schmetterling

(Martin Jones) #1

Er wechselt die Klamotten. Streift ein dunkles Kapuzenshirt über die
schusssichere Weste, verdeckt die Glock, schlüpft in eine Jogginghose und
verlässt das Rodeway Inn, kaum dass er es betreten hat. Anderthalb Meilen
östlich, an der Waterfront, liegt die Delta King vor Anker, ein zum Hotel
umfunktionierter Raddampfer, der in den Dreißigern als Linienverbindung
zwischen Sacramento und San Francisco diente. Es gibt ein Restaurant an
Bord, ein Theater, eine Bar. Die Öffnungszeiten stünden einem späten Drink
entgegen, verdankte der Barmann ihm nicht sowohl drei Jahre in Folsom
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz als auch seinen Job, den
Luther ihm verschafft hat, als er wegen guter Führung vorzeitig raus kam.
Jahre nach seinem Ausstieg ist er in Sacramento immer noch bestens
verdrahtet, also läuft er los, seinen Gedanken davon, die haltlos
ineinanderstürzen, während sich neue Probleme auftürmen.
Palo Alto muss den Durchbruch bringen.
Er trabt unter Bäumen hindurch, immer entlang der Hauptstraße. Kaum
Fahrzeuge sind unterwegs. Die Umgebung hat wenig Anheimelndes:
Büroarchitektur, unbebaute Fläche, Firmenparkplätze. Ampeln senden
einander stumme Signale, Laternen beleuchten leere Kreuzungen, zu seiner
Rechten Flutlichtmasten: das Baseball Stadion, verlassen um diese Zeit. Eine
Gegend der Fluchtpunkte, wo alles ins Anderswo strebt und Licht von
Abwesenheit kündet. Goldstrahlend ragt die Tower Bridge in die Nacht,
trutzig wie ein Stadttor empfängt ihn der Westturm. Keine zehn Minuten,
nachdem er das Rodeway Inn verlassen hat, ist Luther auf der Brücke, unter
der offenen Stahlkonstruktion, der die beiden Türme mit provinzstädtischem
Stolz entwachsen. Auf dem Sacramento River kann Luther die Delta King
liegen sehen, ein Relikt, schneeweiße Decks, rotes Schaufelrad und
schwarzer Schornstein, wie sie Huckleberry Finn erschienen sein muss: als
vorübergleitendes, Gischt aufwirbelndes Sinnbild unermüdlichen
Aufbruchswillens.

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