Alle ausser mir

(Jeff_L) #1

sank er in den Schlaf wie in eine weiche Matratze, bis ein Zucken ihn
hochfahren ließ. Eine Muskelkontraktion, wie sie manchmal das Einschlafen
begleitet. Er riss die Augen auf und sah mit noch vernebeltem Hirn den
eigenen weißen Penis in Abebas schwarzer Hand.
Ein plötzlicher, unkontrollierbarer Schreck erfasste ihn.
›Zack zack!‹, tönte eine Stimme in seinem Kopf.
Es war die Stimme alles Guten und Bösen auf der Welt, dem er seit seiner
Kindheit begegnet war. Im Halbschlaf erkannte er in Abebas Gesicht das
schwarze, grausige, unendlich rachsüchtige Antlitz der Königin Taytu.
Attilio setzte sich ruckartig im Bett auf. Die Beine zur anderen Seite
gedreht, wie um sich vor einem Angriff zu schützen, rief er mit großen
Augen: »Was machst du da?«
Abeba sah ihn erschrocken an, sie verstand nicht. Doch Attilio stieß sie
schon in seinem namenlosen Furor aus dem Bett. Sie wehrte sich nicht, sah
ihm aber immer weiter forschend ins Gesicht.
»Geh weg!«, schrie er, und schob sie auf die Tür der Kammer zu. Sie
protestierte nicht, nackt und stumm, auch nicht als Attilio sie mit einem
letzten Stoß in den Rücken nach draußen schubste und die Tür hinter ihr
zuknallte.
Abeba stand eine Weile verblüfft im kleinen Flur ihres Hauses. Dann
ging sie mit leichten, geräuschlosen Schritten zu der Kommode, auf der eine
shamma lag. Ohne einen Ton wickelte sie sich darin ein und legte sich neben
der geschlossenen Tür auf den Boden.
So fand Attilio sie im Morgengrauen, als er aus dem Zimmer kam. Er war
mit einem Gefühl des Ekels aus dem schweren Schlaf erwacht, in den er nach
seinem Geschrei gefallen war. Da er Abebas warmen Körper nicht neben sich
spürte, stand er auf, um sie zu suchen. Als er die Tür öffnete und sie dort auf
der Erde liegen sah, noch nicht einmal eine schützende Binsenmatte zwischen
sich und dem kalten Boden, kniete er sich neben sie. Sie schlug die Augen
auf. Ohne um Verzeihung zu bitten, nahm er ihre Hand. Abeba flatterte mit
den Lidern und streichelte sein Gesicht. Bei dieser anmutigen Geste, ganz frei
von Zorn, verwandelten Attilios Gewissensbisse sich fast in Unwillen, und
beinahe hätte er sie erneut von sich gestoßen. Ohne zu sprechen, stand Abeba
auf. Während sie sich wie immer am Morgen waschen ging, starrte Attilio
reglos zu Boden.
An jenem Tag kaufte Abeba zum ersten und einzigen Mal auf dem Markt

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