeinden und Winzer aber
auch erkannt, dass es mehr als ein paar stim-
mungsvolle Weinproben braucht, um Besucher
dauerhaft für das Tal zu gewinnen. In der Kom-
bination „Wein und Wandern“ liegt denn auch
der besondere Reiz: Immer mehr Besucher ge-
hen den berühmten Rotweinwanderweg ober-
halb des Ahr-Flusslaufs ab.
Er verläuft von Bad Bodendorf bis Altenahr
auf einer Länge von 35 Kilometern durch Wein-
terrassen und bietet unterwegs nicht nur ein
fffantastisches Panorama, sondern jede Mengeantastisches Panorama, sondern jede Menge
Probiermöglichkeiten. Die Einkehr in eine
Straußwirtschaft oder ein Besuch der Weingü-
ter, etwa beim Topwinzer Meyer-Näkel oder in
der Walporzheimer Weinmanufaktur, sind ein
Muss.
Immer noch streiten Archäologen und Histo-
riker, wer den Wein ins Ahrtal gebracht hat. „Ob
es wirklich die Römer waren, ist nicht gesi-
chert“, sagt Herbert Marner. Aber dass sie die
Landschaft geprägt und ihre Spuren hinterlassen
haben, davon zeugt zum Beispiel die Römervilla
am Ahrweiler Silberberg. Wie gut es sich damals
schon in der Gegend leben ließ, wird beim Rund-
gang durch die Ausgrabungen der opulenten
Gutsanlage mehr als deutlich. ako
TWeinadressenVielerorts im Tal kann man
Weinkeller besichtigen und an zum Teil zünfti-
gen Weinverkostungen teilnehmen, auch be-
steht die Möglichkeit, vor Ort Weine direkt zu
kaufen:
Weingut Meyer-Näkel: http://www.meyer-naekel.de;
Mayschoß Altenahr:
http://www.wg-mayschoss.de; Dagernova-Weinma-
nufaktur: http://www.dagernova.de;
Weinmanufaktur Walporzheim:
weinmanufaktur-walporzheim.com; Weingut
Kloster Marienthal: http://www. weingut-kloster-
marienthal.de
Onlineshop: http://www.ahrweindepot.de
Auskunftwww.ahrtal.de
Wein
doch!
Rotwein gilt schon seit
alten Zeiten als
Stärkungsmittel. Und so
kann man im Ahrtal,
Deutschlands größtem
Anbaugebiet der roten
Reben, als Wanderer
unterwegs immer mal
wieder einen kräftigen
Schluck nehmen
D
Gut für den Kreislauf Weinausschank auf dem Rotweinwanderweg
PICTURE ALLIANCE
/CHROMORANGE/RUTH ROEDER
n Pjöngjang, in der Steppe, in Masuren: Überall ha-
ben die Menschen dasselbe Problem: Sie vergeuden
Lebenszeit mit Warten. Im Stau, an der Ampel, in
Warteschlangen. Dieser „Leerzeit“ hat der Architek-
turfotograf Dieter Leistner jetzt einen Bildband ge-
widmet, für den er seit 1978 auf sämtlichen Kontinen-
ten unterwegs war. Ein wunderbares Buch, das Men-
schen in Wartehäuschen und an Haltestellen zeigt, in
Millionenstädten, auf dem flachen Land, selbst auf
einsamen Inseln.
Man leidet förmlich mit, wenn man die Leute so da-
stehen oder rumsitzen sieht, wie sie mit mürrischer
Mine ins Leere oder auf ihr Handy starren, genervt
vom Bus, der nicht kommt. Selbst auf den Seychellen
wird das Zeittotschlagen zur Pein, da kann die
Palmenkulisse im Hintergrund noch so schön sein.
Kein Wartender hat ein Auge dafür, auch nicht für die
Berglandschaft in Vorarlberg oder die historischen
Mauern in Oxford. Warten ist Tortur. Trotzdem ge-
lingt es Leistner, mit seinem Buch gute Laune zu ver-
breiten. Keiner vor ihm ist auf die Idee gekommen, ei-
ne Wartehäuschen-Weltreise zu unternehmen. Man
kann nicht anders als sich zu freuen: über die Origina-
lität des kirgisischen Wartehäuschens in Form eines
traditionellen Huts, über die Skurrilität der Haltestel-
le in Südkorea, die aussieht wie ein Radio, über die Äs-
thetik der Einsamkeit, die das Mädchen vermittelt, das
in der argentinischen Pampa unter einem Wellblech-
dach vor zwei kargen Palmen auf den Transfer in eine
bessere Welt zu warten scheint. Und noch etwas ge-
lingt Leistner: Er stiftet Trost. Seine Bildersammlung
zeigt, dass man nicht allein ist – das Warten ist eine
Geißel der gesamten Menschheit. SÖNKE KRÜGER
I
Seychellen Warten ist eine Qual, auch vor Palmen
Neuseeland Und die Zeit vergeht ...
ArgentinienMitten in der Pampa
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