von den Angestellten das Angebot nutzt. Car-
valho weiß, wie sensibel solche Daten bei der
Bewertung von Mitarbeitern sein können.
Den Angestellten seiner Kunden bietet Gym-
pass erleichterten Zugang zu Sportmöglichkei-
ten. 80 Prozent der Nutzer haben vorher kaum
Sport gemacht. Im Schnitt mache ein Fünftel
der Belegschaft mit, und die Unternehmen be-
kommen gesündere Mitarbeiter. „Das führt zu
niedrigeren Fehlzeiten, weniger Überstunden
und damit niedrigeren Lohnkosten“, sagt der
Gympass-Gründer. „Jeder Personalchef sollte
uns kennen.“ Auf der anderen Seite bekom-
men die akkreditierten Fitnessstudios neue
Kunden. „Wir verringern deren Fixkosten
durch höhere Auslastung“, sagt der Brasilianer.
Der Umsatz von Gympass wiederum speist sich
aus zwei Quellen: durch die Beiträge der Ar-
beitgeber und Arbeitnehmer.
Hype um Gesundheit förderlich
Gympass hilft der Umstand, dass Bewegungs-
mangel zunehmend als Gesundheitsproblem
der Menschheit gesehen wird. Sitzen ist das
neue Rauchen. Die Weltgesundheitsorganisati-
on (WHO) hat letztes Jahr einen Aktionsplan
verabschiedet, um die körperliche Inaktivität
bis 2025 um zehn Prozent zu senken. Sie will
so das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten,
Diabetes, Demenz und Krebs senken. Nach der
WHO-Definition liegt Bewegungsmangel vor,
wenn Menschen sich weniger als 150 Minuten
in der Woche bewegen. In Deutschland sind
das 42 Prozent der Bevölkerung. Der Anteil der
Sportmuffel steigt rasant: zwischen 2001 und
2016 um 15 Prozent. In Brasilien und Deutsch-
land wächst der Bewegungsmangel am
schnellsten.
Carvalho will mit Gympass Menschen auf
Trab bringen. „Unsere Mission ist, dass 80 Pro-
zent der Bevölkerung sich an unseren Standor-
ten mehr bewegen.“ Potenzielle Kunden gibt es
genug: Weltweit bewegen sich laut WHO 1,4
Milliarden Menschen zu wenig.
Die Serie
Als Einhorn bezeichnet
die Gründerszene junge
Unternehmen, die mit
mindestens einer Milliar-
de Dollar bewertet wer-
den. Weltweit ziehen
immer mehr Gründun-
gen Risikokapital an.
Die Handelsblatt-
Korrespondenten haben
Einhörner in ihrem
Berichtsgebiet heraus-
gesucht, deren Entwick-
lung sie besonders be-
eindruckt. Sie schildern
zudem, wie die Bedin-
gungen für aufstreben-
de Unternehmen und In-
vestoren in ihrem jewei-
ligen Land sind. Im sieb-
ten Teil der Serie be-
schreibt Alexander
Busch Brasiliens Start-
up-Boom.
In der kommenden
Woche berichtet
unser Korrespondent
Mathias Peer aus Indien
über das Einhorn
Byju‘s.
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Frau mit Hanteln:
Weltweit koope-
rieren 47 000
Fitnessstudios
mit Gympass.
