Weg durch den Innenhof klingt der mörderische Verkehr des ersten Montags
nach den Sommerferien – »Die Mutter aller Montage«, nennt Lavinia ihn
treffend – wie das Schnurren einer Katze.
Ilaria fragt sich das häufig. In der U-Bahn, bei Elterngesprächen, in einer
Bar sitzend. Diese Mutter des etwas schüchternen, aber fleißigen Jungen hat
die Lippen aufgespritzt, ist solariumsgebräunt, ihr Mann besitzt eine kleine
Baufirma. Wie ist es wohl, die Welt durch diese grünen, vom gleichfarbigen
Glitterlidschatten überwölbten Augen zu sehen, in diesen goldfarbenen
Sandalen herumzulaufen? Oder jener Vater, der immer zu spät kommt, die
Fingernägel ölverschmiert, der schon entschieden hat, dass seine Tochter
einmal Rechnungswesen lernen wird, um die Buchhaltung in der Werkstatt
zu übernehmen. Wie ist es, mit diesen Händen zu gestikulieren, diese Zähne
im Mund zu haben, den ganzen Tag in den Ausdünstungen von Benzin und
vulkanisiertem Gummi zu stehen?
Nur eines ist Ilaria klar: Sie wird es niemals wissen. Und das ist auch in
Ordnung so. Diese Schlacht kämpft sie häufig und hart mit Kollegen, die
behaupten, genau zu wissen, wer die Jugendlichen »sind«, die sie vor sich
haben. Die mit urteilenden Adjektiven nicht ihre Leistung oder ihr Verhalten
beschreiben, sondern ihre Person. Manchmal streitet Ilaria mit diesen
Lehrern. Andere Male fordert sie sie geduldig auf, mehr Respekt und weniger
Allmacht walten zu lassen, was nicht heißt, eine gewisse Gelassenheit
aufzugeben. Oder sie lässt es einfach laufen, um nicht alles noch schlimmer
zu machen. Doch immer wieder versucht sie sich zu vergegenwärtigen, dass
sie diese jungen Menschen, die sie jeden Vormittag anschauen, nicht kennen
kann. Und dass ihre Aufgabe als Erzieherin nicht darin besteht, sie zu
definieren, sondern mit ihnen in Beziehung zu treten.
»Warum hast du keine Kinder?«, wird sie manchmal von ihnen gefragt.
»Fühlst du dich nicht einsam ohne Ehemann?« Früher antwortete sie, nein
danke, sie hat seit bald einem Vierteljahrhundert täglich fast dreißig Quasi-
Kinder vor sich sitzen, da ist sie sehr froh, ihre restliche Zeit entweder allein
oder mit anderen Erwachsenen verbringen zu können, mit denen sie
interessante Unterhaltungen führt (den Satz »weißt du, ich vögele
wahrscheinlich häufiger und ganz sicher besser als du« hat sie ihnen immer
erspart, obwohl die Versuchung manchmal groß war). Sie hat gelernt, dass
diese Fragen nichts über sie aussagen, sondern vielmehr über die Angst derer,
die sie stellen: vor der Einsamkeit, dem Alter, dass das eigene Leben
jeff_l
(Jeff_L)
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