Süddeutsche Zeitung - 05.10.2019

(Ron) #1
von stefan weber

I


talienische Eiscafés in deutschen In-
nenstädten funktionierten in den
Siebziger- und Achtzigerjahren häu-
fig so: Sie öffneten mit den ersten
Sonnenstrahlen im Frühjahr und
sperrten ihre Türen für mehrere Monate
zu, wenn sich im Herbst die Blätter bunt
färbten. Bis zur Wiedereröffnung nutzten
andere Mieter die Ladenflächen, beson-
ders gern Kürschner, deren Geschäfte eher
in der kalten Jahreszeit laufen. Eis- und
Pelzverkäufer betrieben schon damals ein
Konzept, das im Handel derzeit besonders
angesagt ist: Pop-up-Stores, also Verkaufs-
flächen, die zeitlich begrenzt bespielt wer-
den.


Marketingfachleute sprechen von „tem-
porärer Kundeninspiration“, wenn sie
einen Laden für wenige Wochen oder Mo-
nate möglichst einzigartig gestalten, um
für maximale Aufmerksamkeit zu sorgen.
„Ein Pop-up-Store benötigt eine Geschich-
te. Er darf nicht wie ein herkömmliches Ge-
schäft daherkommen, und es muss immer
klar kommuniziert werden, dass seine Zeit
an diesem Ort begrenzt ist“, betont Chris-
toph Edler, Geschäftsführer der Kölner
Agentur Pop up my brand, die sich auf tem-
poräre Retaillösungen spezialisiert hat. Ed-
ler und sein Co-Geschäftsführer Tim Köh-
ler entwickeln Konzepte für Händler wie
Aldi und Modeanbieter wie Esprit, aber
auch für Automarken wie Lexus, die sich
und ihre Produkte für eine begrenzte Zeit
in ungewöhnlicher Form oder an einem
überraschenden Ort präsentieren möch-
ten. Die Stores wollen neugierig machen,
mitunter soll ihre kurze Präsenz auch den
Jagdinstinkt von Verbrauchern wecken.
Häufig geschieht das in den 1-a- oder 1-b-
Lagen großer Innenstädte, manchmal
aber auch bewusst abseits der üblichen
Kunden- und Verkehrsströme, etwa in Sze-
nevierteln am Stadtrand.
Johannes Hauswald ist Geschäftsführer
von Brick Spaces. Das in Düsseldorf behei-
matete Start-up, hinter dem mit Bitstone
Capital und AC+X Strategic Investments
zwei Immobilienunternehmen stehen, ver-
mittelt Ladenflächen für eine zeitlich be-
grenzte Nutzung. „Aktuell bieten wir etwa
1800 Flächen in Deutschland, Österreich,
der Schweiz und den Niederlanden an“,
sagt er. Überwiegend handelt es sich dabei
um B-Lagen in Großstädten. A-Lagen sei-
en für Zwischennutzungen nur selten ver-
fügbar, denn für diese Flächen interessier-
ten sich auch langfristig orientierte Nut-
zer. Und die sind Vermietern häufig lieber,
weil sie einen kontinuierlichen Liquiditäts-
zufluss versprechen. Doch Hauswald ist
überzeugt, dass Mietverträge mit üblichen
Laufzeiten von zehn und mehr Jahren ein
Auslaufmodell sind: „Es wird in Zukunft
mehr Verträge über ein oder zwei Jahren
geben. Die Nutzer wollen sich nicht mehr
so lange binden.“
Abseits der Top-Adressen stehen in na-
hezu allen Städten immer mehr Geschäfte
leer. Ladenbetreiber geben auf, weil Kun-
denfrequenz und Umsätze kontinuierlich
sinken. Manchmal werden Flächen auch
nur vorübergehend nicht genutzt – etwa,
wenn ein Nutzer bereits ausgezogen ist,
der Nachfolger aber erst einige Monate spä-
ter antritt oder die Immobilie in naher Zu-
kunft abgerissen wird. Dann geht es ledig-
lich darum, Zwischenlösungen zu finden.
Könnten Pop-up-Stores in solchen Fällen


