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05.10.19 Samstag, 5. Oktober 2019DWBE-HP
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6 POLITIK DIE WELT SAMSTAG,5.OKTOBER
Schreiben weiter. Das droht den Zeit-
plan der Koalitionäre in Berlin zu verzö-
gern. Eigentlich sollte am 15. Oktober
ein gemeinsamer Senatsbeschluss ge-
fasst werden und am 24. Oktober der
Rat der Bürgermeister tagen, der sich
mit der Umsetzung in den Berliner Be-
zirken befasst.
Nicht nur die Linken sind deshalb
sauer, auch die Grünen sind über den
Regierenden Bürgermeister Michael
Müller (SPD) verärgert. „Rechtlich ist
es selbstverständlich möglich, entspre-
chend dem Entwurf des geplanten Mie-
tendeckels auch bereits bestehende
Mieten abzusenken, wenn sie mehr als
30 Prozent des Einkommens des Mie-
ters betragen“, sagte die Berliner Grü-
nen-Politikerin und Bundestagsabge-
ordnete Canan Bayram WELT.
Bayram beruft sich auf den Wissen-
schaftlichen Dienst des Bundestags und
eine Ausarbeitung des Republikani-
schen Anwaltsvereins, dessen Mitglied
sie ist. Hinter Müllers Vorstoß wittert
die Parteilinke aus Friedrichshain-
Kreuzberg, die bei der Bundestagswahl
2017 als einzige Grüne ein Direktman-
dat geholt hat, politisches Kalkül. Wenn
Müller „das aus politischen Gründen
W
enige Monate vor der ge-
planten Einführung eines
Berliner Mietendeckels im
Januar 2020 spitzt sich der Streit über
das Vorhaben in der rot-rot-grünen Ko-
alition in der Hauptstadt zu. Grund ist
ein gemeinsames Schreiben von Senats-
kanzlei und Senatsinnenverwaltung an
Stadtentwicklungssenatorin Katrin
Lompscher (Linke).
VON ANSGAR GRAW UND PHILIP KUHN
Darin werden rechtliche Bedenken
gegen den Gesetzentwurf angeführt,
wie der „Tagesspiegel“ berichtet. Größ-
tes Problem sei demnach das Vorhaben,
bestehende Mieten abzusenken, falls
diese mehr als 30 Prozent des Gesamt-
einkommens eines Mieterhaushalts be-
tragen.
Die SPD-geführte Senatsinnenver-
waltung sieht in diesem Vorhaben einen
unverhältnismäßigen Grundrechtsein-
griff zulasten der Vermieter. Zudem
handele es sich um soziales Mietrecht
und falle damit in die Gesetzgebungs-
kompetenz des Bundes. Innen- und Fi-
nanzverwaltung würden die Senatsvor-
lage so nicht billigen, heißt es in dem
trotzdem nicht will, soll er das auch po-
litisch sagen und sich nicht hinter an-
geblichen juristischen Problemen ver-
stecken, die es schlicht nicht gibt“.
Allerdings führt die Senatskanzlei
auch praktische Probleme bei der Um-
setzung des Mietendeckels an. Laut ih-
rem Schreiben kann die geplante Absen-
kung der Mieten in bestehenden Verträ-
gen falsche Erwartungen wecken und
durch viele Prüffälle zu immensem Auf-
wand für Verwaltungen und Gerichte
führen. Dieses Argument Müllers ver-
wirft Bayram als „Kapitulation vor Ver-
hältnissen, die er selbst zu verantwor-
ten hat“. Die Abgeordnete: „Wer den
politischen Willen und die politische
Mehrheit hat, sollte zugunsten der Mie-
ter entscheiden, anstatt eine angeblich
unfähige Verwaltung als Grund für das
eigene Nichtstun anzuführen.“
Auch andere Berliner Grüne sind irri-
tiert über den Widerstand des Regie-
renden auf den letzten Metern. Sie sei
verwundert darüber, wie „prominente
Vertreter der Koalition über Medien ro-
te Linien definieren“, sagt Berlins Grü-
nen-Fraktionschefin Antje Kapek. „Klar
ist: Es gibt beim Mietendeckel keinen
Weg zurück, wir haben den Point of no
Return überschritten.“ Es reiche jeden-
falls nicht, Mieten nur einzufrieren.
„Dann bestrafe ich alle fairen Vermie-
ter, die zuletzt nur moderat erhöht ha-
ben, und belohne diejenigen, die das
Maximale aus ihren Mietern rausge-
quetscht haben.“
Der Rechtsanwalt und frühere Grü-
nen-Bundestagsabgeordnete Hans-
Christian Ströbele zieht die rechtlichen
Einwände der Senatskanzlei ebenfalls
in Zweifel. Neben den Juristen aus der
Senatskanzlei müssten auch andere
Fachjuristen befragt werden. „Hier
schwingt natürlich bei den Juristen mit:
Unser Bürgermeister will das eigentlich
nicht“, sagt Ströbele WELT. Doch es ge-
be „vielfach Eingriffe in Grundrechte,
die auch Bestand haben“.
