Neue Zürcher Zeitung - 20.09.2019

(Ron) #1

26 PANORAMA Freitag, 20. September 2019


ZAHLENRÄTSEL NR. 218

SPIELREGELN«KAKURO»:Die Zahlen 1
bis 9 müssen in einer Reihe die Ges amt-
summe ergeben. Diese ist in den schwar-
zen Kästchen link s davon bz w. darüber vor-
gegeben. Jede Zahl darf innerhalb einer
Summenur einmal vorkommen.

Auflösung:
Zahlenrätsel Nr. 217

So viele Pilzvergiftungen wie noch nie


2017 und 2018 gab es in der Schweiz jeweils knapp 600 Fälle – 2019 könnte noch schlimmer werden


Die Zahl der Pilzvergiftungen


in der Schweiz hat einen


Höchststand erreicht.Wirklich


gefährlich sind aber nur


ganz wenige Pilzarten.


BENNO MATTLI


593 Pilzvergiftungen im Jahr 20 17,580 im
Jahr 2018: Diese Zahlen weist die Sta-
tistik vonTox Info Suisse, der offiziellen
Informationsstelle der Schweiz für alle
Fragen rund umVergiftungen, in ihren
jüngsten zweiJahresberichten aus.Da-
mit sind in der Schweiz in den vergange-
nen beidenJahren so viele Pilzvergiftun-
gen wie noch nie zuvorregistriert wor-
den. Zwischen 2004 und 2016 hatte sich
ihre Zahl immer im Bereich zwischen
348 und 530 bewegt.Wie lässt sich die-
ser Sprung erklären?
Katharina Schenk, Pilzexpertin bei
Tox Info Suisse, sieht dafür zwei Gründe:
«Zum einen registrieren wir beiTox Info
Suisse generell mehr Anfragen – also
auch in anderen Bereichen –, und zum
anderen waren 2017 und 20 18 sehr gute
Pilzjahre.»Und je mehr Pilze die Leute
fänden,desto mehr Anfragen habe man
bei Tox Info Suisse.


Ein Fall –mehrere Beratungen


Die Zahl der Beratungen durchTox
Info Suisse ist übrigens höher als die
Zahl der in denJahresberichten aus-
gewiesenen Pilzvergiftungen. Dies hat
den einfachen Grund, dass es in man-
chenFällen zu mehreren Beratungen
kommt. So wurden zum Beispiel 20 18
insgesamt740 Beratungen zu Pilzen ge-
macht, die Zahl der imJahresbericht
ausgewiesenenVergiftungen lag dann
aber – wie bereits erwähnt – bei «nur»



  1. EinJahr zuvor waren es 727 Be-
    ratungen und 593Vergiftungen gewe-
    sen. Damit wurden auch bei den Bera-
    tungen in den vergangenen zweiJahren
    neue Höchststände erreicht.Und 20 19
    könnten diese Zahlen sogar noch ge-
    toppt werden: Bis zum 5. September um
    13 Uhr wurden nämlich bereits 510 Be-
    ratungenregistriert,um die 200 mehr als
    zum gleichen Zeitpunkt desVorjahres.


FünfTodesfälleseit 1995


Glücklicherweise enden nur die wenigs-
ten Pilzvergiftungen tödlich. Zwischen
1995 und 2010 wurden in der Schweiz
laut Schenk nur gerade fünfTodesfälle
registriert, allesamt zurückzuführen auf
den Konsum amatoxinhaltiger Pilze,zu
denen zum Beispiel die Knollenblätter-
pilze zählen.Amatoxinekönnen in einer


ausreichend hohen Dosis innert weniger
Tage zu einem Leberversagen und damit
zum Todführen.
Potenziell tödlich ist auch derKon-
sum gewisser Schleierlinge. Der Oran-
gefuchsigeRaukopf etwa enthält Gifte,
welche die Harnkanäle der Nieren zer-
stören, was unbehandelt zu einem aku-
ten Nierenversagen führt.Weil die ers-
ten Symptome erst zwei bis dreiWochen
nach dem Pilzkonsum auftretenkön-
nen, werden sie unter Umständen gar
nicht damit inVerbindung gebracht.

Tipps für sicheres Pilzesammeln


DasBundesamt für Lebensmittelsicher-
heit undVeterinärwesen gibt Pilzsamm-
lern folgendeTipps:

„Nur bekannte Pilze sammeln.

„Wer sich mit Pilzen nicht gut aus-
kennt, sollte das Hobby den Spezialis-
ten überlassen.

„Pilze in offenenKörben transportie-
ren. Plastiksäcke und andere luftdichte
Gefässe eignen sich nicht für den Pilz-
transport.

