von ronja tillmann
E
rholt aus dem Urlaub zurück-
kehren – das ist für viele Flugrei-
sende nicht mehr ganz selbstver-
ständlich. Auch wer nicht von
der Thomas-Cook-Pleite betrof-
fen war, konnte viel Stress haben. Von Janu-
ar bis August 2019 fielen an deutschen
Flughäfen circa 9000 Flüge aus. Rund
70 000 hoben mit mehr als 30 Minuten Ver-
spätung ab und knapp 1800 Flüge sogar
mit drei oder mehr Stunden Verspätung.
Nur wenige Passagiere wissen, dass sie in
solchen Fällen ein Recht auf Entschädi-
gung haben. Eine Übersicht, was Reisende
tun müssen, um ihre Ansprüche durchset-
zen zu können.
Die Rechtslage
Seit dem Jahr 2004 genießen europäische
Fluggäste besonderen Schutz durch die EU-
Verordnung 261/2004. Dieser Schutz gilt
für alle Fluggäste mit gültigem Ticket und
Buchungsbestätigung, deren Flug entwe-
der in der EU startet oder der von einer
Fluggesellschaft mit Sitz in der EU ausge-
führt wird und in der EU landet. Dabei ist
es irrelevant, ob die Reisenden eine Pau-
schalreise gebucht haben oder sogar mit
kostenlosen oder reduzierten Tickets aus
einem Werbeprogramm unterwegs sind.
Auch Minderjährige mit eigenem Ticket ha-
ben Anspruch auf Entschädigung. Gut zu
wissen: Fluggesellschaften müssen bis zu
drei Jahre rückwirkend zahlen.
Die Verspätung
Bei einer Verspätung von drei oder mehr
Stunden haben Fluggäste einen Anspruch
auf Entschädigung. Wichtig: Die Verspä-
tung wird anhand der Ankunftszeit und
nicht anhand der Zeit des Abfluges berech-
net. Die Höhe der Auszahlung richtet sich
zudem nach der Flugstrecke und nicht et-
wa nach dem Ticketpreis. Bei Kurzstre-
ckenflügen bis zu einer Entfernung von
1500 Kilometern steht den Passagieren ei-
ne Entschädigung von 250 Euro zu. Bei ei-
ner Entfernung zwischen 1500 Kilometern
und 3500 Kilometern sind es 400 Euro. Bei
Verspätungen auf Langstreckenflügen von
mehr als 3500 Kilometern gibt es 600 Eu-
ro. Darüber hinaus muss die Airline bereits
ab zwei Stunden Verspätung Snacks und
Getränke zur Verfügung stellen – und es
dem Passagier ermöglichen, zwei Telefona-
te zu führen. „Es ist ganz wichtig, dass man
immer alles dokumentiert“, sagt Julia Zel-
ler, Referentin für Verbraucherrecht bei
der Verbraucherzentrale Bayern. „Die Air-
line ist zur Auskunft darüber verpflichtet,
welche Rechte Passagiere bei Verzögerun-
gen haben und darf sie nicht ohne Informa-
tionen abweisen.“
Der Ausfall
Im Fall einer Annullierung haben die Passa-
giere das Recht auf einen Ersatzflug oder
können sich den vollen Ticketpreis erstat-
ten lassen. Darüber hinaus können wieder
Entschädigungszahlungen zwischen 250
und 600 Euro verlangt werden, wenn die
Airline weniger als 14 Tage vor Abflug über
den Flugausfall informiert und keinen Er-
satzflug anbietet. Wenn ein angebotener al-
ternativer Flug mehr als zwei Stunden frü-
her abfliegt oder mehr als vier Stunden spä-
ter ankommt, besteht ebenfalls ein An-
spruch auf Entschädigung. Je später die
Airline informiert, desto niedriger ist die
Toleranz für die Abweichung zum ur-
sprünglichen Flug. Erfahren Passagiere
erst weniger als sieben Tage vor Beginn
der Reise, dass ihr Flug ausfällt, so müssen
sie lediglich akzeptieren, dass der Ersatz-
flug eine Stunde vorher startet beziehungs-
weise zwei Stunden später landet als der ur-
sprünglich gebuchte Flug. Die Höhe der
Entschädigung bemisst sich analog zu den
Zahlungen bei Verspätungen.
