Süddeutsche Zeitung - 05.10.2019

(Ron) #1

VON MARIANNE E. HAAS


Jürgen Gros, Präsident des Genossenschafts-
verbandes Bayern, zieht Halbjahresbilanz
für 236 Mitgliedsbanken und erwartet von
den neuen Präsidentinnen der Europäischen
Zentralbank (EZB) und der EU-Kommission
Korrekturen an den Entscheidungen ihrer
Vorgänger.


Wie haben sich die Geschäfte bei den bay-
erischen Genossenschaftsbanken im ersten
Halbjahr entwickelt?


Gros: Das erste Halbjahr war für die Volks-
und Raiffeisenbanken in Bayern von Wachs-


tum geprägt. Sie haben das an den Mittel-
stand ausgereichte Kreditvolumen um 3,6
Prozent ausgeweitet. Bei Privatkunden waren
es aufgrund der Immobilienkonjunktur im-
merhin 1,8 Prozent. Zudem gab es bei den
Kundengeldern noch einmal ein Plus von 1,6
Prozent. Mit diesen Zahlen können unsere
Mitgliedsbanken zufrieden sein. Im zweiten
Halbjahr rechnen sie aber aufgrund der Kon-
junkturschwäche mit einer nachlassenden
Wachstumsdynamik im Kundengeschäft.

Wie wirkt sich die Niedrigzinspolitik aus?

Das Zinsergebnis steht weiterhin unter
Druck und wird auch 2019 zurückgehen. Die
Volks- und Raiffeisenbanken werden des-
halb die Arbeit auf der Kostenseite intensi-
vieren und die Zusammenarbeit im Verbund
weiter stärken. Sie prüfen außerdem inten-
siv, welche Geschäftspotenziale ihnen digi-
tale Plattformen bieten und welche Voraus-
setzungen in der Gruppe geschaffen werden
müssen, um sie zu nutzen.

Christine Lagarde wird Nachfolgerin von
Mario Draghi bei der EZB. Was erwarten
sich Ihre Banken davon?

Wir erwarten, dass Frau Lagarde kritisch die
Politik ihres Vorgängers hinterfragt. Kon-
kret: Entsteht durch die Zinspolitik in ganz
Europa tatsächlich die gewünschte Kredit-
nachfrage und tragen die geldpolitischen
Maßnahmen dazu bei, das Inflationsziel von
zwei Prozent zu erreichen? Außerdem soll-
te die EZB prüfen, ob sie mit ihrer Politik
wirklich Anreize zum Abbau der übermäßi-
gen Staatsverschuldung in einigen Ländern
setzt. Ich habe da meine Zweifel.

Personelle Veränderungen gibt es nicht
nur bei der EZB, sondern mit Frau von der

Leyen auch an der Spitze der EU-Kommis-
sion. Sie haben sich zuletzt kritisch zu ihr
geäußert. Warum?

Einige Aussagen von Ursula von der Leyen
in ihrem neuen Amt habe ich mit Sorge
aufgenommen. Denn sie gibt den in Europa
bewährten Grundsatz der Subsidiarität auf.
Das wird sehr deutlich bei ihrer Position zu
den umstrittenen Plänen für eine EU-Ein-
lagensicherung. Sie rückt von der Position
der Bundesregierung ab, die einem europäi-
schen Sparerschutz mit Skepsis gegenüber-
steht. Ich erwarte, dass Frau von der Leyen
sehr genau prüft, ob die Zeit für eine Verge-
meinschaftung reif ist. Persönlich habe ich
daran erhebliche Zweifel, wenn ich mir die
immensen Bestände fauler Kredite in eini-
gen Staaten Südeuropas ansehe.

Von der Leyen spricht sich ja auch für eine
europäische Arbeitslosenversicherung aus.

Auch das irritiert. Aktuell ist nicht erkenn-
bar, dass alle EU-Mitgliedsstaaten über die
notwendigen Voraussetzungen dafür verfü-
gen. Die Gefahr von Sozialtransfers ist groß.
Viel besser wäre es – wie bei der Einlagensi-

cherung auch – die Eigenverantwortung der
Mitgliedsstaaten zu stärken.

Sie haben in den vergangenen Monaten
wiederholt praxisferne Vorschriften im
Verbraucherschutz kritisiert. Was haben
sie damit erreicht?

Unsere Mitgliedsbanken stellen nach wie vor
eine hohe Unzufriedenheit ihrer Kunden mit
den geltenden Verbraucherschutzvorschrif-
ten fest. Viele Anleger fühlen sich gegängelt
und bevormundet. Das sorgt für Frust. Da-

rauf haben wir immer wieder hingewiesen.
Bei Jörg Kukies, Staatssekretär im Bundesfi-
nanzministerium, ist das zumindest teilweise
auf fruchtbaren Boden gefallen. Er hat jüngst
angekündigt, dass sich die Bundesregierung
für eine praxisgerechte Weiterentwicklung
der EU-Wertpapierrichtlinie MiFID II ein-
setzen wird. Dazu gehört beispielsweise, die
verpflichtende Aufzeichnung telefonischer
Beratungsgespräche abzuschaffen und ein
Wahlrecht einzuführen. Wir begrüßen das,
weil das eine der am häufigsten von Bank-
kunden monierte Vorschrift ist.