„Alle gesammelten Pilze vor der Zube-
reitung unbedingt von einerPilzk ontroll-
st elleüberprüfen lassen.Die Gemeinde-
verwaltung gibt Auskunft über die
nächstgelegene Pilzkontrollstelle. Dort
arbeiten geschulteFachleute. Man sollte
sich nichtauf den gutgemeintenRat von
Bekannten oder zweifelhafteTests (Ver-
färben von Silberlöffeln beimKochen
oder Ähnliches) verlassen.

„Keine rohen Pilze essen. Pilze eignen
sich nicht als Salat oder zum Dippen.

„Frische Pilze sind nicht lange ha ltbar –
deshalb sofort zubereiten und geniessen.

„Pilzgerichtekönnen problemlos ein
zweites Mal erwärmt werden, falls sie
in der kurzen Zwischenzeit imKühl-
schrank gelagert und vor dem Genuss
noch einmalrichtigerhitzt werden.

„Beschwerden nach einer Pilzmahlzeit
könnenauch andere Ursachen als Gift-
pilze haben: Allergien, Unverträglich-
keiten, bakterielle Lebensmittelvergif-
tungen et cetera. Bei Unwohlsein nach
einem Pilzessen oder beiVerdacht auf
eine Vergiftung sollte man aber unver-

züglich einen Arztkonsultieren. Auch
Tox Info Suisse, die offizielle Informa-
tionsstelle der Schweiz für alleFragen
rund umVergiftungen, kannAuskunft
geben (Telefon145).

200 Pilzartensind giftig


Insgesamt sind in der Schweiz bis anhin
über 9000Pilz arten dokumentiert.Rund
5500 davon sind Grosspilze. Die meis-
ten dieser Grosspilzarten sind unge-
niessbar; etwa 200sind mehr oder weni-
ger giftig, einige wenige tödlich.Gut 300
Pilze sind jedochessbar und zumTeil be-
gehrte Delikatessen.
SwissFungi, das nationaleDaten- und
Informationszentrum zur Dokumen-
tation,Förderung und Erforschung der
Schweizer Pilzflora, bewirtschaftet eine
Datenbank (https://swissfungi.wsl.ch)
über dieVerbreitung aller bisher in der
Schweiz dokumentierten Pilzarten.Diese
dientals Grundlagezur Einschätzung des
Schutzstatus (zum BeispielRote Listen,
Prioritäre Arten) aller in der Schweiz
bekannten Pilzarten und gibt den Be-
hörden wichtige Hinweise auf dasVor-
kommen von schutzbedürftigenArten in
ihrerRegion.

Potenziell tödlich sindKnollenblätterpilze, hier ein Exemplar in einemKorb mit Maronenröhrlingen. PATRICK PLEUL/ DPA / KEYSTONE

Asteroidenstaub


sorg te womöglich


für eine Eiszeit


Neue Studie einer
schwedischen Universität

SVEN TITZ

Vor 470 MillionenJahren war das Klima
auf der Erde ziemlich homogen – es war
fast überall warm oder mild.Das änderte
sich imLaufe des Ordoviziums aller-
dings. Der Globus geriet in eine Eiszeit;
es bildeten sich deutlich unterscheidbare
Klimazonen aus.An denPolen gefror
das Meer. Jetzt will einTeam um Birger
Schmitz von der Lund University eine
wichtige Ursache für denWandel gefun-
den haben: Gemäss der neuen Studie ist
genau im passenden Zeitraum ein riesi-
ger Asteroid zwischen Mars undJupiter
durch eineKollision zu Staub zerfallen;
dieser Staub hat sich dann im inneren
Bereich unseres Sonnensystemsverteilt
und die Sonnenstrahlungverri ngert. Das
könnte laut denAutoren ein entschei-
denderFaktor dafür gewesen sein, dass
die Erdedamals ineine Eiszeitüberging.
Das Resultat seivollkommen uner-
wartet gewesen, sagt Schmitz laut einer
Medienmitteilung.DieAnalysevonSedi-
mentgestein in Südschwedenbrachte die
ForscheraufdieSpurdesAsteroiden,wie
sie imWissenschaftsmagazin «Science
Advances»berichten.Indemehemaligen
Meeresbodenkonnten sie extraterrestri-
sches Heliummessen. Dieses Helium ist
offenbarmitdemAsteroidenstaubaufdie
Erde gelangt. In dem Gestein fanden sie
auch seltene Mineralien,die oft in Aste-
roiden enthalten sind.
«Normalerweise gewinnt die Erde
pro Jahr ungefähr 40000Tonnen extra-
terrestrischen Materials», sagt der Mit-
autorPhilippHeck,einKuratoramField
MuseuminChicago.DurchbeiderAste-
roidenkollision entstandenen Staub hat
dieErdetausendbiszehntausendMalso
viel Material erhalten. DieWissenschaf-
ter schätzen, dass der Asteroid einen
Durchmesservon150Kilometernbesass.
Für die Biodiversität war die Abküh-
lung kein Nach-, sondern sogar einVor-
teil. Das liegt vor allem daran, dass der
Staubnichtplötzlich auftauchte, sondern
imLaufevonzweiMillionenJahrenseine
abkühlendeWirkungentfaltete.Dadurch
war es dem Leben auf der Erde möglich,
sich allmählich an die sinkendenTempe-
raturen anzupassen. In dieser Zeit ent-
standen damals viele neue Spezies.
Sofern dieResultate desTeams um
Schmitz der Überprüfung durchFach-
kollegen standhalten,wäre es der zweite
nachgewieseneFall einer Beeinflussung
des Lebens auf der Erde durch ein astro-
nomisches Ereignis. Der mutmasslich
durchdieAsteroidenkollisionausgelöste
KlimawandelimOrdoviziumunterschei-
det sich allerdings stark von dem Ereig-
nis vor 66 MillionenJahren. Damals
führte ein Einschlag eines Asteroiden
(oderKometen) im heutigen Mexiko zu
einerrasantenAbkühlung, wasdasAus-
sterben der Dinosaurier zurFolge hatte.