Der Streik
Bei einem Streik oder anderen sogenann-
ten „außergewöhnlichen Umständen“ – da-
zu zählen Unwetter, Vögel im Triebwerk,
unvermeidbare Sicherheitsrisiken oder po-
litische Instabilität – besteht in der Regel
kein Anspruch auf Entschädigung gemäß
der Fluggastrechte-Verordnung. Doch ge-
rade im Streikfall gibt es einige Ausnah-
men: Wenn die Fluggesellschaft diesen
zum Beispiel hätte verhindern können, in-
dem sie die Verhandlungen fortsetzt, kann
sie sich nicht auf außergewöhnliche Um-
stände berufen – und muss Entschädigun-
gen zahlen. Für Kunden ist jedoch oft
schwer nachzuvollziehen, wann die Airline
einen Ausfall hätte verhindern können.
„Wer nur fadenscheinige Antworten von
der Airline bekommt, sollte nachhaken“,
rät Verbraucherschützerin Zeller. „Manch-
mal schieben Fluggesellschaften die außer-
gewöhnlichen Umstände nur vor, um aus
der Verantwortung raus zu sein.“
Die Durchsetzung
Zunächst sollten sich Reisende mit ihrer
Beschwerde direkt an die Fluggesellschaft
wenden. Manche Airlines zahlen erst auf
Nachfrage. Es gibt allerdings auch einige,
die sich sehr unkooperativ zeigen, heißt es
bei der Verbraucherzentrale, die aber kei-
ne Namen nennen will. In schwierigen Fäl-
len verweisen die Verbraucherschützer auf
die Schlichtungsstelle für den öffentlichen
Personenverkehr (SÖP), die bei einer außer-
gerichtlichen Streitbeilegung unterstützt.
Wem dies alles zu aufwendig ist, der
kann sich bei der Durchsetzung seiner
Rechte auch von sogenannten „Legal
Techs“, wie zum Beispiel Flightright, Air-
help oder Fairplane helfen lassen. „Wir hö-
ren von unseren Kunden immer wieder,
dass sie es vor der Beauftragung von Flight-
right selbst bei der Airline versucht haben
und nicht erfolgreich waren“, sagt eine
Sprecherin von Flightright. Eine Aussage
über die Erfolgsquote könne man nicht
treffen. Die Fluggastrechteportale erhal-
ten in der Regel 20 bis 30 Prozent der Ent-
schädigungszahlung als Provision. Schei-
tern sie, muss der Kunde nichts zahlen.
Neue Entwicklungen
Nach einem Urteil des Europäischen Ge-
richtshofs (EuGH) vom 11. Juli 2019 muss
ein Luftfahrtunternehmen, bei dem ein
Flug mit Umstieg gebucht wurde, auch
dann zahlen, wenn der Anschlussflug, der
von einer anderen Fluggesellschaft durch-
geführt wurde, verspätet ist. Dies gilt
selbst dann, wenn diese Fluggesellschaft
ihren Sitz außerhalb der EU hat – und so-
mit eigentlich nicht in die EU-Verordnung
fällt. Entscheidend sei nur, dass die Flug-
verbindung Gegenstand einer einzigen Bu-
chung war (Az. C-502/18).
„Wer nur fadenscheinige
Antwortenvon der
Airline bekommt, sollte
nachhaken.“
Athen/Madrid/Istanbul/Bali– Manche
waren vorbereitet, andere hat die Pleite
von Thomas Cook kalt erwischt: Weltweit
bangen Hoteliers um Zahlungen des insol-
venten Konzerns für die diesjährige Sai-
son – und die gesamte Branche um ihre Zu-
kunft nach der Insolvenz des Reise-Kon-
zerns. Optimistisch stimmt manche, dass
die gewaltige Marktmacht des Unterneh-
mens gebrochen wird. Doch ob sich die
Preise für Urlauber im Jahr 2020 nach
oben oder nach unten bewegen werden,
vermag bisher niemand zu sagen.
