Befriedigung listeten sie die Botschaftsgebäude der bösen Sanktionierer auf –
vor allem der Engländer –, die der Negus auf seiner feigen Flucht verlassen
hatte. Erst nach drei Tagen marschierten die Italiener weiter auf die
Hauptstadt zu, wo sie nun damit rechneten, dankbar empfangen zu werden.
Die neue Blume/ist noch nicht erblüht!, sangen die Askaris auf ihrem Weg
durch die brennenden Hütten, die am Wegesrand weggeworfenen Leichen,
die Trümmerberge – und die talian fielen gerne mit ein: A-ddi-sa-beba/A-
bebaul-gena!
ERHEBET DIE BANNER, LEGIONÄRE, BEGRÜSST MIT SCHWERT
UND HERZ NACH FÜNFZEHNHUNDERT JAHREN DAS
WIEDERAUFERSTANDENE IMPERIUM ÜBER DEN HEILIGEN
HÜGELN ROMS. Mussolinis Worte wurden in fetten Lettern in allen
italienischen Zeitungen abgedruckt: Il Mattino, Il Popolo d’Italia, Il Resto del
Carlino. Gleich daneben auf derselben Seite die allgegenwärtige Werbung für
Mittel gegen Verstopfung – vielleicht die physiologische Reaktion auf den
exzessiven Verbrauch von Rizinusöl im ersten Jahrzehnt des Faschismus. Der
aber nun, in diesen Maitagen des Jahres 1936, schlagartig zurückging:
Nachdem das Imperium ausgerufen war, fragte Mussolini das Volk unter
seinem Balkon, ob es sich ihm als würdig erweisen wolle, und das tosende
»Ja!« der Piazza Venezia ließ die Mauern im ganzen italienischen Stiefel
erbeben. Nie war der Duce so beliebt gewesen.
Im selben Moment, als die jubelnde Menschenmenge in Rom Benito
Mussolini zum zweiundvierzigsten Mal auf den Balkon zurückrief, lag der
einstige Held von Neghelli, Rodolfo Graziani, auf dem Grund eines Schachts.
Im Mund schmeckte er Erde, und er konnte die Finger seiner rechten Hand
nicht bewegen. Alle Knochen taten ihm weh, sein Gesicht aufgeschürft, im
Herzen eine grausige Angst. Er begriff nicht, wie er in dieses schwarze Loch
gekommen war. Wie tief war es? Um ihn herum nur Fels und ein klein wenig
Licht von ganz oben. »Ich werde hier sterben, und meine Feinde werden
mich auslachen.«
Es waren viele, die seinen Tod wünschten, das wusste er. Verräter und
Neider, all jene, die ihn für seine Erfolge hassten. Es wurde herumerzählt,
dass Marschall Rodolfo Graziani in der Kyrenaika entmannt worden sei, dass
seine Frau ihn betrogen habe, dass seine Tochter von Beduinen missbraucht
und getötet worden sei, mehr noch, dass sie gar nicht seine Tochter sei.