Auf dieser Seite
zeigen wirjede
Woche neue,
unbekannte oder
verschollene
Werke von Künst-
lern, Autoren,
Architekten,
Komponisten,
Regisseuren und
Designern. Sie
sprechen für sich
selbst, wir erzählen
die Geschichte
ihrer Entstehung.
Die Bildhauerin Judith Hopf bereitet
Plastikmüll auf und macht Deko daraus. Ihre
Palmen bilden die Kulisse für Models
Wo die Mode zum Defilee aufmarschiert, inszenie-
renDesigner immer häufiger den großen Traum: Lu-
xusliner, schottische Schlösser, Dampflokomotiven
- die Ära Youtube verlangt nicht nach einem Lauf-
steg, sondern nach Kulissen für Trailer, die mit der
Vision auch Sonnenbrillen und Parfum verkaufen.
Zur Illusionsmaschine taugt diese Installation
allerdings nicht: Hell und leicht strecken sich die Pal-
men vom Boden bis zur Decke, luftig und bunt ge-
mustert wirkt es, als habe man die Stämme in das
Foto collagiert; fremd und eigen. Die industriell
anmutende Halle hat sich der Designer Francesco
Risso für das Label Marni gesichert. Und auch seine
Show soll mehr sein als nur Laufsteg. Er nennt sie
„Act 2“, den zweiten Akt einer Aufführung, die mit
der Sommerkollektion begann. Damals hängte er
Plastikmüll über den Laufsteg und beleuchtete ihn
so, dass er magisch – und bizarr schön – strahlte. Es
war jetzt an der Künstlerin Judith Hopf den Müll
noch einmal aufzubereiten. Und die Palmen, die sie
entworfen hat, sind weniger Kulisse denn Requisit:
Die Choreografie sieht vor, dass die Models unter
ihnen posieren.
Die Mode-Industrie schätzt solche Kollaboratio-
nen mit der Kunst – wobei es einen gewaltigen Un-
terschied macht, ob Stars wie Jeff Koons ein paar
Handtaschen bedruckt oder Raymond Pettibon den
Schriftzug von Dior wie nebenbei neu auf die Anzei-
genseiten setzt. Im ersten Fall geht es um funkelnde
Veredelung, im zweiten um die längerfristige Arbeit
am Image. Die Berliner Bildhauerin Judith Hopf, die
unter anderem bei der Documenta 13 mit einer ge-
waltigen Installation aus Gläsern zu sehen war, hat
sich der Aufgabe nicht ohne Humor gestellt. Wenn
man sie fragt, ob das jetzt Kunst ist oder nach dem
Catwalk weg kann, sagt sie, der in Palmen verwan-
delte Plastikmüll werde durchaus aufbewahrt wer-
den. Ein Satz, in dem mehr als ein Traum anklingt –
eine kleine Utopie. catrin lorch
22 FEUILLETON GROSSFORMAT Samstag/Sonntag, 21./22.September 2019, Nr. 219 DEFGH
FOTO: ALESSANDRO MESSINA / MARNI GROUP; VG BILDKUNST BONN, 2019