Die griechische Rechnung offenbart
das Ausmaß der Katastrophe. Allein mit
200 Millionen Euro direkten Ausfällen –
also die nicht gezahlten Rechnungen von
Thomas Cook – rechnet der griechische
Hotelverband HHF (Hellenic Hotel Federa-
tion) für die Saison 2019. „200 Millionen
ausstehender Rechnungen zuzüglich 115
Millionen Euro jener Gäste, die nach der
Pleite im Oktober gar nicht mehr ange-
reist sind“, sagt Grigoris Tasios, Präsident
des griechischen Hotelverbandes.
Und dann müsse man die Pleite auch
systemisch sehen: „Daran hängen Ange-
stellte, Steuerzahlungen an die Staatskas-
se, die Bezahlung von Zulieferern.“ So ge-
langt Griechenland auf die stattliche Sum-
me von 500 Millionen Euro – für dieses
Jahr. Insgesamt gibt es in Griechenland et-
wa 10000 Hotels, davon sind viele sehr
klein. Von den großen haben 1200 einen
großen Anteil an Thomas-Cook-Touris-
ten. Viele von ihnen müssen sich nun ernst-
haft Gedanken machen. Ein paar Dutzend
dieser Hotels waren sogar direkte Fran-
chise-Partner des britischen Konzerns –
bei ihnen stellt sich die Frage nach der Zu-
kunft besonders akut.
In Spanien sieht es ebenfalls nicht be-
sonders gut aus. Allein der Schaden durch
offene Rechnungen beträgt dort Fachleu-
ten zufolge in diesem Jahr mindestens
200 Millionen Euro, davon allein auf Mal-
lorca 100 Millionen. Die Kosten entstehen
- genau wie in Griechenland – nicht nur
durch mögliche Ausfälle bei der Beglei-
chung aktuell offener Rechnungen sei-
tens Thomas Cook, sondern auch durch
entlassenes Personal, Steuern, die wegen
der Ausfälle nicht gezahlt werden können,
und Hotel-Zulieferern, die leer ausgehen.
In der Türkei würden manche Unter-
künfte wegen der Pleite in jedem Fall frü-
her schließen als geplant, heißt es seitens
des dortigen Hotelverbandes Türofed.
Deutlicher äußert sich der Tourismus-Be-
ratungsrat TIK: Er spricht von einer
„schweren Krise“, die zunächst mit bis zu
350 Millionen Euro zu Buche schlagen
könnte.
Die schwersten Auswirkungen der Plei-
te zeigten sich nicht in der Tourismus-
hochburg Antalya, sondern in den weiter
nordwestlich gelegenen Ferienstädten
Marmaris, Fethiye oder Dalaman sowie in
der Ägäis-Region, sagt Türofed-Chef Os-
man Ayik. Konkrete Zahlen hat er zu-
nächst nicht parat. „Es wird noch etwas
Zeit brauchen.“ Etwa tausend Unterneh-
men seien betroffen, erst in den kommen-
den Jahren werde sich das Ausmaß zeigen.
Die Hotelierföderation Türofed hat ei-
nen „Krisen-Tisch“ gegründet. Hier gehe
es auch um die Begleichung von Schulden
und Hilfe für „Firmen, die dringende Bar-
zahlungen benötigen“. In Griechenland
gibt es ebenfalls Forderungen der Verbän-
de an die Regierung zur finanziellen Unter-
stützung oder wenigstens Steuerentlas-
tungen in diesem wichtigen Bereich, der
direkt etwa 25 Prozent des griechischen
Bruttosozialprodukts stemmt und indi-
rekt für rund 35 Prozent verantwortlich
sein dürfte.
