Süddeutsche Zeitung - 05.10.2019

(Ron) #1
von sabine richter

D


ie perfekte Hotel-Rezeptionis-
tin arbeitet rund um die Uhr,
ist nie krank und spricht alle
Sprachen der Welt. Hideo Sa-
wada, Chef des weltweit ers-
ten Roboterhotels Henn-na in Tokio,
nennt sie seine Mitarbeiterin der Zukunft.
Während sie mit weicher Computerstim-
me die Gäste begrüßt, bringt ihr rollender
Kollege das Gepäck aufs Zimmer.
Allerdings will das Management künf-
tig wieder mehr auf menschliche Angestell-
te setzen. Denn die Roboter gingen vielen
Gästen auf die Nerven – angeblich gab es
immer mehr Beschwerden, weil Roboter
Schnarchen als Sprachbefehl missverstan-
den, nur 40 von 100 Zimmern ansteuerten
oder nur inländische Pässe einscannen
konnten. Die Hotelleitung schickte daher
viele Roboter in den vorzeitigen Ruhe-
stand.


Auch in Deutschland werden Hotel-Ro-
boter eingesetzt. Im Rilano-Hotel Mün-
chen Schwabing beispielsweise bringt
Jeeves den Gästen Getränke oder Snacks
an die Zimmertür, bestellt wird der anthra-
zitfarbene Roboter per Zimmertelefon. Er
fungiert sogar als Concierge. „Jeeves ist
mit dem Hotel-Wifi verbunden, läuft kom-
plett autonom, fährt Aufzug und ist jeder-
zeit einsatzbereit“, erklärt Johannes Fuchs
vom Münchner Start-up Robotise, das Ser-
vice-Roboter für Hotels oder Pflegeinrich-
tungen entwickelt.


Hotel-Roboter dienen aber weniger der
Effizienzsteigerung, sondern sind vor al-
lem eine Attraktion, mit der sich die Häu-
ser von der Konkurrenz abheben wollen.
Und die wird immer größer. In diesem Jahr
werden in Deutschland so viele Hotelzim-
mer fertiggestellt wie noch nie: 27 612 Zim-
mer, verteilt auf 173 Betriebe, prognosti-
ziert eine Studie des Projektentwicklers
Benchmark Real Estate und des Analyseun-
ternehmens Bulwiengesa.
Die Chancen, dass auch die neuen Zim-
mer ausreichend gebucht sein werden,
sind groß. Ferien in Deutschland werden
immer beliebter, die heißen Sommer ha-
ben diesen Trend noch verstärkt. Der Bun-
desverband der Deutschen Tourismuswirt-
schaft schätzt die Anzahl der Übernachtun-
gen 2018 in allen Unterkunftsarten auf
477 Millionen, vier Prozent mehr als 2017.
„Inzwischen entscheidet sich mancher Ur-
lauber für näher gelegene Ziele, nicht zu-
letzt, um das Fliegen stärker zu vermei-
den“, sagt Heidi Schmidtke, die den Bera-
tungsbereich der Hotelsparte von JLL lei-
tet. Auch ausländische Touristen und vor al-
lem Geschäftsreisende sorgen für eine stei-
gende Nachfrage. „Geschäftsreisende sind
in der Regel weniger preissensitiv, dafür
bleiben Freizeitreisende oftmals über das
Wochenende und sorgen damit für eine
kontinuierliche Auslastung“, so Schmidtke.
Stetiges Wachstum und stabile Rendi-
ten haben dazu beigetragen, dass Investo-
ren in den vergangenen Jahren sehr viel
Geld in bestehende Hotels und auch neue
Projekte investiert haben. Bisher haben
die von Jahr zu Jahr steigenden Übernach-
tungszahlen den Bettenzuwachs kompen-
siert, doch das könnte sich bald ändern.
„Die Jahre der starken Wachstumsraten
sind vorbei“, sagt Michael Lidl von der Un-

ternehmensberatung Treugast Solutions.
In manchen Städten wächst allein in den
kommenden drei Jahren die Bettenzahl
um mehr als 30 Prozent. Sehr viele neue
Hotels entstehen etwa in Hamburg oder
Heidelberg, später auch in Düsseldorf, Frei-
burg oder Regensburg. Betriebe, die die
vergangenen Jahre nicht für Investitionen
genutzt haben, hätten in den nächsten Jah-
ren zu kämpfen, vermutet Lidl.

