In den Tagen danach hatte Viola immer wieder sorgenvoll die Zeitung
durchgeblättert, um zu erfahren, ob Attilio in Gefahr schwebte. Doch seit
dem Tag des Attentats wurde Abessinien nicht mehr erwähnt, weder im Resto
del Carlino noch in den Radionachrichten. Die Titelseiten berichteten nun
von der Schlacht um Malaga und der Belagerung Madrids. Als endlich nach
drei Tagen wieder eine Nachricht aus Afrika auftauchte, bestand sie aus
einem Bild. Zwei weiße Männer mit Tropenkleidung waren in die
Betrachtung üppiger Büsche versunken. Anstelle eines Textes gab es nur eine
Bildunterschrift: »Kaffeeplantage in Italienisch-Ostafrika – eine
Baumschule«. Wenn das nun berichtenswerte Neuigkeiten waren, beruhigte
sich Viola, verlief das Leben in der Kolonie wohl friedlich und arbeitsam.
Doch sonntags, wenn sie die Schüsseln mit Leber nach venezianischer
Art auf den Tisch stellte, wich sie dem Blick ihres älteren, zu Hause
gebliebenen Sohnes aus. Sie fürchtete, er könne in ihren Augen lesen, was sie
dachte. Warum ist nicht Otello dort und er hier?
Nach ein paar Tagen kehrten Cipriani, Attilio und die beiden Askaris in das
Basislager zurück. Bertoldi und der übrige Begleittrupp lagerten entlang des
Flusses und wachten über Fahrzeuge und Ausrüstung. Am darauffolgenden
Tag begaben sie sich in den nächstgelegenen Ort.
Die Casa del Fascio, Sitz der örtlichen Faschisten, befand sich noch im
Bau, war aber schon von weitem zu sehen. Unter der Bauleitung eines
Italieners mischte eine Gruppe Arbeiter Mörtel an und setzte mit einem
Senkblei die Backsteine aufeinander. Eine Holzhütte nebenan diente als
provisorische Repräsentanz der Kolonialmacht. Auf dem Dach hing im
grellen Licht der Hochebene ein weißes Tuch mit dem schwarzen, stilisierten
Profil des Duce samt Helm und Sturmriemen.
Auf ihrem Weg zur Ortsmitte erfasste die Expeditionsteilnehmer ein
fürchterlicher Gestank. Attilio erkannte ihn sofort wieder, es war der Moder
des Amba Aradam. Ihn trug er mit sich herum wie eine geladene Waffe,
unbenutzt, aber bei der ersten Gelegenheit sofort einsatzbereit. Er hob den
Blick zum Hügel und sah, was er erwartet hatte: An einer hohen Sykomore
pendelten vier Erhängte. Der süßliche Verwesungsgeruch und der Schwarm
von Fliegen, der sie umschwirrte, bezeugten, dass sie nicht erst kürzlich ihr
Leben gelassen hatten. Als die Frauen im Dorf ein Schwarzhemd mit einer
Bande Bewaffneter erblickten, versteckten sie sich schnell mit ihren Kindern