ihm nach der Landung genommen, er ist über das Meer gekommen, er hat
sogar einen Abschiebebefehl, dem er nicht nachgekommen ist. Für ihn führt
an Gaddafis Lagern theoretisch kein Weg vorbei.
Theoretisch.
Heute aber hat Barozzino etwas so Erstaunliches erlebt wie noch nie – ein
Festgehaltener aus Äthiopien mit zwei Ablehnungsbescheiden, der fast zwei
Jahre lang untergetaucht war und nun auf seinen eigenen Beinen das CIE
verlässt anstatt an Bord eines Streifenwagens in Richtung Flughafen. Der
zudem aber auch noch ein hellgelbes Blatt Papier in der Hand hält: die
verlängerbare Aufenthaltsgenehmigung für ein Jahr auf seinen Namen, die
per Dringlichkeitsschreiben aus dem Ministerium gekommen ist. Ein wahres
Wunder für einen Festgehaltenen im CIE, noch unwahrscheinlicher als die
Möglichkeit, dass er seine Anna wieder lebendig in die Arme schließt.
Der Assistente Capo beobachtet, wie der Junge schlaksig durch das
Metalltor geht, als wäre er ein Filmstar, der das Grand Hotel verlässt, der den
gepflasterten Platz überquert und in seine Limousine steigt. Die zwar ein
Panda ist, aber die gleiche Wirkung erzielt. Erwartet von einer dünnen Frau
und einem jüngeren Mann, der ihr ähnlich sieht, aber zu alt ist, um ihr Sohn
zu sein. Sie umarmen ihn, er steigt ins Auto, und sie fahren los.
»Wer das wohl war«, fragt sich Assistente Capo Barozzino.
Ein Flugzeug donnert wenige Dutzend Meter über das Gebäude des CIE
hinweg, über die Festgehaltenen, die noch zu identifizieren und abzuschieben
sind, über den Panda, der vom Piazzale abbiegt. Einen Moment gibt es nichts
anderes als das Dröhnen der Motoren und den durchdringenden Geruch des
Kerosins.
Wie sehr wünscht er sich ein ebensolches Wunder. Oder wenigstens eine
Erscheinung, das würde schon genügen.
In Italien ist nichts unmöglich für denjenigen, der Einfluss hat. Piero
benötigte nicht mehr als ein paar Telefonate. Schon war der Junge aus dem
CIE raus, war kein Illegaler mehr, von heute an kann er sogar eine Arbeit
annehmen. Es war alles ganz einfach. Danach hat Piero aber einen weiteren
Freund im Außenministerium angerufen, der bis vor wenigen Monaten in
Addis Abeba tätig war. Er hat ihm einen Namen genannt. Der Freund im
Außenministerium hat Freunde kontaktiert, die Freunde von Freunden
kontaktiert haben, bis man bei der richtigen Person der äthiopischen