„Der Wettbewerbsdruck auf dem deut-
schen Hotelmarkt ist enorm. Dabei stehen
vor allem die Betreiber klassischer Hotels
unter Druck“, berichtet Sabine Barthauer,
Vorstandsmitglied der Deutschen Hypo.
„Gefragt sind neue, moderne Konzepte,
die Design, Funktionalität, Individualität
und Nachhaltigkeit miteinander verbin-
den.“ Viele große Ketten kauften kleinere,
moderne Hotels auf und reagierten so auf
die sich verändernden Ansprüche. „Zwar
ist die Entwicklung, dass sich etablierte Ho-
telgesellschaften Marken einverleiben,
nicht neu, aber Übernahmen zwischen Ho-
telgesellschaften waren 2018 so ausge-
prägt, dass wir ein Rekordjahr der Hotel-
konsolidierung verbuchen konnten – um
die 20 000 Hotelzimmer wechselten den
Betreiber“, erläutert Alexander Trobitz,
Leiter der Hotelsparte bei BNP Paribas Re-
al Estate GmbH.
Den Touristen ist das recht, sie profitie-
ren von günstigen Übernachtungspreisen
und einer immer größeren Angebotsviel-
falt. Hotels setzen auf spektakuläre Erleb-
nisse, Marken mit hippem, coolem Image

brechen bewusst mit Traditionen, um die
Neugier von Gästen zu wecken. Übernach-
ten können trendbewusste Gäste inzwi-
schen in allen erdenkbaren „Locations“, ob
im Leuchtturm oder Hafenkran, in Iglus
und Zelten, auf Baumhäusern, in Biwaks
oder direkt unter dem Sternenhimmel.
„Das sind Nischenprodukte, aber auch auf
dem Gesamtmarkt schärfen sich die Profi-
le zusehends. Das Thema Segmentspeziali-
sierung wird immer wichtiger, ein Produkt
für alle wird es immer weniger geben“,
sagt Andreas Ewald, Geschäftsführender
Gesellschafter Engel & Völkers Hotel Con-
sulting.
So gibt es Hotels speziell für Familien
mit Kindern, für ältere Menschen oder für
jüngere. Die Standardkonzepte der interna-
tionalen Ketten spielten aber weiterhin ei-
ne große Rolle bei Privatleuten und Ge-
schäftskunden, die eine solide und preis-
werte Übernachtung ohne jegliches Chichi
wünschten. Diese Kunden wollten ein gu-
tes Bett, eine gute Dusche und gutes Wlan,
berichtet Ewald. Dagegen sei die Zimmer-
größe kein großes Thema mehr, vor allem
dann, wenn der Gast Platz auf gemein-
schaftlichen Flächen habe.
Mit ausgefallenen Konzepten und neu-
en Ideen soll auch die Konkurrenz durch
den Zimmervermittler Airbnb auf Abstand
gehalten werden. Nicht ohne Grund hat
der Hotel-Gigant Accor eine eigene Experi-
mentierwerkstatt errichtet, in der neue
Übernachtungsmodelle ausprobiert wer-
den. Ein Beispiel dafür ist Jo&Joe, Accors
neue preiswerte Lifestyle-Marke, die bald
auch nach Deutschland kommen soll. Hier
verbinden sich Hotel, Hostel und Privatver-
mietung. Neben privaten Zimmern gibt es
Gemeinschaftszimmer, in denen Gäste
auch in Hängematten, Zelten oder Wohn-

wagen nächtigen können. Dachterrasse
und Restaurant sind auch für Nachbarn
offen. Die Preise bei Jo& Joe sollen bei
25 Euro je Nacht starten.
Auch die 25hours-Gruppe, die nach
dem Einstieg von Accor international ex-
pandieren will, setzt auf ein kommunikati-
ves Konzept. In der Lobby wird gemein-
schaftlich gearbeitet, am Abend wird gefei-
ert. Jeder Schrank, jeder Sessel wird ein-
zeln eingekauft. Zu Beginn waren die Ho-
tels vor allem günstig, doch der Erfolg än-
dert das. „Wir sind schon nicht mehr Bud-
get“, sagt Florian Kollenz, Chief Develop-
ment Officer.
Eine ähnliche Zielgruppe, die einen de-
signorientierten Stil nebst moderner Tech-

