Alle ausser mir

(Jeff_L) #1

Deshalb hatte er die beiden bei der Parade, mit der er in Dire Dawa
einmarschiert war, neben sich herlaufen lassen, die Tochter, deren Augen auf
diesen Riesen von Vater gerichtet waren, und seine Frau, die der Welt
unmissverständlich zeigte, wie falsch die Gerüchte waren. Doch es reichte
nicht. Niemals reichte es. Der Feind war überall, und jener mit dem
Maschinengewehr in der Hand war bei weitem nicht der gefährlichste. Der
Zorn darüber, dass ein anderer im Triumphzug in Addis Abeba eingezogen
war, traf ihn wie ein Fausthieb in den Magen. Er spuckte einen Erdklumpen
aus, der nach Eisen schmeckte, und versuchte verzweifelt, auf die Beine zu
kommen. An ihm wäre es gewesen, das ungewisse Schicksal des
Abessinienfeldzugs zu wenden, während der Dummkopf Badoglio an der
Nordfront gescheitert wäre. Schließlich hatte er in Neghelli glorreich gesiegt.
Doch von seinen Schlachten auf schwierigem Terrain berichtete Badoglio
dem Duce immer wie von einer Partie Dame, die von Weibern gewonnen
wurde, schmälerte oder verschwieg ihren militärischen Wert. Selbst den
Einmarsch in Harar hätte er ihm geraubt, wenn der Duce es nicht verhindert
hätte.
Und jetzt das. Wo war er nur? Graziani sah hoch; über seinem Kopf
türmten sich fast vier Meter Erdreich, und darüber erkannte er in der runden
Lichtöffnung Gesichter, die sich erschrocken über den Schacht beugten.
Dieselben großen Augen wie die der blöden Engel an ihren Kirchendecken.
Nun fiel es ihm wieder ein – der Besuch einer koptischen Kirche in Jijiga.
Er war einige Schritte in den Raum hineingegangen, und unter ihm hatte sich
der Boden aufgetan. Ein Hinterhalt der feigesten Art. Priester! Miesester
Auswuchs der ohnehin verkommenen abessinischen Rasse. Zornig erinnerte
er sich an den alten Mönch, den er hatte hinrichten lassen: Lief einfach herum
und verkündete überall, die Italiener würden fünf Jahre bleiben und keinen
Tag mehr. Wenn es nach ihnen ginge, das wusste er, säße er in diesem Loch,
bis die Würmer ihn bei lebendigem Leibe gefressen hatten.
Der General erhob sich zu seiner vollen Länge von fast zwei Metern und
begann zu schreien. Ein Schrei, in dem mehr Hass lag als die Bitte um Hilfe.
Doch die Abune und die jungen Seminaristen ließen ihn nicht dort unten.
Sie warfen ihm ein Seil hinab und zogen dann mit pulsierenden Adern an den
dunklen Schläfen und unter vielen Entschuldigungen das Ungetüm von Mann
herauf. Der Sturzregen habe das Erdreich unterspült, sagten sie, deshalb sei
es abgerutscht. Es geschah immer wieder, dass sich in dem Boden aus

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