plötzlich sinnlos erscheint. Dennoch ist sie manchmal genervt davon, und
dann brennt ihr die Erwiderung auf der Zunge: »Du und ich, wir wissen einen
viel beschworenen Dreck voneinander.«
Ilaria streckt sich. Das Laken ist feucht von ihrem Schweiß.
Rührte vielleicht daher Attilio Profetis Bedürfnis – schon als junger
Mann, wie sie gerade entdeckt hat –, die anderen zu kategorisieren: in Weiße,
Schwarze, Graue, Adlige, Proletarier? War dies vielleicht ein Trick von ihm,
sich vor der Verwirrung zu schützen, in die ihn das unbekannte Leben um ihn
herum stürzte? Eine vielleicht primitive, aber wirkungsvolle Methode –
gemessen an ihrer Verbreitung unter den Menschen? Ihr fällt ein Satz ein,
den sie mal in einem Roman gelesen hat: Definitionen definieren denjenigen,
der definiert, nicht den, der definiert wird.
Das Paradoxe ist, dass ihr Vater zu den wenigen Personen gehört – neben
Lavinia, Piero und ihrem Bruder Attilio –, die sie nie gebeten haben, anders
zu sein, als sie ist. Er hat sie nie gefragt, warum sie nicht geheiratet und
Kinder bekommen hat. Für Ilaria ist das der beste Beweis, dass ihr Vater
Attilio Profeti sie wirklich geliebt hat.
Ein Klingeln lässt sie hochfahren, sie sucht ihr Handy. Es ist vom
Nachttisch auf den Boden gefallen.
»Hallo, Mamma«, sagt sie und steht auf.
»Bist du das, mein Schatz?«
»Nein, ich bin eine Fremde, die gerade Ihre Tochter umgebracht hat, um
ihr das Handy zu klauen.« Sie sieht auf die Uhr: halb acht. Marella ist
eigentlich keine Frühaufsteherin. »Was gibt es denn so früh am Morgen?«
»Ich habe etwas gefunden, das dich interessieren könnte. Komm her,
dann gebe ich es dir.«
»Was denn?«
»Das sage ich dir, wenn du es abholst. Komm, lass mich doch auch mal
ein kleines Geheimnis haben ... Aber beeil dich, ich muss nachher los und
bin dann den ganzen Tag unterwegs.«
»Wo willst du denn hin bei der Hitze?«
»Aufs Land zu Emilio.«
»Aber der ist doch gar nicht in Rom.«
»Eben. Dann kann ich ein paar Albernheiten mit meinen Enkeln machen,
ohne gescholten zu werden.«
Eines steht fest: Marella war eine mittelmäßige Mutter, weil sie viel zu
jeff_l
(Jeff_L)
#1