D
er Mittwoch vor Ostern, der 17.
April, ist für Heidemarie und
Klaus Ulrich der letzte Urlaubs-
tag auf Madeira. Am nächsten
Tag soll es zurückgehen nach Neumüns-
ter. Die beiden sind Rentner, sie verrei-
sen mehrmals im Jahr, doch Madeira ist
etwas Besonderes. Heidemarie Ulrich, 67,
die von ihrem Mann und den beiden
Söhnen Heidi genannt wird, fotografiert
Pflanzen, so hat sie es auch auf Madeira
gemacht, der Blumeninsel, die wie ein
schwimmender Garten vor der Küste
Marokkos liegt.
Für Klaus Ulrich, 80, ist Madeira ein
Neuanfang. Im November haben ihm Ärz-
te eine künstliche Hüfte eingesetzt.
Am frühen Abend des 17. April steigen
die Ulrichs zusammen mit 52 anderen
deutschen Touristen in einen weißen Reise -
bus, sie wollen zu einem traditionellen
Abendessen in die Inselhauptstadt Fun-
chal. Der Bus verlässt das Hotel Quinta
Splendida im Ortsteil Caniço gegen 18.30
Uhr Ortszeit, in Deutschland ist es 19.30
Uhr. Die Strecke führt die enge Estrada da
Ponta Oliveira hinab.
Nach rund 200 Metern kommt eine
scharfe Linkskurve. Der Hang fällt steil
ab, in der Ferne kann man das Meer sehen.
Leitplanken gibt es nicht.
Am selben Abend sitzt Stefan Ulrich, der
Sohn der beiden Rentner, in seinem Haus
in Steinbergkirche, nahe der Flensburger
Förde, mit seiner Frau Natalie schaut er
einen Film im Ersten. Für den Ostersonntag
sind sie mit Stefans Eltern verabredet, Ur-
laubsbilder gucken. Dann läuft ein Banner
durchs Bild, eine Eilmeldung.
Um 21.37 Uhr schickt Stefan Ulrich eine
WhatsApp-Nachricht an seinen Bruder
Jörn, der in Berlin lebt:
Schwerer Busunfall mit 28 Toten auf Ma-
deira!
Echt?
Wo hast du das gesehen?
Aktuelle Meldung auf dem Ersten!
Stefan Ulrich schaltet zu den Nachrich-
ten im ZDF.
Im »heute journal« sieht er einen Bus,
der an einem Hang liegt, das Dach ist zur
Hälfte abgerissen. Ulrich erkennt Men-
schen in Warnwesten, die anderen Men-
schen den Hang hinaufhelfen. Er hört die
Sprecherin Gundula Gause sagen: »Auf
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Gesellschaft
Großschadensereignis
SchicksaleAuf Madeira verunglückt am 17. April ein Bus, in dem auch deutsche Urlauber sitzen.
29 Menschen sterben. Die Angehörigen vertrauen bei solchen Unglücken darauf,
dass Behörden und Krisenstab den Überblick behalten. Und wenn nicht? Von Yannick Ramsel
STRINGER / AFP