Handelsblatt - 12.09.2019

(lily) #1

Alexander Busch São Paulo


C

esar Carvalhos Erfolgsgeschichte
beginnt durchwachsen: 2012
nutzt der Betriebswirt seine Feri-
en von einem MBA-Studium in
den USA, um in Brasilien Gym-
pass zu gründen. Die Idee dahinter: Vielreisen-
de Sportbegeisterte sollen in möglichst vielen
Fitnesscentern trainieren können, ohne jedes
Mal Verträge abschließen zu müssen. Als Prak-
tikant bei der Unternehmensberatung McKin-
sey in Brasilien war Carvalho zuvor ständig un-
terwegs und sammelte ein halbes Dutzend Mit-
gliedschaften an, die er kaum nutzte. Sein Plan
war es, ein virtuelles Netzwerk zu erschaffen,
in dem unterschiedliche Sport-, Fitness- und
Wellnesseinrichtungen zu finden sind. Gym-
pass sollte die Plattform für bestehende Stu-
dios am Markt sein.
Carvalhos Geschäftsidee überzeugte schließ-
lich, und es gab Startkapital. Die App hatte
bald ein paar Tausend Nutzer. Die steigenden-
den Nutzerzahlen verleiteten den Betriebswirt
dazu, sein MBA-Studium zu schmeißen und bei
McKinsey zu kündigen. Doch dann stagnierte
das Wachstum plötzlich. „Wir versuchten,
neun Monate nach dem Start jede Schraube
anzuziehen, um das Modell zu verbessern“, er-
innert sich Carvalho. „Doch wir merkten: Da
bewegt sich nicht viel.“
Die Wende kam durch eine Anfrage eines Ma-
nagers der Unternehmensberatung PwC, der
Gympass bereits nutzte. Er wollte allen 5 000
Mitarbeitern in Brasilien einen Fitness-Pass an-
bieten. „Von einem auf den anderen Tag ver-
dreifachten wir unseren Umsatz“, sagt Carval-
ho, der ursprünglich aus dem bergigen Bundes-
staat Minas Gerais kommt. Den Rest des Jahres
2013 stellten Carvalho und seine zwei Partner
das Geschäftsmodell auf eine B2B-Strategie um.
Damit sprach Gympass also Unternehmen als
prinzipielle Kunden an. Im ursprünglichen
Businessplan war das nicht vorgesehen.
2014 versiebenfachte sich der Umsatz. 2015
startete Carvalho in Madrid die erste Niederlas-

sung in Europa. Aktuell können Nutzer in 14
Länder von Gympass Gebrauch machen. Der
jung verheiratete Carvalho zog dabei „wie ein
Nomade“ erst nach Madrid, verbrachte ein hal-
bes Jahr in München, um schließlich in New
York zu landen. Der inzwischen zweifache Fa-
milienvater wird wieder weiterziehen, denn er
wolle kein Headquarter haben.
Kein Börsengang geplant
Die Expansion auf drei Kontinenten kann sich
Carvalho leisten, weil er von Anfang an Inves-
toren wie General Atlantic und Valor überzeugt
hat. Dieses Jahr bekam der Gympass-Gründer
300 Millionen Dollar von Investoren um den
japanischen Fonds Softbank. Die Investoren
glauben ihm, dass er einen der ganz großen
Player in der globalen Fitnessbranche aufbau-
en wird. „Es gibt wenig Start-ups, die von Be-
ginn an so erfolgreich internationalisiert vor-
gingen wie Gympass“, sagt Marcelo Claure,
CEO der Softbank Group International. Ein
Börsengang sei Carvalho zufolge in den nächs-
ten zehn Jahren nicht geplant. Er räumt aber
ein, dass man irgendwann für die Investoren
Liquidität schaffen müsse.
Derzeit buchen 2 000 Unternehmen seine
Plattform, zahlen eine Gebühr und bieten ih-
ren Mitarbeitern Zugang zu Sportaktivitäten. In
Deutschland gehören zu den Großkunden Un-
ternehmen wie etwa der Sportartikelhersteller
Puma oder der Versicherungskonzern Allianz.
Darüber hinaus finden sich der Konsumgüter-
hersteller Unilever und die Santander Bank un-
ter den Kunden. Weltweit sind 47 000 Fitness-
studios für die App akkreditiert. In Brasilien
sind das 60 Prozent aller Fitnessstudios, in
Europa zwischen 25 und 30 Prozent und in
den USA bisher 15 Prozent. Mitarbeiter der be-
teiligten Unternehmen können zwischen fünf
verschiedenen Plänen wählen, die in Deutsch-
land etwa zwischen 20 und 150 Euro kosten.
Sie melden sich selbst über die Gympass-App
an. Der Arbeitgeber bekommt nicht mit, wer

Gympass


Sport


als Milliarden -


geschäft


Cesar Carvalho vernetzt mit seinem Start-up
Gympass Personalchefs, Mitarbeiter und
Fitnesscenter weltweit. Er will einen globalen
Konzern ohne Headquarter schaffen. Die
brasilianische Herkunft soll kein Markenzeichen sein.

Lateinamerikanische Start-ups
Investitionsvolumen in Mio. US-Dollar

HANDELSBLATT Stand: Mai 2019 • Quellen: CB Insights, Conquer Labs und Crunchbase


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Kolumbien


Brasilien


Brasilien


Panama


Mexiko


Argentinien


Chile


Barbados


Uruguay


Peru


Puerto Rico


Costa Rica


1 447,0


586,2


30 0,0


195,0


147,4


64,0


33,0


20,5


10,3


5,4


4,0


1,3


Cesar Carvalho:
Der brasilianische
Gründer will An-
gestellte mithilfe
seiner App fitter
machen. Gympass

Unternehmen & Märkte


1111


(^22) DONNERSTAG, 12. SEPTEMBER 2019, NR. 176

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