endlosen Mühen zu unterbrechen: Wasser schleppen, kochen, waschen,
kranke Kinder pflegen, teff dreschen. Die Askaris unter Attilios Kommando
trieben sie zusammen, und sie ließen sich willig in kleinen Gruppen
wegführen, die weißen Tücher wehten in der trockenen Luft, das Bündel mit
den Gebeten baumelte an einer Lederschnur um ihren Hals. Oft trugen sie
einen am Brunnen gefüllten Wasserschlauch auf dem Rücken, oder ein
Neugeborenes, oder beides übereinander. Niemals aber hörten sie nur einen
Moment auf zu schwatzen, im Schlepptau stets einen Schwarm Kinder.
Immer gab es eine unter ihnen, die etwas kecker war als die anderen und zu
Attilio trat, um ihm mit dem Finger über den weißen Unterarm zu fahren und
kichernd wegzulaufen. Er ließ sie. So konnte er ihnen gut ins Gesicht sehen
und in aller Ruhe die »repräsentativen Typen« aussuchen. Dann verjagte er
die Ziegen mit ihren lustigen Hängeohren, die ihnen wie Frisuren neben dem
Gesicht pendelten, aus dem Schatten der Sykomore und ließ sie dort warten.
Bertoldi setzte das erste Subjekt auf eine umgedrehte Holzkiste, und Cipriani
begann seine Vermessung mit einem größeren Publikum, als jede fahrende
Schauspieltruppe es gehabt hätte.
In den ersten Tagen der Unternehmung benutzten nur der Anthropologe
und sein Assistent die anthropometrischen Instrumente. Doch Attilio
langweilte sich zu Tode. Seine Askaris hatten ihre Gewehre wie verzogene
Teenager auf den Boden geworfen und verbrachten die Tage, indem sie
Kaffee tranken und sich leise auf Tigrinisch unterhielten. Bald schon ergab
sich die Gelegenheit, bei den Vermessungen zu helfen.
Er lernte den Stangenzirkel nach Martin für die Längen und Breiten
anzulegen: Nase, Ohren, besondere Maße wie der Abstand zwischen Nasion
und Subnasale. Und auch den Tasterzirkel mit den gebogenen Armen und
den kugeligen Enden, die Cipriani »Oliven« nannte. »Der mit den Spitzen
ergibt exaktere Ergebnisse«, erklärte der Anthropologe leicht verächtlich.
»Aber das Studium am lebenden Objekt hat seine Grenzen. Wenn man es
piekst, bewegt es sich, und die ganze Messung muss erneut beginnen.«
Er brachte Attilio bei, wie man Bregma, Lambda und sogar den
ausweichenden Eurion findet, die beidseitigen Punkte der größten
Schädelbreite.
»Die ersten zwei Punkte sind physiologischer Natur, aber Eurion ist ein
idealer, geometrischer Punkt; deshalb ist er wesentlich schwerer zu
lokalisieren.«
jeff_l
(Jeff_L)
#1