Fotos: Julia Sellmann
Janne ist nervös. Seit sie denken
kann, hatsie lange Haare, bis über
die Schultern und weit in den Rü-
cken hinein. Jetzt sitzt sie auf einem
Friseurstuhl und soll einen kurzen
Bob bekommen. Janne, neun Jahre
alt, macht das nicht einfach so aus ei-
ner Laune heraus. Sie lässt nicht ein-
fach nur so 30 Zentimeter von ihren
braunen Haaren abschneiden. Sie
will ihre Haare spenden und damit
einem kranken Kind helfen.
Zwei Stühle weiter legt Dina ihren
Kopf ins Haarwaschbecken. Sie
kannte Janne bisher nicht. Die bei-
den haben sich aus Neugier zu die-
sem gemeinsamen Friseurtermin
verabredet. Gerade massiert die Fri-
seurin Dina eine pflegende Kurpa-
ckung ein. Sie soll die Haare wieder
glatt und glänzend machen wie am
ersten Tag. Geschnitten werden
müssen sie nicht. Denn Dinas Haare
sind zwar echt, aber nicht ihre eige-
nen: Sie trägt schon
lange eine Perücke.
Dina machte mit
ihren Eltern und ih-
ren drei Schwes-
tern gerade Som-
merurlaub in Hol-
land, als es losging. „Ich kämmte sie,
und plötzlich war da eine kahle Stel-
le vorne an der Stirn“, erzählt ihre
Mutter und formt mit den Fingern
ein kirschgroßes Loch. Sie war ver-
zweifelt, doch Dina, damals Zweit-
klässlerin, tröstete sie. „Mama, wein
doch nicht, es sind ja nur Haare“, sag-
te sie jedes Mal, wenn wieder eine ih-
rer blonden Strähnen zu Boden fiel.
Innerhalb von einem Monat war Di-
na ganz kahl.
Zuerst bekam sie eine Perücke
aus Plastikhaaren. „Die war richtig
schlimm“, sagt Dina. Denn solchen
künstlichen Perücken sieht man
schon von Weitem an, dass sie aus
Plastik sind. Später hat sie eine aus
echten Haaren geschenkt bekom-
men. Normalerweise kostet so eine
Perücke 3000 Euro und mehr. Sie
sind so teuer, weil sehr viel Arbeit
drinsteckt. Etwa 200 Stunden
braucht ein Perückenmacher, um
Tausende Haare einzeln auf das fei-
ne Netz zu knüpfen. Das ist mehr als
ein Monat Arbeit.
Die Haare dafür müssen mindes-
tens 30 Zentimeter lang sein. Jannes
waren 31. Die Friseurin hat mit dem
Maßband nachgemessen und sie di-
rekt über dem Zopfgummi abge-
schnitten, damit kein Stückchen ver-
loren geht. Sie ist zufrieden: „Du
hast ganz tolle, ge-
sunde Haare.“
Bevor die Haare
zum Perückenma-
cher kommen, müs-
sen sie gut durch-
trocknen. Sonst
könnten sie im Briefumschlag ver-
schimmeln und die Spende wäre um-
sonst. Deswegen lässt die Friseurin
den Zopf noch ein paar Wochen an
der Luft liegen. Erst dann steckt sie
ihn in ein Kuvert und schickt ihn mit
der Post zum Verein „Haarspender“
nach Wien.
Zusammen mit bis zu vier ande-
ren Zöpfen werden Jannes Haare
dann zu einer Perücke geknüpft. Die
bekommt ein Kind, das nur noch we-
nige Haare hat oder wie Dina sogar
ganz kahl ist.
An ein Leben ohne eigene Haare
hat Dina sich längst gewöhnt. „Eine
Zeit lang haben mich Kinder aus ei-
ner anderen Stufe geärgert“, sagt
sie. „Da hat mein Lehrer mit ihnen
gesprochen.“ Dina selbst ist nur sel-
ten traurig darüber. Sie mag sich
auch mit Perücke. Zu Hause trägt sie
auch Glatze oder einfach nur eine ih-
rer vielen Mützen. Die Friseurin
setzt ein Glätteisen an, zieht eine
dünne Strähne nach der anderen ge-
rade. Währenddessen werden Jan-
nes gekürzte Haare zu einem Bob ge-
schnitten. Im Friseursalon kommt
heraus, dass sie beide gern turnen.
So wie Janne kann auch Dina einen
Spagat bis ganz zum Boden. Und
auch sonst tut Dina mit ihrer Perü-
cke alles, was andere Mädchen in ih-
rem Alter gerne machen: Mit ihrer
besten Schulfreundin spielt sie in
der Pause Fangen. Im Jugendzen-
trum nimmt sie mit ihrer kleinen
Schwester lustige Tanzvideos auf.
Und sie sitzt oft lange vor dem Spie-
gel und flicht sich komplizierte Zöp-
fe. Weil sie ihre Perücke über Nacht
abnimmt, halten sie bei Dina länger.
Die Frisuren der beiden Mädchen
sind jetzt fertig, sie prüfen sie noch
einmal im Spiegel und rutschen zu-
frieden von den Drehsesseln. Janne
wird sich umstellen: Der schnelle
Pferdeschwanz, den sie bisher mor-
gens machte, geht nicht mehr. Den
Bob müsse sie schon föhnen, rät die
Friseurin, damit er wirklich gut aus-
sieht. Dafür hat er andere Vorteile.