Die Berliner Grünen-Politikerin Ka-
trin Schmidberger äußert indes Ver-
ständnis für den Vorstoß aus der Se-
natskanzlei. Zwar sei die geforderte Ab-
senkung überhöhter Mieten nach wie
vor richtig. Allerdings sei der Vorschlag
aus dem Hause Lompscher nicht um-
setzbar, weil „das öffentliche Preisrecht
keinen Subjektbezug auf den Mieter zu-
lässt“. Statt sich öffentlich zu streiten,
solle man über Lösungen nachdenken.
„Zum Beispiel könnte auch der Mieten-
deckel eine Art Wuchermiete definie-
ren, ab der dann abgesenkt werden
muss“, so Schmidberger. Eine solche
Regelung gebe es bereits im Wirt-
schaftsstrafgesetz innerhalb des Bür-
gerlichen Gesetzbuchs (BGB). Wenn die
Miete demnach 20 Prozent und mehr
oberhalb der ortsüblichen Vergleichs-
miete liege, müsse abgesenkt werden.
Diesen Vorschlag habe auch der Erfin-
der des Mietendeckels, der Berliner Ju-
rist Peter Weber, gemacht.
Der Regierende Bürgermeister ver-
sucht zu beschwichtigen. „Dass es
über Detailfragen verschiedene Vor-
stellungen bei den Koalitionspartnern
gibt, ist ganz normal“, teilte Müller
mit. „Ich bin davon überzeugt, dass
wir uns im Interesse der Mieterinnen
und Mieter zeitnah mit Augenmaß auf
einen rechtssicheren Gesetzentwurf
einigen“ – was in seinen Augen eben
einer ohne die besagte Absenkungs-
möglichkeit wäre. Die Berliner Linke-
VVVorsitzende Katina Schubert sieht dasorsitzende Katina Schubert sieht das
anders: Der Senat habe im Juni Eck-
punkte für einen Mietendeckel be-
schlossen, zu dem auch die Möglich-
keit gehöre, überhöhte Mieten abzu-
senken, ließ sie am Freitag wissen.
„Daran halten wir fest.“
Der Streit ist noch nicht entschieden,
da wartet schon die nächste Etappe:
Wie die Linkspartei unterstützt auch
die Grüne Bayram die Idee einer Ent-
eignung aller Immobilienunternehmen
mit mehr als 3000 Wohnungen: „Wenn
wir jetzt die Mieten deckeln, wird spä-
ter das Enteignen leichter – unter der
Voraussetzung, dass der entsprechende
Volksentscheid die notwendige Zustim-
mung bekommt.“
Grüner Widerstand gegen Abschwächung des Mietendeckels
Eine Absenkung von Bestandsmieten hält Berlins Regierender Müller (SPD) für unmöglich. Einige Grüne wollen jedoch noch weiter gehen – bis zu Enteignungen
WENN WIR JETZT DIE
MIETEN DECKELN,
WIRD SPÄTER
DAS ENTEIGNEN
LEICHTER
CANAN BAYRAM, Grüne
,,
D
ie nostalgischen Reden
zur deutschen Einheit
sind verklungen. Gesell-
schaft und Politik können
sich wieder den noch zu
lösenden Aufgaben zuwenden. Der CDU-
Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor,
1992 im mecklenburgischen Ueckermün-
de geboren, ist ein Kind der Nachwende-
zeit. Ein Gespräch über ostdeutsche Bio-
grafien, frustrierte Wähler – und den Un-
terschied zwischen Stadt und Land.
VON ROBIN ALEXANDER
WELT:Herr Amthor, haben Sie den
Tag der Deutschen Einheit eigentlich
gefeiert?
PHILIPP AMTHOR: Ja, natürlich. Als Na-
tionalfeiertag steht er bei mir als Abge-
ordneter weit oben auf der Agenda. Ich
war bei mir im Wahlkreis unterwegs.
Unter anderem gab es ein großes „Ein-
heitskonzert“ in Neubrandenburg.
Was stand auf dem Programm?
Das war schon typisch deutsch: Es gab
Ludwig van Beethoven mit „Fidelio“,
Richard Strauss war ebenfalls vertreten.
Das passte gut zum Nationalfeiertag.
Sie sind ein junger und erfolgreicher
Abgeordneter, der erst nach der Wen-
de geboren wurde. Sind Sie persön-
lich der Beweis, dass die Einheit ge-
lungen ist?
