Freitag, 20. September 2019 ∙Nr. 218∙240.Jg. AZ 8021Zürich∙Fr. 5.20 ∙€5.
Der Zürcher Busbahnhof bleibt
Der Stadtrat will den Carparkplatz sanieren und 15 Jahre lan g nicht überbauen lassen
ak.· Das Geschäft mit denFernreise-
bussen boomt, was sich auch auf die
Frequenzen des Zürcher Carparkplat-
zes auswirkt. In den letzten vierJahren
haben sich dieFahrten zur «Bus Sta-
tion», wie das Areal nun offiziell heisst,
um vierzig Prozenterhöht, jedesJahr um
rund zehn Prozent, wie Georg Spycher,
der Geschäftsführer der Betreiberfirma
Parking ZürichAG, sagt.Die Infrastruk-
tur genügt den steigendenPassagier-
zahlen allerdings inkeiner Weise mehr,
weshalb der Zürcher Stadtrat nun be-
schlossen hat, die Anlage zu sanieren
und passagierfreundlicher zu gestalten,
um sie für mindestens fünfzehn weitere
Jahre betreiben zukönnen.
AusfürKongresszentrum
Dieser Entscheid bedeutet allerdings
auch, dass verschiedene Ideen für das
zentral gelegene Areal vorläufig nicht
realisiert werdenkönnen. Ein Initia-
tivkomitee um den früheren SP-Stadt-
präsidenten Elmar Ledergerber hatte
beispielsweise denBau eines grossen
Kongresszentrums angeregt, das von
rot-grüner Seite allerdings von Anfang
an bekämpft wurde. Zuletzt überwies
der Gemeinderat eine Motion, die vom
Stadtrat verlangte, neue Nutzungen für
den Carparkplatz zu suchen. DerBau
einesKongresszentrums wurde dabei
explizit ausgeschlossen, dieWeiterfüh-
rungals Carbahnhof dagegen als eine
Möglichkeit erlaubt.
Der Stadtrat hat nun am Donnerstag
erstmals ausführlich begründet, warum
auch er gegen einKongresszentrum an
dieser Stelle ist. Um eine solche An-
lage kostendeckend betreiben zukön-
nen, brauche es die Unterstützung der
Stadt, mindestens durch denVerzicht
auf einen marktüblichenBaurechtszins.
Ein solches finanzielles Entgegenkom-
men sei aber nur dann zurechtfertigen,
wenn das Bedürfnis auch klar ausgewie-
sen wäre. Daran zweifelt der Stadtrat,
weil die Zahl derKongresse in Europa
rückläufig sei. Nach der Sanierung des
Kongresshauses am See sei Zürich zu-
dem gut aufgestellt.
Der Stadtrat verwirft aberauch Ideen
der linken Mehrheit des Gemeinderats,
die vor allem auf denBau billigerWoh-
nungen zielten. Es müsse nicht jedes
noch freie Areal in Zürich von der jetzi-
gen Generation überbaut werden, sagte
SP-Bauvorstand André Odermatt vor
den Medien.Das sindeinig ermassen
neueTöne vonrot-grüner Seite.Bisher
schien es tatsächlich so, dass man jede
noch so kleineBaulücke mit günstigen
Wohnungen füllen wolle, um deren An-
teil möglichstrasch zu steigern.
Die Politik hinkt hinterher
In den letztenJahren hat sich der Markt
mit denFernreisenrasant entwickelt.
Allein auf dem Carparkplatz Zürich,
der allerdings als einer der bedeutends-
ten Haltepunkte der Schweiz gilt, wer-
den jährlich über 800000Passagiere ge-
zählt –Tendenzrasch steigend.DiePoli-
tik hinkt der Entwicklung derzeit noch
hintennach: Der Bundesrat ist ebenerst
daran, ein nationales Bus-Terminal-
Konzept auszuarbeiten.
In Zürich hat die Branche mit dem
Carparkplatz vorläufig noch eine per-
fekte Lösung. Die zentrale Lage und die
direkte Nachbarschaft zum Hauptbahn-
hof sind für sie wichtigePluspunkte.Von
der anstehenden Sanierung erhoffen
sich die Betreiber nun nicht alleinein
gefälligeres Erscheinungsbild, sondern
auch eine deutlich verbesserteKun-
denlenkung, damit diePassagiere nicht
mehr auf derVerkehrsfläche herum-
wuseln und ihre Busse suchen.
Zürcher Steuerdeal: Das Ringen um die Reform zeigt den neuen Einfluss der Gemeinden Seite 14
Carparkplatz
Reportage:Der Ort versprüht eine
grossstädtischeTristesse. Seite 20, 21
Stadtrat:Die Kosten der Sanierung
stehen noch nicht fest. Seite 21
SNB demonstriert
Unabhängigkeit
Keine Zinssenkung – Erleichterung für Banken
PETER A. FISCHER
Die Schweizerische Nationalbank (SNB)
hat zwar am Donnerstag ihreWachstums-
und Inflationsprognose nach untenrevi-
diert. Doch anders als die EZB und das
Fed veranlasst sie dies noch nicht zu wei-
terenZinssenkungen.Siewillihre(expan-
sive)Geldpolitikvorerstunverändertfort-
führen.Den unter den Negativzinsen von
–0,75 Prozent leidenden SchweizerBan-
ken kommt die Nationalbank entgegen,
indem sie dieFreibeträge, auf denen die
Inhaber von Sichtguthaben bei der SNB
keine Zinsen bezahlen müssen, künftig
monatlich anpasst und so berechnet,dass
sie im Schnitt grösser ausfallen.
