ist schon so weit, dass die rechte Kleinpar-
tei Deutsche Mitte auf den Demos der
Impfgegner mitläuft«, sagt Silber berger,
»und die nehmen diese Hilfe dankbar an.«
Und wer steckt am Ende (immer) hinter
der Weltverschwörung?
Die Freunde der paranoiden Weltdeutung
finden heute viel leichter zusammen. Das
liegt vor allem am Internet. Früher waren
Verschwörungstheorien eine einsame
Passion von Grüblern, die sich in ihre je-
weilige Fiktion verbohrten – und dabei
blieb es meist auch. Dass es da draußen
Leute ähnlichen Schlages gab, erfuhren
die Sonderlinge, wenn überhaupt, eher
durch Zufall.
Heute gelangen die Leute mit Leichtig-
keit von den giftigen Kondensstreifen am
Himmel zur Mobilfunktechnik 5G, die uns
weichkochen werde wie eine gigantische
Freiluftmikrowelle – und von dort womög-
lich zur Sage von den SS-Leuten, die sich
einst mittels überschallschneller »Reichs-
flugscheiben« in die antarktische Region
Neuschwabenland retten konnten.
Wer einmal bei YouTube nach solchen
Theorien sucht, bekommt meist gleich die
nächsten vorgeschlagen. So wird der Neu-
ling hineingestrudelt in einen Sog der kon-
spirativen Weltdeutung.
Die einzelnen Theorien lassen sich
meist problemlos miteinander verbinden,
sie passen zusammen wie genormte Bau-
teile. Deshalb entstehen mit der Zeit im-
mer größere Gebilde nach dem Modell der
monströsen »QAnon«-Konspiration. Der
Tübinger Experte Michael Butter spricht
von »Superverschwörungstheorien«.
Die Anhänger sind ohnehin nicht wäh-
lerisch. Die Wissenschaft weiß: Wer bereits
an eine Verschwörung glaubt, hält auch
andere für plausibel. Was die Theorien im
Einzelnen besagen, scheint beinahe egal
zu sein. Es schadet nicht einmal groß,
wenn sie einander widersprechen. Einer
britischen Studie zufolge gibt es Menschen,
die glauben, Lady Di habe ihren Tod nur
vorgetäuscht – dass sie ermordet worden
sei, leuchtet ihnen aber ebenfalls ein.
Die Berliner Aluhut-Aktivistin Silber-
berger trifft selten auf Leute, die nur an
eine oder zwei Theorien glauben: »Der
Trend geht eindeutig zum Multischwur-
bel«, sagt sie. Rechtsextreme Reichsbürger
etwa fürchteten sich auch vor Flugzeugen,
GETTY IMAGES
die angeblich Gift in die Atmosphäre
sprühten. Und weil sie die Schulmedizin
in jüdischer Hand wähnten, gingen sie zum
Geistheiler, sagt Silberberger – »oder sie
schlucken Bentonit und Zeolith, um das
ganze Giftzeug auszuleiten«.
Zum Umfeld der Reichsbürger gehört
beispielsweise der selbst ernannte Mo-
narch Peter Fitzek, der in der Lutherstadt
Wittenberg ein »Königreich Deutschland«
ausgerufen hat. Fitzek, gelernter Koch
und Karatelehrer, hatte früher mal einen
Esoterikladen. Er glaubt an Engel und tritt
selbst als »göttliches Wesen« auf, durch-
aus unbescheiden in der Nachfolge von
Jesus.
Auch Fitzek ist kein harmloser Narr. In
seinem geistersinnigen Eiapopeia verbirgt
sich antisemitischer Starrsinn. Fitzek ficht
gegen vielerlei Verschwörungen, die er –
Pi mal Daumen – dem »satanischen Sys-
tem« zurechnet. Hinter alledem stecke
seiner Überzeugung nach die globale
Bankwirtschaft, gesteuert von der Familie
Rothschild.
In dieser Hinsicht seien alle Verschwö-
rungstheorien einander ähnlich, analysiert
der Berliner Politikwissenschaftler Samuel
Salzborn: »Es geht da um eine Gruppe,
die im Hintergrund agiere, und sie verfüge
über eine unfassbar große abstrakte Macht«,
sagt er. »Am Ende läuft das immer auf die
Juden hinaus.«
In der Tat ist keine eingebildete Ver-
schwörung bekannt, an deren oberster
Spitze die Islamisten, die Chinesen oder
die Fifa erscheinen. »Nur die Juden stellt
man sich immer zugleich als machtvoll und
machtlos vor«, sagt der Forscher. Diese
anti semitische Idee habe mit der Realität
nichts zu tun – und gerade deshalb sei sie
überall anwendbar.
Um die große Konspiration zu erklären,
malen die Vordenker oft das Bild einer
Pyramide: unten die manipulierten Volks-
massen, auf halber Höhe allerhand
Komplizen und politische Helfershelfer –
und ganz oben, an der Spitze, die eigent-
lichen Anführer, etwa die »globalen Eli-
ten«, die aber zumeist seltsam unbe-
stimmt bleiben.
Deshalb ist auch das Rebellische in der
Verschwörungstheorie fast immer nur eine
Pose. In der Praxis geht es letztlich nicht
gegen »die da oben«, sondern gegen deren
vermeintliche Agenten und Werkzeuge,
soweit sie gerade greifbar sind. Und das
heißt: gegen Minderheiten und leichte Op-
fer aller Art – gegen den jüdischen Restau-
rantbesitzer, gegen die Migranten, die der
jüdische Großinvestor George Soros an-
geblich ins Land holt, gegen den arglosen
CDU-Politiker auf seiner Terrasse.
Die Spitze der Verschwörungspyramide
bleibt dagegen eine Leerstelle. Sie muss
nicht unbedingt besetzt werden, aber
wenn Bedarf danach entsteht, wird immer
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* Theorie:Flugzeuge nebeln die Atmosphäre mit giftigen Chemikalien
ein. Das belegen besonders langlebige Kondensstreifen (»Chemtrails«).
Regierung versprüht Gift
am Himmel!*