Welches Vorhaben auf der Regulierungs-
agenda der EU-Kommission ist Ihnen
noch wichtig?

Aktuell beschäftigt uns besonders die Fina-
lisierung von Basel III. Wir sehen die Gefahr,
dass durch die Umsetzung die Mittelstandsfi-
nanzierung erschwert wird. Beispielsweise, weil
der sogenannte KMU-Faktor zur Diskussion
steht, der die Kreditvergabe an Unternehmen
erleichtert. Wir setzen uns deshalb gemeinsam
mit Handwerk und IHK dafür ein, dass solche
bewährten Instrumente erhalten bleiben.

Münchner Merkur Bank expandiert


Sie übernimmt wesentliche Teile des Geschäftes der Bank Schilling und ändert ihren Namen


Die inhabergeführte und börsennotierte
Münchner Merkur Bank expandiert weiter.
Nachdem sie 1989 Teilbereiche des Ingol-
städter Bankhauses Sinzinger übernommen
hatte, setzt sie jetzt mit der Übernahme
von wesentlichen Teilen des Geschäftes der
Bank Schilling in Hammelburg ihre Wachs-
tumsstrategie fort. „Sowohl die Filialnetze
als auch die Geschäftsbereiche ergänzen
sich perfekt, ohne dass es Überschneidun-
gen gibt“, freut sich geschäftsführender
Gesellschafter Marcus Lingel. Die Bank
Schilling verfüge über ein starkes Privat-
kundengeschäft mit einer Vermögensver-
waltung und der Finanzierung von Kapi-
talanlegern sowie einen sehr erfolgreichen
Rentenhandel. Die bestehenden Arbeitsver-
träge sollen übernommen werden. Nur das
ebenfalls von dem Institut betriebene Lea-
singgeschäft und die Aktivitäten als Immo-
bilienmakler habe man bei der Übernahme
bewusst ausgeklammert. Über die neuen
Filialen will sich die Merkur Bank weitere
Marktgebiete erschließen. „Wir stärken die


Gemeinsamkeiten und ergänzen unser An-
gebot in strategisch wichtigen Geschäfts-
bereichen“, stellt Lingel fest.

NEUER NAME
„MERKUR PRIVATBANK“

Andreas Maurer wird als neues Mitglied
der Geschäftsführung die Leitung und Integ-
ration der Standorte der Bank Schilling ver-
antworten und unterstützend beim Vertrieb
mitwirken. Der langjährige Branchenexper-
te wird künftig von Hammelburg aus tätig
sein. Das bisherige Vorstandsmitglied der
Bank Schilling, Matthias Busch, übernimmt
als Generalbevollmächtigter die Verantwor-
tung für zehn Filialen und wird gemeinsam
mit Maurer den Zusammenschluss der bei-
den Banken begleiten. Mit dem Vollzug des
Zusammenschlusses im vierten Quartal wird
das Unternehmen nach außen als „Merkur
Privatbank“ auftreten. Die rechtliche Umfir-
mierung soll nach der Hauptversammlung
im Juni 2020 erfolgen.

Finanziert wurde der Kauf durch eine
Kapitalerhöhung. 1 421 750 neue Stück-
aktien wurden im Rahmen einer Bezugs-
rechtskapitalerhöhung zu je 9,50 Euro pro
Aktie platziert und ein Erlös von 13 506
625 Euro erzielt. Darüber hinaus wird die
Gesellschaft eine Sachkapitalerhöhung
durch Ausgabe von 670 000 neuen Aktien
zu den gleichen Konditionen, unter Aus-
schluss des Bezugsrechts der Kommandi-
taktionäre, durchführen. Weiterhin wird
der Kapitalanteil der persönlich haftenden
Gesellschafter um einen Betrag von 4,5
Millionen Euro erhöht.
Die Merkur Bank ist in den Geschäftsbe-
reichen Finanzierung und Geldanlage tätig.
Bei Finanzierungen konzentriert sie sich auf
Wohnbauprojekte mittelständischer Bauträ-
ger an den Standorten München und Stutt-
gart, bei der Mittelstandsfinanzierung auf
Unternehmen in Bayern, Sachsen und Thü-
ringen und als bundesweiter Partner mittel-
ständischer Mobilien-Leasinggesellschaften
auf die Leasing-Refinanzierung. MEH

Namen


Uwe Brandl, 59, promovierter Jurist, Bürger-
meister der Stadt Abensberg und Präsident
des Bayerischen Gemeindetages sowie des
Deutschen Städte- und Gemeindebundes,
ist neuer stellvertretender Verbandsvorsit-
zender des Sparkassenverbandes Bayern.
Dieser erweitert damit das Präsidium seiner
Verbandsversammlung um einen dritten eh-
renamtlichen Vorsitzenden.