Abhilfe schaffen? Sind sie möglicherweise
sogar ein Rezept gegen leer stehende Lä-
den? „Nein, zeitlich begrenzte Nutzungen
können allenfalls punktuell Lücken füllen.
Um die Innenstädte zu beleben, braucht es
viele Ideen und Initiativen. Pop-up-Stores
sind nur ein Baustein“, sagt Hauswald.
Auch Edler und Köhler erhalten zahlreiche
Hilferufe von Kommunen, in deren Ein-
kaufsstraßen immer mehr Verkaufsflä-
chen ungenutzt sind. Lösungen können sie
jedoch nur selten anbieten. „Unsere Kun-
den benötigen Reichweite. Die lässt sich
nicht an jedem Standort schaffen“, beto-
nen die Agentur-Geschäftsführer.
Hauswald ist überzeugt, dass Pop-up-
Stores nur in Städten mit mehr als 300000
Einwohnern funktionieren. Dort werden
seiner Meinung nach solche Verkaufskon-
zepte besser angenommen. „Ob ein Pop-
up-Store erfolgreich ist oder nicht, zeigt
sich nicht allein an den Umsätzen. Häufig
ist es den Betreibern sehr viel wichtiger,
Aufmerksamkeit für eine Marke zu schaf-
fen“, erläutert Hauswald. Zum Beispiel die
Autohersteller: Deren großflächige Ver-
kaufsräume finden sich aus Kostengrün-
den meist an den Rändern der Städte. Ein
Pop-up- Store in einer stark frequentier-
ten Fußgängerzone bietet ihnen dagegen
eine viel beachtete Bühne, um zum Bei-
spiel ein neues Fahrzeugmodell zu präsen-
tieren – und das bei überschaubarem fi-
nanziellen Aufwand.
Andere Betreiber mieten Läden für kur-
ze Zeit, um zu testen, ob neue Ideen auf der
Fläche funktionieren. Das gilt vor allem
für Online-Anbieter, die sich im stationä-
ren Handel ausprobieren und neue Kun-
den gewinnen wollen. Seltener dagegen sei-
en reine Abverkäufe, sagt Hauswald. „In
diesen Fällen geht es Unternehmen nur
darum, ihr Lager zu räumen. Für diesen
Zweck sollte eine Verkaufsfläche jedoch
mindestens für drei Monate angemietet
werden.“
Die Mieten für kurzzeitig angemietete
Verkaufsflächen sind häufig niedrig. Haus-
wald spricht von Abschlägen in Höhe von
20 bis 30 Prozent auf den bei langfristigen
Verträgen üblichen Preis. Allerdings:
„Wenn offensichtlich ist, dass ein Interes-
sent eine bestimmte Fläche unbedingt ha-
ben will, wird der Eigentümer keine Zuge-
ständnisse machen“, erläutert Köhler.

Handelsexperten betrachten die zuneh-
mende Verbreitung von Pop-up-Stores als
Konsequenz aus dem Wandel der Einkaufs-
gewohnheiten. Weil Verbraucher immer
mehr online bestellen, geht die Kundenfre-
quenz im stationären Handel zurück. An-
ders ausgedrückt: Die Flächenproduktivi-
tät sinkt, aber die Mieten sind häufig
unverändert hoch, und das können sich im-
mer weniger Ladenbetreiber leisten. Ande-
re Händler verkleinern ihre Verkaufsflä-
che, weil sich viele Dinge ins digitale Wa-
renregal verlagert haben. Die Folge: Die
Geschäfte werden dann immer häufiger zu
Showrooms, in denen die Verbraucher Pro-
dukte anschauen und ausprobieren kön-
nen, der Kauf erfolgt dann online. „Läden
werden zum Bindeglied zwischen online
und offline“, meint Köhler. All das führt da-
zu, dass mehr Verkaufsfläche frei wird, die
dann zur Spielwiese für Pop-up-Konzepte
wird.
Dabei bleibt es nicht bei Kurzzeitnutzun-
gen von nur einer Marke. Ein neuer Trend
sind Multistore-Konzepte, also Läden, die
für begrenzte Zeit ein Thema besetzen,

zum Beispiel „Familie“ oder „Sommer“,
und dazu jeweils passende Produktwelten
zusammenstellen. Auf dieser Welle wollen
auch Immobilienvermittler wie Brickspa-
ces und Konzept-Entwickler wie Pop up
my band schwimmen. So hat Brickspaces
im Sommer eine ehemals von einem gro-
ßen Modehändler genutzte mehrge-
schossige Immobilie in einer Top-Ein-
kaufsstraße von Düsseldorf angemietet
und testet dort unter dem Namen „Bla-
enk“ ein Mehrmarkenkonzept. Zum Auf-
takt mixten Hauswald und seine Mitarbei-
ter ein Sortiment, das den „Lifestyle der
Kunden im Sommer verbessern soll“. Ange-
boten wurden unter anderem hochwertige
Textilien, Sonnenbrillen, Trinkflaschen
Eismaschinen und Elektronikartikel. Geht
die Rechnung auf, will Brickspaces ein ähn-
liches Konzept in zwei oder drei weiteren
Großstädten umsetzen.
Ähnlich agieren auch Edler und Köhler
von Pop up my brand. Gemeinsam mit
dem Hamburger Immobilienentwickler
ECE haben sie vor Kurzem im Essener
Shopping Center am Limbecker Platz ihre
erste Themenwelt („It’s all about stories“)
eröffnet. „Alle zwei Monate machen wir zu-
sammen mit sechs bis acht Partnern Ange-
bote zu einem immer neuen Thema“, kün-
digt Edler an. Den Anfang machten „Gad-
gets“, also ungewöhnliche technische Gerä-
te und Hilfsmittel. Ab November heißt es
„Familytime“. „Wir benötigen lediglich die
Ware. Personal, Kassensysteme, Ladenein-
richtung stellen wir“, so Edler.
Ganz neu ist die Idee, alle paar Wochen
eine neue Themenwelt auszurufen nicht.
Dieses Konzept betreibt seit vielen Jahren
sehr erfolgreich bereits ein anderer Händ-
ler – Tchibo.