Ich glaube, das sollte man nicht an Ein-
zelpersonen festmachen. Aber in jedem
Fall freue ich mich, wenn ich als Beispiel
dafür dienen kann, dass man auch als
Ostdeutscher und als jemand, der aus
dem ländlichen Raum kommt, keinen
Grund hat, sein Licht unter den Scheffel
zu stellen, sondern viel erreichen kann,
wenn man sich anstrengt.
Sind Sie eigentlich ein typischer „Ossi“?
Es ist die Frage, was ein typischer Ost-
deutscher ist. Ich bin jedenfalls mit
meiner ostdeutschen Identität im Rei-
nen. Aber dadurch, dass ich 1992 gebo-
ren bin, bin ich natürlich ein ganzes
Stück Gesamtdeutscher.
Von außen betrachtet haben Sie eine
typisch ostdeutsche Biografie. Sie
sind bei Ihrer Mutter aufgewachsen,
die in ihrem alten Beruf als Werk-
zeugmacherin nicht mehr weiterma-
chen konnte und umlernen musste.
Sind Sie von diesen Brüchen, über die
wir im Moment wieder so viel reden,
persönlich geprägt?
Auf jeden Fall. Das ist für mich und mei-
ne Politik ganz wichtig, weil ich aus der
eigenen Ansehung und aus der eigenen
Familie kenne, wie schwer die Jahre
nach der Wiedervereinigung für viele
waren. Sie haben die Brüche in der Bio-
grafie meiner Mutter angesprochen. So
etwas gab es oft in meinem Familien-
und Freundeskreis. Ich fand es ganz
großartig: Meine Mutter, zusammen
mit meinen Großeltern und der Familie,
hat sich immer angestrengt, mich das
nicht spüren zu lassen. Ich habe tolle
Bedingungen gehabt in der Kindheit.
Aber ich weiß, dass vieles eben nicht
einfach war – und das prägt gerade diese
Generation. Deswegen ist es wichtig,
dass wir jetzt etwa beim Thema Grund-
rente diese Brüche in den Erwerbsbio-
grafien mehr in den Blick nehmen.
Aber Ihre Partei, die CDU, sperrt sich
doch gegen die Grundrente?
Nein, wir treten für die Gerechtigkeits-
prüfung ein, die die SPD nicht will. Sie
nämlich will die Bedürftigkeitsprüfung
streichen. Und das finde ich im Kern
ziemlich ungerecht. Denn diejenigen,
die mit geringem Einkommen Sozial-
versicherungsbeiträge bezahlt haben,
Handwerker oder Friseure zum Bei-
spiel, die bezahlen dann unter Umstän-
den eine Grundrente für die Leute, die
gar nicht die Bedürftigkeit haben, diese
Grundrente zu bekommen.
Der Osten ist eine Hochburg der AfD
und der Linkspartei. Wissenschaftler
sagen oft, dass gerade bei vielen jun-
gen Männern in Ostdeutschland ein
Frustpotenzial entstanden ist, weil es
schwierig ist, Arbeitsplätze zu finden
- und weil es schwierig ist, Frauen zu
finden. Schließlich sind viele ostdeut-
sche Frauen nach der Wende in den
Westen gegangen, um dort zu arbei-
ten. Wie war das bei Ihnen? War es für
Sie schwierig, eine Freundin zu fin-
den?
Das Problem hatte ich nicht, deshalb
hat das bei mir keine große Frustration
ausgelöst. Gleichzeitig kann ich aber sa-
gen: Die These hat schon ein Stück weit
einen wahren Kern. In Ostdeutschland
ist die Enttäuschung an vielen Stellen
groß. Das betrifft vor allem diejenigen,
die aus dem ländlichen Raum kommen.
Es geht darum zu analysieren, warum
die Leute an vielen Stellen den Verein-
fachern von rechts oder auch links ihre
Stimmen geben. Das hat vor allem mit
Strukturverlust und -wandel im ländli-
chen Raum zu tun. Das muss ganz nach
oben auf die politische Agenda.
Ihre Freunde, mit denen Sie auf der
Schule zu tun hatten, wählen die AfD
oder Linkspartei?
Ich bin schon sicher, dass es manche
gibt, die das tun. Von denjenigen aus
dem näheren Umfeld, mit denen ich
mehr zu tun habe, konnte ich viele für
die CDU gewinnen. Aber eines ist doch
klar: Wenn man sich die Wahlergebnis-
se in Ostdeutschland anguckt, jetzt in
Sachsen beispielsweise oder bei vorhe-
rigen Wahlen in Mecklenburg-Vorpom-
mern, dann sieht man, dass nicht nur ir-
gendwelche gesellschaftlichen Außen-
seiter oder Extremfälle die AfD wählen.
Das geht in die Breite der Gesellschaft.
Mich hat immer interessiert: Warum
wählen die Leute eigentlich die AfD?
Wie lautet die Antwort?
In meinem Wahlkampf habe ich die Leu-
te oft damit konfrontiert und gesagt: Die
AfD löst eure Probleme doch auch nicht.