Robert Schindler, 55, ist vom 1. Novem-
ber an als Nachfolger von Edith Weymayr,
die Mitte November den Vorstandsvorsitz
der L-Bank übernehmen wird, neuer Be-
reichsvorstand der Mittelstandsbank Süd
der Commerzbank. Schindler war zuletzt
Vorstandsmitglied der HypoVereinsbank
und bringt langjährige Erfahrungen im Ge-
schäft mit dem Mittelstand und Großkun-
den mit.


Frank Haberzettel, 53, wurde zum 1. Okto-
ber neuer Bereichsvorstand für Privat- und
Unternehmerkunden der Commerzbank in
der Region Süd. Er folgt auf Werner Braun,


52, der ein einjähriges Sabbatical einlegt.
Haberzettel ist aufgrund seiner früheren
neunjährigen Tätigkeit in Nürnberg im Sü-
den gut verwurzelt. Als Bereichsvorstand ist
er für 230 Filialen und rund 1,78 Millionen
Kunden in Bayern und Baden-Württemberg
verantwortlich.

Andreas Wimmer, 45, promovierter Be-
triebswirt, wird zum 1. Januar als Nachfolger
von Markus Faulhaber neuer Vorstandsvor-
sitzender der Allianz Lebensversicherungs-
AG. Er begann seine Karriere 2004 bei der
Allianz. Seit Januar 2015 ist er Vorstandsmit-
glied von Allianz Leben und leitet das Res-
sort Firmenkunden. Wimmer wird zugleich
Vorstandsmitglied der Allianz Deutschland
AG. Neu im Vorstand von Allianz Leben ist
von Januar an Laura Gersch, 35, Betriebs-
wirtin. Sie folgt Wimmer als Vorstand für
das Ressort Firmenkunden nach und ist seit
2014 für die Allianz tätig, seit 2017 Leiterin
des Büros des Vorstandsvorsitzenden der
Allianz SE, Oliver Bäte. Zuvor war sie CFO
von Allianz Global Automotive. MEH

Kurz gemeldet


Klimaschutz. Um der Forderung nach ei-
nem wirksamen Klimaschutz Nachdruck zu
verleihen, schließt sich die Versicherungs-
gruppe „die Bayerische“ zusammen mit ih-
rer Tochter Pangaea Life als erste deutsche
Versicherungsgesellschaft der gemeinsamen
Kampagne „Together for Future“ an. Dabei
handelt es sich um eine Kooperation ver-
schiedener Unternehmen und der Fridays
for Future Bewegung.

Ohne Entgelt handeln. Die Privatbank Don-
ner & Reuschel, Hamburg und München, hat
sich an „Gettex“ der Börse München ange-
schlossen. Damit können ihre Kunden mehr
als 230 000 Aktien, Anleihen, Fonds, ETFs
oder Anlage- und Hebelzertifikate handeln,
ohne Maklercourtage und Börsenentgelt zu
bezahlen. MEH

>> IMPRESSUM
Redaktion Marianne E. Haas
[email protected]
Anzeigen Jürgen Maukner

Trotz aktueller Konjunk-
turschwäche sind die
Menschen in Bayern jetzt
mit ihren Lebensumstän-
den zufriedener als im
Frühjahr. Das zeigt die
neueste Messung des im
Auftrag der bayerischen
Volks- und Raiffeisenban-
ken ermittelte Heimatin-
dex, denn er erreichte
bei der Sommerumfrage
70 von 100 Punkten,
das ist ein Zähler mehr.
„Die Bayern lassen sich
von der aufziehenden
Wirtschaftsflaute nicht
ins Bockshorn jagen“,
kommentiert Jürgen Gros,
Präsident des Genossen-
schaftsverbandes Bayern,
das Ergebnis. MEH

Jürgen Gros, Präsident des Genossen-
schaftsverbandes Bayern. FOTO: GVB


Samstag, 5. Oktober 2019 EINE ANZEIGENSONDERVERÖFFENTLICHUNG DES SÜDDEUTSCHEN VERLAGES ANZEIGE


FINANZPLATZ BAYERN


„Sie sollen


die Politik ihrer


Vorgänger


korrigieren“


Der Genossenschaftsverband Bayern hat hohe Erwartungen an die neuen


Präsidentinnen der Europäischen Zentralbank und der EU-Kommission.


http://www.lfa.de


Bayerns Mittelstand ist stark in seiner Vielfalt. Als Förderbank für Bayern
unterstützen wir Unternehmen darin, in innovative Technologien zu investieren
und die Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern. Informieren Sie
sich über unseren neuen Innovationskredit 4.0 und profitieren Sie von attraktiven
Zinskonditionen mit Tilgungszuschuss. Gerne beraten wir Sie kostenfrei.
Tel. 0800 - 21 24 24 0

WIR FÖRDERN


IDEE UND


UMSETZUNG


NEU


INNOVATIONSKREDIT 4.0
MIT TILGUNGSZUSCHUSS
Free download pdf