»Ich suche Attilio Profeti.«
Ilaria zeigt auf die Wohnung des Bruders, ihrer gegenüber.
»Er wohnt dort.«
»Lebt er noch?«
»Natürlich lebt er noch!«
»Dann hat er einen Raben gegessen!«
Ilaria runzelt die Stirn.
Er erklärt geduldig lächelnd: »Das heißt, er ist sehr alt.«
Das rechte Auge des jungen Mannes ist leicht verquollen, gelb verfärbt
und von Äderchen durchzogen. Doch sein Blick ist eine Gerade ohne
Schlieren. Ilaria muss an Kinder denken, die in ihr Spiel vertieft sind, oder an
ältere Menschen, die noch bei guter Gesundheit weder viel noch wenig reden.
Bei einem so jungen Italiener hat sie ihn noch nie gesehen.
»Mein Bruder ist dreißig. Der Attilio Profeti, den du meinst, ist mein
Vater und wohnt nicht hier. Und wer bist du?«
»Ich heiße Shimeta Ietmgeta Attilaprofeti.«
»Wie?«
»Shimeta Ietmgeta Attilaprofeti.«
Ilarias Kopf neigt sich zur Seite. Auf ihrer Stirn erscheinen vier
Querfalten.
»Hör mal, wenn du mich auf den Arm nehmen willst ...«
»Nein. Das will ich nicht.«
Sein Italienisch ist fast akzentfrei, nur seine Ts klingen tiefsonor wie von
einer Trommel.
Ilaria versucht die letzten Reste von Geduld zusammenzuraffen, die
dieser schreckliche Tag ihr noch gelassen hat.
»Alles klar. Du hast auf den Namen am Klingelschild geguckt. Aber was
dich dazu gebracht hat, alle die Stufen hochzukommen, verstehe ich nicht.
Los jetzt, verschwinde.«
»Ich heiße Shimeta Ietmgeta Attilaprofeti«, wiederholt er ohne eine Spur
von Ungeduld oder Kränkung in der Stimme. »Wenn Attilio Profeti dein
Vater ist, dann bist du meine Tante.«
Ilaria reißt die Augen auf und sieht plötzlich viel jünger aus. Sie bricht in
Gelächter aus.
»Deine Tante!« Ihre dünnen Schultern zucken vor Lachen. »Das glaube
ich nicht. Deine Tante!« Sie stößt Luft durch die Nase aus, schüttelt den Kopf
jeff_l
(Jeff_L)
#1