Da habe ich dann häufig die Antwort be-
kommen: Ja, das wissen wir. Aber wir
wählen sie, weil wir von euch enttäuscht
sind. Die AfD ist für viele ein Vehikel,
um Protest und Enttäuschung auszu-
drücken, um Themen zu adressieren, die
in der allgemeinen politischen Diskussi-
on nicht mehr auftauchen. Zum Beispiel
die Sorgen um den ländlichen Raum.
Sie persönlich sind immer vor Ort ge-
blieben. Stimmt es, dass Ihnen die
Kanzlerin geraten hat, nicht in den
Westen zu gehen?
Ja, das war tatsächlich so. Angela Mer-
kel war da nicht alleine schuld, aber
schon eine wichtige Stimme bei dem
Thema. Ich hatte mich früh in der Jun-
gen Union eingebracht. Ich komme ja
aus Angela Merkels Nachbarwahlkreis
und war für Mecklenburg-Vorpommern
der jüngste Delegierte beim Bundespar-
teitag 2011 in Leipzig. Am Delegierten-
vorabend kamen wir ins Gespräch. Sie
wollte von mir wissen, wie es bei mir
nach dem Abitur weitergeht. Ich sagte
dann, dass das Jurastudium das große
Ziel sei, in München oder in Heidelberg,
vielleicht auch in Hamburg, und dass
ich die Politik nebenbei weitermachen
wolle. Daraufhin sagte sie, dass sie das
für eine ganz schlechte Idee halte. Ich
war überrascht, weil ich dachte, dass sie
das Jurastudium gemeint haben könnte.
Das war aber nicht so. Vielmehr sagte
sie, dass es nicht sein könne, dass alle
guten Leute aus Mecklenburg-Vorpom-
mern weggingen. Politik mache man am
besten von zu Hause aus, Greifswald ha-
be doch ebenfalls eine tolle Universität.
Da hat sie recht gehabt.
Wenn wir in zehn Jahren über 40 Jah-
re deutsche Einheit oder in 20 Jahren
über 50 Jahre deutsche Einheit disku-
tieren: Wird es dann einfach nur ein
schönes historisches Datum sein?
Oder werden wir immer noch darüber
reden, was zwischen Ost und West
schiefläuft?
Das Ganze hat doch zwei Ebenen. Die ei-
ne Ebene sollten wir nicht kleinreden.
Dazu gehören der glückliche Moment des
- Oktobers 1990 und die Friedliche Revo-
lution. Wenn man die Bilder sieht, be-
rührt das doch jeden. Das ist fraglos der
glücklichste Moment in unserer Ge-
schichte. Deswegen ist das ein Grund
zum Feiern und ein Tag, auf denen wir als
Staatsvolk kollektiv stolz sein können.
Und die zweite Ebene?
Gleichzeitig ist es so, dass man Proble-
me nicht wegwischen darf. Der 3. Okto-
ber ist immer auch ein Anlass, auf Un-
terschiede zwischen Ost und West zu
schauen. Ich glaube aber, dass sich der
Fokus in den vergangenen Jahren schon
verlagert hat und in der Zukunft weiter
verlagern wird – nämlich auf die Unter-
schiede zwischen Stadt und Land. Das
ist nicht nur eine ostspezifische Diskus-
sion, sondern eine, die ganz Deutsch-
land betrifft. Denn der Osten ist an vie-
len Stellen das Brennglas für Phänome-
ne, die wir in strukturschwachen Räu-
men auch in Westdeutschland erleben.
Dieses Interview wurde vom stellvertre-
tenden WELT-Chefredakteur Robin Ale-
xander geführt. Hierbei handelt es sich um
eine gekürzte Version. Es erscheint eben-
falls in Auszügen in Gabor Steingarts
werktäglichem Newsletter „Morning Brie-
fing“ (fing“ (fing“ (https://www.gaborsteingart.com/https://www.gaborsteingart.com/
newsletter-morning-briefing/handelsstreit-
der-europaeische-irrtum/?wp-noca-
che=true) und als Gespräch in „Morning
Briefing: Der Podcast“ (Briefing: Der Podcast“ (Briefing: Der Podcast“ (https://gaborstein-https://gaborstein-
gart.com/?podcast=304).
„Nicht nur gesellschaftlicheNicht nur gesellschaftliche
AUSSENSEITERUSSENSEITER oder
EExtremfälle wählen AfD“xtremfälle wählen AfD“xtremfälle wählen AfD“xtremfälle wählen AfD“
Der CDU-Innenpolitiker Philipp Amthor sieht die Sorge um
den ländlichen Raum als Motivation für viele, ihre Stimme
den Rechtspopulisten zu geben – nicht nur in
Ostdeutschland
MARLENE GAWRISCH / WELT(4)
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