QUELLE: TOX INFO SUISSE NZZ Visuals/jok.


DieZahl derPilzvergiftun gen nimmtzu


2004 2018

Fälle pro Jahr


0

200

400

600

QUELLE: TOX INFO SUISSE NZZ Visuals/jok.


*bis 5. September,13Uhr

DieZahl derBeratungendurch ToxInfoSuisse steigt


Anrufe pro Jahr


0

200

400

600

800

2008 2019*

Nur nochwenige Kantone habenSchontage


bem.·Vor einigenJahren galt in den
meisten Kantonen eine Schonzeit,
also ein totales Pflückverbot, für Pilze.
Heutekennen dies laut der Schwei-
zerischenVereinigung amtlicher Pilz-
kontrollorgane (Vapko) nur noch die
Kantone Zürich, Graubünden und Gla-
rus (jeweils vom1. bis 10.jeden Monats),
Luzern (jeweils vom1. bis 7. jeden
Monats), Obwalden (jeweils vom1. bis


  1. jeden Monats und nachts) sowieTes-
    sin undFreiburg (jeweils von 20 bis 7
    Uhr). In16 Kantonen gelten Mengen-
    beschränkungen für das Sammeln von
    Pilzen; meistsind das2 Kilogramm pro
    Person undTag. Zudem sind das organi-
    sierte Sammeln und die mutwillige Zer-
    störung von Pilzen in vielen Kantonen
    verboten.Einige Gemeinden haben dar-
    über hinaus eigene Bestimmungen. Für
    die ganze Schweiz gilt: In Natur- und
    Pflanzenschutzgebieten dürfenkeine
    Pilze gesammelt werden.
    Dass die meisten Kantone die Schon-
    zeiten abgeschafft haben, liegt unter
    anderem an wissenschaftlichen Er-
    kenntnissen. Eine1975 im KantonFrei-
    burg gestarteteLangzeitstudie zum Ein-
    fluss des Pilzsammelns auf die Pilzflora
    kam nämlich zu dem Schluss, dass das
    Sammeln weder die Zahl derFrucht-
    körper noch die Artenzahl signifikant


beeinflusst.Dasmit dem Sammeln ver-
bundene Betreten des Waldbodens
kann jedoch bei bestimmten Pilzarten
zu einemRückgang derFruchtkörper-
bildung führen.
12 Pilzartensind in der Schweiz ge-
schützt: der EchteKönigsröhrling, die
AmethystfarbigeKoralle, der Rosa-
rote Saftling,der Lärchen-Baum-
schwamm, der Gelbblättrige Karmin-
schwärzling, der Orangerote Dachpilz,
der Violettfleischige Braunsporstache-
ling, der Gelbe Schuppenwulstling, der
Arven-Röhrling, der Krokodil-Ritter-
ling, der Riesen-Ritterling und dieFin-
gerhut-Verpel.Das unberechtigte Pflü-
cken,Ausgraben,Ausreissen,Wegfüh-
ren, Anbieten,Verkaufen, Kaufenoder
Vernichten dieser Pilzarten ist unter-
sagt.Wer dagegen verstösst, kann mit
einer Busse von bis zu 20000 Franken
bestraft werden.
Neben den 12 geschützten Pilzarten
gibt es in der Schweiz viele weitere ge-
fährdete Grosspilze. Die Rote Liste der
gefährdeten Grosspilze der Schweiz
listet 937 Pilzarten auf. Die Liste, her-
ausgegebenvom Bundesamt für Um-
welt und von der Eidgenössischen An-
stalt fürWald, Schnee undLandschaft,
wurde 2007 erstmals publiziert.Sie dient
als Vollzugshilfe beim Artenschutz.
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