Doch nicht nur Destinationen in und
um Europa herum sind betroffen. So trifft
das Aus für Thomas Cook in Afrika vor al-
lem ein kleines Land, das große Hoffnun-
gen auf den Tourismus gesetzt hatte: Gam-
bia. Der Reiseveranstalter hatte das west-
afrikanische Land vor allem zwischen No-
vember und April angeflogen. Für die Wirt-
schaft des bitterarmen Staates – er gilt als
kleinster auf dem gesamten Kontinent –
ist die Nachricht von der Pleite eine einzi-
ge Katastrophe: Der Tourismus macht im-
merhin etwa 30 Prozent des Bruttoinlands-
produktes aus.
Auch auf der indonesischen Urlauberin-
sel Bali gibt es Klagen von Hoteliers, dass
sie durch die Insolvenz größere Geldsum-
men verloren haben. Schließungen oder
Entlassungen wegen der Thomas-Cook-
Pleite wurden bisher jedoch keine be-
kannt. Ähnlich ist es in Thailand: Auch
dort bleiben Hotels auf Kosten sitzen. Man-
che versuchten, das Geld direkt von den
Kunden zu bekommen und setzten die
Gäste dabei recht massiv unter Druck,
auch durch Drohungen mit der Polizei. In
Griechenland hieß es schon am Tag der
Pleite, die Insolvenz von Thomas Cook sei
für die Branche ein „Erdbeben der Stär-
ke 7“, wobei man auf den Tsunami noch
warte. Wie es im kommenden Jahr weiter-
gehen könnte, vermag auch Hotelver-
bandschef Grigoris Tasios nicht zu sagen.
Überlegungen stellen er und seine Kolle-
gen natürlich dennoch an: „Wir haben Ver-
trauen in die deutschen Gäste und sie in
uns – und wir werden uns weiterhin um
gute Preise bemühen.“ Es sei nicht zwin-
gend, dass die Preise im kommenden Jahr
steigen, sagt Tasios. „Es kann auch sein,
dass sie im Gegenteil aufgrund des Markt-
drucks fallen.“ dpa
Bleiben die Strände bald leer? Griechische Hoteliers sind verunsichert, hier der Ba-
deort Asprovalta zwischen Thessaloniki und Kavala. FOTO: OLIVER BUNIC/BLOOMBERG
Verbraucherschützerin Zeller
Kalt erwischt
Die Pleitevon Thomas Cook bringt Hoteliers in den Reiseländern in finanzielle Not
Wann es Geld fürs Warten gibt
Verspätungen, Flugausfälle, Streik – so kann eine Reise schnell zum Horrortrip werden.
Doch nicht immer wird eine Entschädigung gezahlt. Auch weil viele Fluggäste ihre Rechte nicht kennen
Tourismusverbände in
Griechenland fordern
finanzielle Hilfe vom Staat
Allein für die mallorquinischen
Hoteliers beträgt der Schaden
gut 100 Millionen Euro
28 WIRTSCHAFT HF2 Samstag/Sonntag, 5./6. Oktober 2019, Nr. 230DEFGH
Manchmal ist beim Fliegen Geduld gefragt: Reisende am Flughafen München. FOTO:MICHAELA REHLE/REUTERS
Spüren Siediegrandiose Kra!von80Spitzenmusikern
Herr der Ringe |Gladiator |Ziemlich besteFreunde |Star Wars |Titanic
König derLöwen|Jurassic World |The Da VinciCode |Game of Thrones |uvm.
Tickets unterwww.klassikradio.de
01.11.19
München
02.11.19
Stu!gart
05.11.19
Dresden
06.11.19
Frankfurt
22.11.19
Hamburg
29.11.19
Hannover
03.12.19
Düsseldorf
06.12.19
Augsburg
13.12.19
Berlin
18.12.19
Nürnberg
JETZT
LETZTE
TICKETS
SICHERN!
DIE NACHT DER