E+/Getty Images
Start-up-Szene
Massives Wachstum in
Brasilien in nur zwei Jahren
A
ktuell gibt es ein Dutzend „Unicorns“
(„Einhörner“) in Brasilien. „Vor zehn
Jahren gingen die besten Studenten
Brasiliens in Großunternehmen, um Karrie-
re zu machen“, sagt Martín Escobari, Latein-
amerika-Chef des Private-Equity-Fonds Ge-
neral Atlantic. In Deutschland ist er als Flix-
bus-Investor bekannt. „Heute gründen sie
Start-ups.“ Ein Grund ist der schnell wach-
sende Erfolg der Unternehmensgründer: Vor
zwei Jahren wusste kaum jemand in Brasi-
lien, was ein Einhorn ist – also ein Start-up,
das über eine Milliarde Dollar wert ist. Doch
dann kaufte der chinesische Fahrdienstleis-
ter Didi Chuxing 2018 die sechs Jahre zuvor
gegründete brasilianische Uber-Version
99App angeblich für eine Milliarde Dollar –
und wurde damit zum ersten brasilianischen
Einhorn. Die ersten Börsengänge an der
Wall Street wagten die beiden Fintechs Pag-
Seguro und Stone, die Finanzdienstleistun-
gen und Kreditkartensysteme für Kleinunter-
nehmer anbieten. Die Gründer nahmen bei
den Börsengängen jeweils über zwei Milliar-
den Dollar ein. Inzwischen gibt es mit der
Onlinebank Nubank sogar ein erstes brasilia-
nisches „Decacorn“ – ein Unternehmen, das
angeblich zehn Milliarden Dollar wert sein
soll. „Nach den ersten Erfolgen ist es für Bra-
siliens Hochqualifizierte attraktiv geworden,
sich in Start-ups zu engagieren“, sagt Pedro
Sirotsky Melzer von e.Bricks, einem digita-
len Ableger der Mediengruppe RBS.
Zudem sind heute zahlreiche ausländische
Venture-Capital-Fonds in Brasilien aktiv.
Nach Schätzungen des Branchenverbands
ABVCAP werden sich die Investitionen dieses
Jahr mit 1,7 Milliarden Dollar seit 2015 ver-
fünffachen. Für den Private-Equity-Fonds Ge-
neral Atlantic, der rund 35 Milliarden Dollar
in 15 Ländern weltweit investiert hat, ist Bra-
siliens Start-up-Szene derzeit eine der lukra-
tivsten: 2018 hat der Fonds mit dem Verkauf
der Anteile an XP Investimentos, einer Platt-
form für Privatinvestoren, einen geschätzten
Nettogewinn von über 1,5 Milliarden Dollar
gemacht. „Das ist vermutlich mehr als der
Nettogewinn, den wir mit Alibaba aus China
verdient haben“, erklärt Escobari.
Die japanischen Investoren der Softbank
stecken Geld in Loggi, den Lieferdienst für
Unternehmen, in Gympass oder in die Nu-
bank. Allein für Lateinamerika hat die Soft-
bank einen Fonds in Höhe von fünf Milliar-
den Dollar aufgestellt. „Lateinamerika hat
eine doppelt so große Wirtschaftsleistung
wie Indien, aber nur einen Bruchteil von
dessen Risikokapital“, sagte Masayoshi Son
von Softbank gegenüber dem brasiliani-
schen Wirtschaftsmagazin „Exame“. Hilf-
reich für die Investitionen ist, dass trotz der
seit fünf Jahren abwechselnden Rezession
und Stagnation eine neue Stabilität auf dem
Finanzmarkt existiert. Die Zinsen in Brasi-
lien haben sich in vier Jahren auf sechs Pro-
zent (Leitzins) mehr als halbiert. Auch brasi-
lianische Geldgeber suchen nun langfristige
Investitionsmöglichkeiten.
„Es gibt wenig Länder mit einer Sprache, so
großen Problemen und 210 Millionen Ein-
wohnern“, sagt Romero Rodrigues, der mit
Buscapé eine der ersten Handelsplattfor-
men gegründet hat.
„Brasilien reicht vielen Gründern, aber glo-
bal erfolgreich kann man hier nicht wer-
den“, behauptet Alessio Alionço, Gründer
von Pipefy, einer virtuellen Unternehmens-
beratung. Mehr und mehr Start-ups begin-
nen nun, Brasilien zu verlassen, um ihr Mo-
dell auch im Ausland anzuwenden.
Unternehmen & Märkte
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DONNERSTAG, 12. SEPTEMBER 2019, NR. 176^23
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