ZÜRICH UNDREGION Freitag, 20. September 2019 Freitag, 20. September 2019 ZÜRICH UNDREGION
Limmat, den Carparkplatz und den Haupt-
bahnhof unterqueren soll. Schliesslich
wird nichts gebaut, sondern einfach der
Carparkplatz um einige Plätze erweitert.
Kongresszentrum scheitert
Eine Gruppe um Alt-Stadtpräsident Elmar
Ledergerber (sp.) hat 2018 ihre eigenen
Pläne für das Areal:Sie lanciert eine In-
itiat ive für ein internationalesKongress-
zentrum mit Hotels und Gastronomie für
bis zu 3000Teilnehmer. Die Unterschriften
für dasVolksbegehrenbringt die Gruppe
zwar mitAch und Krach zusammen.Weil
derWiderstand von Stadt- und Gemeinde-
rat zugross ist, ziehen die Initianten ihrBe-
gehren dann aber zurück. DasParlament
hat bereits im September 2017 einenVor-
stoss überwiesen, mit dem es ein Kon-
gresszentrum neben dem Hauptbahnhof
verunmöglichen will. ak./dfr.
gut gefüllt sind. EineFrau mit gemus-
tertem Oberteil und ein Mann in einem
beigenPolohemd ziehen einen Sack
nach dem anderen aus denTonnen und
durchwühlen den Inhalt.«Wir suchen
nach Pfandflaschen, die wir nachKons-
tanz bringenkönnen», erklärtRoswitha
Thurnheer. Sichtlich zufrieden zieht ihr
MannFelix vierRothaus-Pils-Flaschen
aus einem der Säcke. Ein Glückstreffer:
«Dafür müssen wir nicht bis Deutsch-
land fahren, die kann man auch am
Hauptbahnhof abgeben», erklärt er.
Bis zu 20 Euro proWoche verdienten
sie dami t. Geld, auf dasRoswitha drin-
gend angewiesen sei:«Ich bekomme aus
Deutschland nur eine kleineRente und
muss mir monatlich teure Medikamente
kaufen, die nicht durch die Kranken-
kasse gedeckt werden», sagt sie. Neben
den Flaschen hätten sie auch schon ei-
nige gestohlenePortemonnaiesund an-
de re Wertgegenstände aus dem Abfall
gefis cht und an die Besitzer zurückge-
geben. Meist springe dabei ein netter
Finderlohn für sieraus.
Verboten ist dasDurchsuchen von
Containern in der Schweiz zwar nicht.
Am Flughafen wurdeFelix Thurnheer
aber bereits einmal gebüsst. Seither
sucht dasPaar nur noch am Sihlquai
nach den Pfandflaschen. Daran gestört
habesich bisher niemand.
Aus einem Sightseeing-Bus steigt
eine GruppeTouristen aus. Etwas un-
schlüssig nähert sich eineFrau demPaar
und will die Flasche in ihrer Hand schon
in die Mülltonne werfen, alsRoswitha
interveniert. Die Touristin lächelt, nickt
und geht ihresWeges.
DasWarten geht weiter
Tag für Tag wiederholt sich aufdem Car-
parkplatz dasselbe Schauspiel.Fern-
bussekommen an, fahren ab. Reisende
küssensichzumAbschied,vertretensich
die Beine, lösen Sudokus oder scrollen
auf ihren Handys. Khan Zadaran ver-
kauft Sandwiches und Zigaretten, Ros-
witha undFelixThurnheer durchforsten
denAbfall.DasWarte ngehtweiter.Min-
destens für die nächsten15 Jahre bleibt
der Unort bestehen (sieheText rechts).
Der Carparkplatz bleibt
einstweilen, was er ist
Der Stadtrat hat keine zünd ende Idee für das Ar eal
DANIEL FRITZSCHE, ADI KÄLIN
Einen viel zentraleren Standort als das
Carparkplatz-Areal gibt es in der Stadt
Zürich nicht. Direkt neben dem Haupt-
bahnhof besitzt die Stadt ein rund 70 00
Quadratmeter grosses StückLand, das
sie frei entwickeln kann. In derVergan-
genheit gab es Ideen für einKongress-
zentrum oder eineWohnüberbauung.
Doch daraus wird nun nichts, zumindest
für den Moment.
Sanierung fürfünfzehn Jahre
Wie der Stadtrat am Donnerstag an
einer Medienkonferenz erklärt hat, sol-
len auf dem Areal auch in denkom-
mendenJahrenFernreise- undTouris-
tenbusse ankommen und abfahren – wie
sie dies seit1980 tun. Die Bus Station
Zürich, wie der Stadtrat das Bustermi-
nal seit einerWeile nennt,weiseaber
Sanierungsbedarf auf.Aufgrund der un-
klaren künftigen Nutzung des Areals ist
der Unterhalt derAnlagen vernachläs-
sigt worden.Parallel dazu hat sich die
Nachfrage nachFernbusfahrten erhöht.
Der Stadtrat arbeitet nun eineVor-
lage aus,mit der das Busterminal für
mindestens weitere fünfzehnJahre am
heutigen Standort verbleiben kann –
und weniger abschreckend wirkt als
heute. Stadtpräsidentin Corine Mauch
sagte , beimAreal handle es sichzwar um
ein Prunkstück im städtischen Liegen-
schaftenportfolio. Sein Erscheinungs-
bild sei allerdings weniger prunkvoll.
«Es muss etwas passieren.»
