194 Kapitel 11 | Akt & Erotik
Das Aktporträt
Zunächst einmal wirft das Aktporträt einige Fragen auf: Was verstehen
wir eigentlich unter einem Aktporträt und was unterscheidet das Aktpor-
trät von einem Teilakt? Oder warum scheint es dem Fotografen
(oder dem Modell) wichtig zu sein, den Körper teilweise nackt
abzubilden?
An diesen Fragen scheiden sich nach wie vor die Geister. Die
Ansichten sind so mannigfaltig wie die Anzahl der Fotografen,
die sich mit diesem Genre beschäftigen. Also kann hier die Erklä-
rung nur eine subjektive sein:
Der Unterschied zwischen dem Aktporträt und dem Teilakt
oder Akt liegt in der Fokussierung, wobei ich hier sowohl von
dem tatsächlichen Fokus der Kamera wie auch von dem Fokus
des Betrachters spreche. Während beim Ganzkörperakt alle
Teile des Körpers arrangiert, ausgeleuchtet und in Pose gebracht
werden, konzentriert sich das Aktporträt auf das Gesicht des
Modells. Hier liegt die Schärfe, also der Fokus. Die unbedeckte
Brust oder Schulter oder der in der Unschärfe verschwimmende
nackte Körper ist nur schmückendes Beiwerk.
Die Intentionen des Fotografen, sich für das Aktporträt zu ent-
scheiden, sind ganz unterschiedlicher Natur. Eine Absicht kann
es sein, den Charakter und die Persönlichkeit des Modells durch
das Foto herauszuarbeiten und durch die Nacktheit zu unter-
streichen. Dies kann auf ganz verschiedene Arten geschehen:
durch die Mimik und die Gestik, die Pose, den Blick, der sich
von der Kamera scheu abwendet oder direkten Blickkontakt
zum Betrachter herstellt oder auch mit Accessoires, die das Sujet
unterstützen.
Hier können Sie Schmuck, Dessous, Tücher oder Handschuhe
verwenden. Auch hier trägt, wie bei allen anderen Porträts, das
Make-up oder auch der gänzliche Verzicht auf Schminke dazu
bei, Facetten und Nuancen des Charakters zu unterstreichen. So
können Sie zum Beispiel Wildheit, Scheu oder Ruhe und Gelas-
senheit darstellen. Eine andere Motivation zum Aktporträtieren
ist es, ein Bild zu gestalten, das Sie als Fotograf längst fertig
im Kopf mit sich herumtragen und nun mit einem geeigneten
Modell umsetzen möchten.
Hier tritt die Persönlichkeit des Modells komplett in den Hintergrund
und es schlüpft in die von Ihnen erdachte Rolle. Dazu müssen Sie das
Bei diesem Aktporträt sind die Grenzen zum erotischen
Foto fließend: Es versteckt mehr, als es zeigt. Dennoch
unterstützt die Nacktheit die Mimik. Kamera: Nikon D200
mit 80-200 mm f/2.8er Objektiv – Belichtung 1/160 Sek. bei
f/2.8 – Brennweite 300 mm – ISO 100.
Foto: Carina Meyer-Broicher