Janne wuschelt durch ihre neue Fri-
sur: „Das fühlt sich auf einmal ganz
leicht an.“ rebecca sandbichler
Meine Haare,
deine Haare
Dina bekam durch eine
Krankheit einen kahlen Kopf.
Damit Kinder wie sie eine
schöne Perücke bekommen,
spenden manche Mädchen
und Jungen ihre Haare –
so wie Janne
Spielen
Bei uns fängt es gerade erst an mit den Kastani-
en. Man muss also ganz schön suchen. Aber
wer drei Stück hat, kann spielen. Sie in der
Hand kreisen lassen, ohne dass eine runter-
fällt, oder jonglieren. Sind es nur zwei, kann
man sich die in die Augenhöhlen klemmen
oder aufeinandertürmen. Da sind tatsächlich
zwei schon sauschwer.
Wetten
Man kann mit Kastanien super wetten. Wenn
sie noch nicht ausgepackt sind, etwa: Wie viele
stecken in dieser Stachelschale? Wenn man ei-
ne ganze Menge zusammen hat: Wie viele
kann man in einer Hand halten? Mein Rekord
liegt bei neun, aber mein Papa schafft 14.
Schreiben
Ich lerne in der Schule gerade die Buchstaben.
Es ist lustig, mit Kastanien Buchstaben zu le-
gen. Für ein A zum Beispiel brauche ich acht
Stück. Hat man mehr, kann man mehrere Buch-
staben hintereinander schreiben. Vielleicht so-
gar ganze Wörter? Oder man legt Bilder – und
lässt den anderen raten, was es sein soll.
Streicheln
Ich stecke eine Kastanie gern in die Hosenta-
sche. Die sind so schön glatt. Manchmal ver-
gesse ich sie zwischendurch und irgendwann
stecke ich dann meine Hand in die Hosenta-
sche: Zack, da ist sie wieder: unglaublich glatt,
jede mit einer anderen Beule.
protokoll: georg cadeggianini
Ein letzter Blick:
Für eine Haarspende
muss man mindestens
30 Zentimeter
abschneiden lassen.
Janne hat 31
gespendet.
Einmal lang, einmal kurz: Dina und Janne nach dem Friseurtermin.
„Das fühlt sich auf einmal ganz leicht an“, meint Janne.
Mit Kastanien spielen
Am Sonntag beginnt der Herbst: Kastaniensaison.
Natürlich kann man Figuren basteln. Und sonst?
2014 entwickelten Forscher das Material „Vantablack“, das lange als das schwärzeste Schwarz der Welt
galt –bis jetzt: Durch Zufall haben Forscher ein Material entdeckt, das noch mehr Licht schluckt.
Ein Perückenmacher
knüpft Tausende Haare
einzeln auf ein feines Netz
In New York kann man gerade einen Diama-
nenten bestaunen: 16,78 Karat, zwei Millionen
Dollar wert, unsichtbar. Na ja, fast: Der fun-
kelnde und glitzernde Stein wie man ihn hier
oben sieht, wurde mit einem Material be-
schichtet, das Licht schluckt. Es gilt als das
schwärzeste Schwarz der Welt und wurde vor
Kurzem von amerikanischen Forschern ent-
deckt. Das Superschwarz besteht aus klitze-
kleinen Kohlenstoff-Röhrchen, die wie ein Mi-
ni-Wald ein undurchdringliches Geflecht bil-
den. Das Licht verfängt sich darin, fast nichts
dringt durch das dichte Gestrüpp. Deshalb
sieht alles, was mit dem Material umhüllt ist,
wie eine tiefschwarze Fläche aus. Alle Ecken,
Kanten, Hubbel, Formen und Unebenheiten
verschwinden. Ein bisschen wie bei einem
Tarnumhang. Nur, dass der bedeckte Gegen-
stand nicht durchsichtig wird wie bei Harry
Potter, sondern schwarz. Unsere Augen brau-
chen Lichtspiegelungen, um Konturen zu se-
hen. Fallen sie weg, weil das Licht geschluckt
statt gespiegelt wird, erscheint alles wie ein
schwarzes Loch. Für Künstler zum Beispiel ist
das interessant. Sie verhüllen damit Gebäude,
Skulpturen oder Autos. Für Astrophysiker, die
damit das Innere ihrer Teleskope beschichten,
um einen ungetrübten Blick ins All zu haben.
Oder für das Militär, das damit Fahrzeuge
oder Waffen tarnen kann. Für die heimischen
Wände allerdings wird es das Schwarz leider
nicht geben. Das künstlich hergestellte Materi-
al ist extrem teuer und muss aufwendig herge-
stellt werden. nhm
Kindertipp
Bis zu fünf verschiedene Haarspenden werden zu einer Perücke
verarbeitet. Davor müssen sie aber erstmal ein paar Wochen trocknen.
Aktuell Superschwarz
Forscher haben ein
Material entdeckt,
das99,995 Prozent
des Lichts schluckt.
Das Superschwarz
kann fast alles
verschwinden lassen
Damit die Perücke wieder schön glänzt und man die Haare leichter
kämmenkann, bekommt Dina beim Friseur eine Spezialkur.
Zu Hause parkt Dina ihre Perücke gern auf einem Styroporkopf in
ihrem Zimmer und läuft mit Glatze oder Mütze rum.
Foto: privat
Foto: Surrey Nanosystems
von Ada, 6