schmetterling

(Martin Jones) #1

»Bitte!« Der andere Wachmann hebt beschwörend die Hände. »Können
wir uns alle beruhigen? Es ist ja nicht so, als wären keine Gesetzeshüter im
Raum. Es muss doch möglich sein, das Ganze –«
»Gesetzeshüter?«, echot Ellen.
»Er meint sich und seine alberne Uniform«, knurrt D.S. und schaut Ruth
an. »Süße, sei doch so lieb und bring die Witzfiguren nach nebenan. Am
besten geht ihr alle mal nach nebenan.« Seine Augen unter den tief
hängenden weißen Brauen heften sich auf die beiden Programmiererinnen.
»Bis auf euch zwei Hübschen. Ihr geht nirgendwohin.«
Ruth und Luther wechseln einen Blick. In D.S.’ Stimme schwingt etwas
mit, das erahnen lässt, wer er in dunkleren Zeiten war. Als lasse er den im
Keller eingesperrten Unhold von der Kette.
»Was hast du vor?«, fragt Luther.
»Vertrau mir.« Ein Brummen, das an die gestrichene tiefe Saite eines
Kontrabasses denken lässt. Mehr zu spüren als zu hören. Frequenzen, in
denen der Unhold nie zu Hause war und niemals sein wird, auch wenn D.S.
es ohne ihn kaum aus der Mangrovenhölle des Mekongdeltas geschafft hätte.
Sollte Luther je Zweifel gehegt haben, dass der alte Mann die Oberhand über
seine Dämonen gewonnen hat, werden sie in diesem beruhigenden Brummen
zersetzt.
»Ihr habt’s vernommen. Alle raus.«
Sie treiben die Wachleute auf den Flur und folgen ihnen. Zwischen den
zugleitenden Flügeltüren sieht Luther kurz Herr und Hund, den zwei Frauen
zugewandt. Dann passiert eine Weile nichts.
Eigentlich ist es nicht mal eine Weile.
Eine Minute vielleicht. Eine sich dehnende Spanne der Ungewissheit, bis
D.S. nach draußen tritt, sein gütiges Knitterlächeln im Gesicht.
»Miss Liu möchte euch was erzählen.«
Miss Liu möchte vielleicht, denkt Luther, als sie ein zweites Mal den
Kontrollraum betreten. Nur kann sie kaum vor lauter Zähneklappern.

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