schmetterling

(Martin Jones) #1

kannst du die Haare zählen.«
»Klar.« Ruth kippt Milch hinein. »Und die Zecken im Fell.«
»Die Helligkeit ist stufenlos regelbar. Du würdest dich wundern.«
»Tief in die Tasche gegriffen, was?«
»Immer noch besser, als dass uns einer in die Kasse greift. Falls doch, wird
er Filmstar. Schau mal hier.«
Die Kamera erfasst den von Osten heranführenden Highway und packt ihn
zusammen mit der Einfahrt ins Fischauge eines Weitwinkels. Angesichts der
Waschküche von letzter Nacht liefert das System erstaunlich scharfe und
kontrastreiche Bilder. Ein Volvo nähert sich. Hugh stoppt die Aufnahme und
zoomt die Fahrerkabine heran. Einigermaßen deutlich sieht man zwei Männer
mittleren Alters darin sitzen. »Bekommen wir nicht jedes Mal so brillant,
aber die Kennzeichen, wie gedruckt. Welcher Zeitraum interessiert dich?«
»Ab halb neun.«
»Okay. Hier, schneller Vorlauf, schneller Rücklauf. Stopp. Start. Zoom.
Ganz einfach. Wenn du was brauchst, ich bin im Kassenraum.«
»Danke, Hugh.«
Sie schiebt den Stuhl zurück und stößt gegen einen Stapel Sunkist-Kartons.
Das kleine Hinterzimmer dient als Lager und Büro, der winzige Schreibtisch
quetscht sich zwischen eine ausrangierte Hot-Dog-Maschine und Regale
voller Schokoriegel, Nachos-Packungen und Litertüten mit Jalapeño-Käse-
Sauce. Ruth gibt vierfache Abspielgeschwindigkeit ein, dann dämmert ihr,
dass sie auf diese Weise über eine Stunde hier wird zubringen müssen. Dazu
hat sie weder Zeit noch Lust, allerdings könnte sie den Wagen bei noch
höherer Geschwindigkeit übersehen.
»Komm, Mädchen«, murmelt sie. »Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.«
Sie startet bei halb zwölf. Falls die Kiste nicht auftaucht, kann sie immer
noch das komplette Material sichten. Vorerst geschieht nicht viel. Ein später
Motorradfahrer kämpft sich durch den Regen, dann liegt die Straße verödet
da. Um Viertel vor zwölf erfasst das Objektiv den Streifenwagen. Ruth

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