nologie schätzt, haben Moxy und Aloft.
Marriott International treibt die Expansi-
on beider Marken kräftig voran. Dort gibt
es keine großen Schränke, aber einen gro-
ßen Fernseher, in „Tactic Meeting Rooms“
wird gemeinsam gearbeitet, im Fitnessstu-
dio trainiert, bei abendlichen Events lernt
man sich kennen.
Sind das alles nur Marketing-Gags? „Je-
de große Hotelkette hat derzeit mindes-
tens eine solche Marke im Portfolio“, sagt
Schmidtke. Als PR-Blabla könne man das
nicht mehr bezeichnen, denn die Konzepte
für die junge, kontaktfreudige Zielgruppe
funktionierten. „Die Frage ist, wie nachhal-
tig dieses Segment ist, dieselben Rezepte
können nicht bei allen Hotels, die derzeit
nach diesem Muster entstehen, funktionie-
ren.“ Der Erfolg der neuen Anbieter zeige,
dass in der Vergangenheit vieles in der Ho-
tellerie vernachlässigt worden sei. Das wer-
de jetzt nachgeholt.
Auch wenn der Gast heute experimen-
tierfreudiger und weniger markentreu ist,
werde das klassische Vier-Sterne-Hotel
mit guten Serviceangebot am Markt beste-
hen bleiben. „Nicht jeder hat nach einem
anstrengenden Messetag Lust, sich sein
Bier aus dem Automaten oder das Bügel-
brett aus einer Wäschekammer zu holen“,
sagt Schmidtke. Und nicht jeder habe Lust
auf Partystimmung am Abend.
Auch die Fünf-Sterne-Häuser, die einer
Stadt und ihren Gästen Glanz verliehen, be-
hielten ihre Daseinsberechtigung. Der Bay-
erische Hof in München, das Hamburger
Vier-Jahreszeiten, das Adlon in Berlin und
viele weitere stünden für Tradition, Stil
und Prestige – unverzichtbar für Stars und
Sternchen, Konzernchefs, arabische Fami-
lien und Menschen, die sich etwas Besonde-
res gönnten.

Bauträger, Investoren, Architekten,
Stadtplaner, Finanzierer, Makler, Woh-
nungsunternehmen, Politiker: Wer ir-
gendetwas mit Immobilien zu tun hat,
trifft sich im Herbst auf der Expo Real
in München. In diesem Jahr findet die
Messe vom 7. bis einschließlich 9. Okto-
ber statt. Seit Jahren ergeht es der Ver-
anstaltung wie der Immobilienwirt-
schaft: Sie wächst und wächst. Im ver-
gangenen Jahr kamen knapp 2100 Aus-
steller und mehr als 45 000 Teilneh-
mer. Wegen der stetig steigenden
Nachfrage findet die Messe in diesem
Jahr nicht in sechs, sondern in sieben
Hallen statt. Die Branche hofft, das
dies kein schlechtes Omen ist: In sie-
ben Hallen gab es die Expo Real bisher
nur im Jahr 2008 – dem Jahr, als die Fi-
nanzkrise ausbrach. REM

Es gibt inzwischen Angebote
für fast jeden – für Familien, für
Ältere, Jüngere, Einsame

DEFGH Nr. 230, Samstag/Sonntag, 5./6. Oktober 2019 SZ SPEZIAL


EXPO REAL


Künstlicher Empfang: Im Tokioter Hotel Henn-na wurden die Gäste versuchsweise von Robotern bedient, zum Beispiel von einem Dinosaurier. Doch das klappte nicht immer. FOTO: EPA/HUIS TEN BOSCH / DPA

Roboter dienen weniger


der Effizienzsteigerung, sondern


sind vor allem Touristenattraktion


Expo Real


Blick nachunten
Weil Flächen rar sind, wollen
LogistikfirmenStädte untertunneln 50

Hauptsache hip


Noch nie wurden so viele Hotels gebaut wie in diesem Jahr. Ob Hängematte oder Roboter: Investoren setzen immer häufiger


auch auf außergewöhnliche Konzepte – nicht alle kommen bei den Gästen auch an


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Treffen Sie uns auf der Expo Real in München vom 7.10. bis 09.10.
Gemeinschaftsstand Berlin-Brandenburg – Stand B2.420.
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