Negativzinsen für längere Zeit
Bisher waren die Mindestreserven der
Banken bei Einführungvon Negativ-
zinsen im Herbst 2014 massgebend.
Unter anderem durch die grossen Devi-
senmarktinterventionen der SNB sind
diese inzwischen deutlich gestiegen.Neu
sollen dieFreibeträge monatlich berech-
net werden, wobei die Mindestreserven
im Durchschnitt der letzten dreiJahre
massgebend sind. Zudem beträgt der
Freibetrag ab November das 25-Fache
stattwie bisher das 20-Fache der Min-
destreserven. Insgesamt dürfte sich so
die Belastung derBanken durch Nega-
tivzinsen von derzeit gut zwei Milliar-
den Franken proJahr auf etwas über
eine Milliarde knapp halbieren.
Mit der Anpassung will die SNB
dem UmstandRechnung tragen, «dass
sich das globaleTiefzinsumfeld in letz-
ter Zeit weiter verfestigt hat und noch
länger anhaltenkönnte». Das bedeutet,
dass die SNB noch für längere Zeit mit
Negativzinsenrechnet und dieBanken
damit weniger belasten will; vielleicht
auch, damit diese eine allfällige weitere
Senkung eher verkraften könnten.
WiedermehrInterventionen?
Die Nationalbank betont in ihrer neues-
ten Lagebeurteilung ihreunveränderte
Bereitschaft,am Devisenmarkt zu inter-
venieren, und bezeichnet diese als wich-
tig, um der Attraktivität von Anlagen
in Franken entgegenzuwirken. Genaue
Angaben dazu macht sie nicht, doch die
wöchentlichen Statistiken zu den Giro-
guthaben bei der SNB deuten darauf
hin, dass sie sich nach längererPause
ab MitteJuli wieder gegen eine weitere
Erstarkung desFrankens gestemmt hat.
Seither dürfte sie dafür gut 12 Milliar-
den Franken aufgewendet haben. Mit
andauernden Interventionen liefe sie
allerdings Gefahr,sich demVorwurf der
«Währungsmanipulation» auszusetzen.
Der Wert des Euro ist im dritten
Quartal von1.11 Franken auf bis zu1.
gefallen und hat sich dann auf rund1.
erholt.Nach Bekanntgabe des Zinsent-
scheids sank er nur leicht darunter. Be-
reinigt um die Inflationsdifferenz be-
wegt sich der effektiveWechselkurs da-
mit etwas über dem langfristigenTrend.
Für die SNB bleibt derFranken damit
hoch bewertet, wie sie in ihrerLagebeur-
teilung schreibt.Das trifft vor allem die
Exportwirtschaft, in der sich das Umfeld
in den letzten Monaten eingetrübt hat.
Die SNB diagnostiziert eine Ab-
schwächungsowohl der internationa-
len wie auch der SchweizerWirtschaft.
Für 20 19 hat sie ihre Prognose desWirt-
schaftswachstumsvon1,5Prozentauf0,
bis 1,0 Prozentrevidiert und warnt vor
weiteren Abwärtsrisiken.Auch an der
Preisfront erwartet sie deshalb und dank
demstärkerenFranken eine geringe
Teuerung. Ihre bedingte Inflationspro-
gnosehatsiefür2019 von0,6auf0,4Pro-
zent revidiert. Für 2020 erwartet sie nun
eineTeuerung von nur noch 0,2 Prozent.
Dass die SNB deswegen nicht inPanik
verfällt, wirkt nicht nur weise, sondern
demonstriertaucheinegewissewillkom-
mene Unabhängigkeit von der EZB.
«Das ist noch nicht
dasEnde derGeschichte»
Speaker des britischen Unterhause s kritisiert Regierung
pra.·Nach harten Kämpfen um den
BrexitstehtJohn Bercow, der Speaker
des britischen Unterhauses, vor dem
Rücktritt. Er hat in entscheidenden
Phasen Einfluss genommen, indem er
Abstimmungen gegen denWillen der
Regierung ermöglichte. Das hat ihm viel
Kritikvonseiten derRegierung und sei-
ner eigenenPartei eingebracht, die ihn
absetzen würde, träte er nicht selbst zu-
rück. Doch das lässt ihn kalt. Im Inter-
view mit der NZZ erklärt er, er stehe
nicht im Dienst derRegierung,sondern
des Parlaments. Diesem zu Meinungs-
äusserungen in wichtigen Geschäften zu
verhelfen, sei seine nobleAufgabe.
Der Speaker hat die von derRegie-
rung erlassene Suspendierung desParla-
ments kritisiert. Gerade wegen der auf-
geheizten Stimmung rund um den Bre-
xi t schlägt er vor,jetzt eine ernsthafte
Debatte über eine geschriebeneVerfas-
sung zu führen.
International, Seite 3
Geldpolitik
Kommentar:Die Verständigung aufein
Rahmenabkommen ist überfällig.Seite 13
Banken:Institute müssen ihre
Geschäftsmodelle überdenken.Seite 29
ILLUSTRATION ANJA LEMCKE / NZZ
ERSTE WELTUMSEGELUNG VOR500 JAHREN
Magellans Expedition war
epochal – und ein Desaster
WOCHENENDE,SEITE 53–
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