Alle ausser mir

(Jeff_L) #1

Die italienischen Maschinengewehre nahmen sie freudig ins Visier, endlich
hatten sie ein Ziel. Die Frau schlug keuchend einen Bergpfad ein, der zur
Hochebene hinaufführte, und die Projektile tanzten fröhlich auf den Steinen
zwischen ihren Füßen. Als die Askaris auf ihre Brust zielten, stürzte sie
sofort zu Boden, einen Arm schützend vors Gesicht gehoben.
Die toten Wächter wurden durch andere bewaffnete Rebellen ersetzt, die
versuchten, dem Gewehrfeuer Widerstand zu leisten. Wer nicht im
Geschosshagel fiel, suchte hinter den Leibern der Toten Deckung und
versuchte eine verzweifelte Gegenoffensive mit den ogigrat, alten
abessinischen Jagdgewehren ohne Drall, die ihre Kugeln in einem langsamen
Taumelflug abschossen wie kranke Fliegen. Zahlreiche andere stürzten blind
vom Gas oder gefällt von den Sturmgewehren in den Abgrund. Während im
Tal geduldig die Hyänen warteten.
Eine Kollaborateurin wurde von den Italienern beauftragt, den Belagerten
ihre Bedingungen mitzuteilen. Sie hieß Ahewallish und war eine Bäuerin, die
sich an die Spitze der Mitläufer gesetzt hatte. Zusammen mit anderen
Gefährtinnen der Askaris wartete sie auf der meda, bis das Gemetzel endete.
Die Frau stellte sich vor die Höhle und rief mit lauter Stimme hinein. Wenn
die Rebellen sich ergäben, versprächen die talian, niemanden zu ermorden,
auch nicht die wehrfähigen Männer. Die Sonne stand genau zwischen ihrem
Zenit und dem Horizont, als im Höhleneingang ein dreckiges Stück Stoff
durch die Luft geschwenkt wurde. Vor langer Zeit, bevor die talian verkündet
hatten, dass nun ihren Gesetzen zu gehorchen sei, bevor die Hütten zu
senfgasstinkenden Aschehaufen wurden, als noch bucklige Kühe auf den
Wiesen weideten und Kinderstimmen wie spitze Klangbögen durch die Täler
hallten, als der Tod sicher war und auch oft eintrat, aber in Form von Hunger
oder Krankheit, war dies eine weiße shamma gewesen. Nun war es die Fahne
der Kapitulation.
Langsam kamen sie aus dem Dunkel der Grotte hervor. Männer und
Frauen jeden Alters. Auf den Gesichtern, den Armen, den Beinen breiteten
sich zusehends die Yperit-Pusteln aus, wie ein rasendes Krebsgeschwür. Sie
liefen gekrümmt vom Husten, waren mit Staub bedeckt und zum Erschrecken
abgemagert. Sie entstiegen dem Dunkel dieser gas- und rauchgeschwängerten
Höhle wie dem Fruchtwasser einer Höllengeburt.
Das Tal, in das die Höhle sich öffnete, war zu eng, als dass auch die
Schwarzhemden zusammen mit den Pionieren und Askaris an dem

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