Ein erstes Sanierungsprojekt war
letztes Jahr zurückgezogen worden,
weil vieles noch offen war,etwa dieVor-
gaben des Bundes oder dieFrage, ob der
Betriebkostendeckend seinkönne. Die
Kosten für die Sanierung, die den Car-
parkplatzfür zehnJahre fitgemacht
hätte , hättensich auf etwa s über 7 Mil-
lionenFranken belaufen.Was die nun
anstehende Sanierung für eine Zeit-
dauer von fünfzehnJahrenkosten wird,
ist noch offen. FinanzvorsteherDaniel
Leupi (gp.) wird das mit seinerWeisung
zumProjektierungskredit wohl beant-
worten, die er im ersten Halbjahr des
nächstenJahres an den Gemeinderat
weiterleiten wird.
Zuerst müssten nun alle Ansprüche
erfasst und dieVorgaben des Bundes ab-
gewartet werden, sagte Leupi. Bereits
umgesetzt wurdeneinige«Sofortmass-
nahmen». So wurde derWartebereich
aufgehübscht, auch wird die Umgebung
regelmässiger gepflegt. Im Herbst baut
die Stadt zudem die WC-Anlagen aus.
ImAusschlussverfahren
DieaktuellenPlänesindgewissermassen
imAusschlussverfahrenentstanden.Der
Stadtrat stellt sich aus verschiedenen
GründengegendenBaueinesKongress-
zentrumsandiesemOrt,willimMoment
aber auchkeine Wohnüberbauung –
und hatkeinen alternativen Standort
für den Carparkplatz gefunden. Im Ge-
spräch waren dasAreal derKehrichtver-
brennungsanlageJosefstrasse, das dem-
nächst frei wird,und das Areal amVul-
kanplatz beimBahnhof Altstetten. Die
Josefstrasse fiel aus demRennen, weil
das dortigeAreal durch den öffentlichen
Verkehr nicht allzu gut erschlossen ist;
aufdemGeländeinAltstettenistsoeben
die neue provisorische SiedlungFogo
entstanden, in der Flüchtlinge und Stu-
denten zusammenwohnen.In etwa fünf-
zehnJahren könnte das Altstetter Areal
allerdingszumbevorzugtenStandortfür
einen neuen Carparkplatz werden.
LetztesJahr hatte eine Gruppe um
den ehemaligen Stadtpräsidenten Elmar
Ledergerber (sp.) eine Initiative für den
Bau eines privatenKongresszentrums
auf dem Carparkplatz lanciert. Der
Stadtratwollte diese für ungültig erklä-
renlassen, weil zuKonkretes in die Ge-
meindeordnung geschrieben würde. Zu
Beginn diesesJahres zog dasKomitee
die Initiative schliesslich zurück.
Es gibt weniger Kongresse
Stadtpräsidentin Corine Mauch begrün-
dete nun erstmals ausführlich,warum
der Stadtrat an diesem Ortkein Kon-
gresszentrum will. Ein wirtschaftlicher
Betriebwäre nurmöglich,wenndieStadt
beimBaurecht auf jährlich etwa1Mil-
lionFranken verzichten würde. Dies
wärenur sinnvoll, wenn die Nachfrage
nach einer solchen Einrichtung vorhan-
den wäre. Dies sei aber nicht derFall,
sa gte Mauch. Die Zahl derKongresse
sei rückläufig, Zürich sei zudem mit dem
Kongresshaus, das derzeit saniert wird,
bald wieder gut aufgestellt.
Und warumkeine Wohnüberbau-
ung, wie es derrot-grünen Mehrheit im
Gemeinderat vorschwebte, als sie eine
Motion zurVerhinderung des Kon-
gresszentrums an den Stadtrat über-
wies?Bauvorstand André Odermatt
fand, es sei momentan der falscheZeit-
punkt für ein solches Projekt. Es müss-
ten ja nicht alle verbleibenden Areale
in der Stadt von der jetzigen Genera-
tion überbaut werden. Zudem wirdim
Moment noch abgeklärt, wie es mit der
Baulinie für den einst geplanten Stadt-
tunnel weitergehen soll. DieserTunnel
hätte , vom Milchbuckherkommend, die
Limmat, den Carparkplatz und schliess-
lich den Hauptbahnhof unterqueren sol-
len. DieBaulinieexistiert noch immer –
wie auch der bereits erstellteAutobahn-
stummel unter dem HB.Würde die Bau-
linie gestrichen, wäre dies ein Gewinn
für das Areal, das viel besser überbaut
werdenkönnte, sagte Odermatt.
Gemeinderat Urs Helfenstein (sp.),
der zusammen mit der heutigen Stadt-
rätin KarinRykart die Motion für die
Neuplanung desCarparkplatzes lanciert
hatte , zeigte sich enttäuscht von den Plä-
nen des Stadtrats. Er hätte sich ein gutes
Projekt für diesen Ort gewünscht,sagte
er. Er begrüsst es aber, dass kein Kon-
gresszentrumentsteht.Und positiv steht
er der Begründung des Stadtrats gegen-
über, dass man auch künftigen Gene-
rationen noch Areale zum Überbauen
lassensoll.
DasautonomeJugendzentrum wird1982 abgebrochen. BILDARCHIV ETH-BIBLIOTHEK EineVisualisierungdes nicht realisiertenKongresshauses. PD
Einen Online-Fahrplan oderInformationsschalter gibtesauf dem Carparkplatz am Sihlquai nicht. Zur Orientierung dienen nur die Anzeigen derFernbusse.
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