Was aussieht wie ganz normale Läden, sind in Wirklichkeit Pop-up-Stores: oben das Geschäft „Münchner Buchmacher“ im Rathaus, unten ein Telekom-Laden in Seoul
(links), „Die Höhle der Löwen“ in Köln (Mitte) und „Friends“ in New York. FOTOS: A. SCHELLNEGGER / AFP /POP-UP-MY-BRAND/REUTERS

Ist der Boom bald vorbei? Werden die Prei-
se für Immobilien sinken? Wird vielleicht
sogar eine Blase platzen? Diese Fragen be-
schäftigen auch in diesem Jahr vor der
Messe Expo Real wieder die Immobilien-
branche. Passiert ist in den vergangenen
Jahren: nichts. Keine Krise, keine Blase.
Auch in diesem Jahr ist die Nachfrage
nach Immobilien aller Art hoch, die Zinsen
sind niedrig, die Preise steigen.
Ob Privatanleger oder Versicherung: In-
vestoren kaufen moderne Bürohäuser, at-
traktive Hotels oder Logistikflächen. Bei
Wohnungen werden Käufer etwas vorsich-
tiger, denn die Preise sind bereits sehr
hoch. Außerdem versucht die Politik im-
mer häufiger, die extrem steigenden Mie-
ten (und damit die Einnahmen der Investo-
ren) mit regulatorischen Maßnahmen wie
Mietpreisbremse oder Mietendeckeln ein-
zudämmen. Auch beim Einzelhandel, der
sich immer heftiger gegen die Konkurrenz
aus dem Internet wehren muss, schauen
die Käufer genauer hin. Insgesamt aber
läuft es mal wieder prächtig für die Bran-


che: Laut dem Immobiliendienstleister
JLL haben Investoren in Deutschland 57,3
Milliarden Euro für Immobilien ausgege-
ben, etwa so viel wie im Jahr zuvor. „Der
deutsche Investmentmarkt präsentiert
sich damit insgesamt nach wie vor
äußerst dynamisch“, sagt Timo Tschamm-
ler, Deutschland-Chef von JLL.
Ein wesentlicher Grund dafür sind die
niedrigen Zinsen. „Eine Änderung der
Nullzinspolitik ist nicht zu erwarten“, sagt
Francesco Fedele, CEO des Finanzierungs-
spezialisten BF.direkt AG, „daran wird
auch der Übergang der EZB-Präsident-
schaft auf Christine Lagarde nichts än-
dern.“ Weil die Zinsen niedrig sind, werfen
andere Anlagen wie Staatsanleihen kaum
Renditen ab. Das treibt die Nachfrage
nach Immobilien. „Dennoch machen sich
in der Immobilienbranche Bedenken
breit, ob das Preisniveau stabil bleiben
wird“, sagt Fedele. Denn: Anders als in den
vergangenen Jahren scheint eine deutli-
che konjunkturelle Abkühlung möglich zu
sein. „Besondere Sorge bereiten die Entlas-

sungen und Gewinnwarnungen bei deut-
schen Konzernen“, sagt Fedele.
Bisher macht sich dies auf den Büro-
märkten allerdings noch kaum bemerk-
bar. Ähnlich wie bei Wohnungen wird das
Angebot immer knapper, die Mieten stei-
gen. Viele Unternehmen haben Probleme,
passende Flächen zu finden. Laut Colliers
International ist der Büroleerstand in den
sieben größten Städten erstmals auf unter
drei Prozent gefallen. Deutlich bergauf
geht es seit Jahren dagegen mit den Büro-
mieten. Sie kletterten in Berlin zur Jahres-
hälfte im Vergleich zum Vorjahr um 16 Pro-
zent auf gut 24 Euro pro Quadratmeter.
Viele Projektentwickler bauen daher auch
wieder lieber Büros statt Wohnungen.
andreas remien

Von Krise keine Spur


Ob Büro, Hotel oder Lagerhalle: Gewerbeimmobilien bleiben begehrt


Die Stores sollen neugierig


machen und den Jagdinstinkt


von Verbrauchern wecken


Alle zwei Monate gibt es
Angebote zu einem neuen Thema,
zum Beispiel „Familienwelt“

Expo Real
Verantwortlich: Peter Fahrenholz
Redaktion: Marianne Körber, Andreas Remien
Anzeigen: Jürgen Maukner

DEFGH Nr. 230, Samstag/Sonntag, 5./6. Oktober 2019 SZ SPEZIAL – EXPO REAL 49


Heute da,


morgen weg


Läden auf Zeit bieten Händlern


eine Plattform, um neue


Marken und Konzepte auszuprobieren.


Oder um schnell mal


Ladenhüter loszuwerden


Bürogebäude
Warschau

Warsaw Spire

Geschäftshaus
Frankfurt

Upper Zeil
Gemischt genutzte
Immobilien
Frankfurt

Junghof Plaza
Büro-Development
Berlin

EDGE Südkreuz
Gemischt genutzte
Immobilien
New York

61 Ninth Avenue
Bürogebäude
Paris

Q 19 Balthazar
Einkaufszentrum
Wien

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