Der Spiegel - 07.09.2019

(Ron) #1

gelder für die Schiedsrichterausbildung,
Anti-Rassismus-Kampagnen sowie den
Bau von Fußballplätzen und Sportanlagen.
Das Geld floss in zwei Währungen. Zwi-
schen September 2002 und Juli 2008 über-
wies die Uefa demnach gut 50 Millionen
Schweizer Franken für die FFU, zwischen
September 2006 und Dezember 2016 wa-
ren es 338,6 Millionen Euro. In den Excel-
Tabellen finden sich für diesen Zeitraum
fast 400 Zahlungsvorgänge. Jede einzelne
Überweisung ging an die Newport.
Es gibt ein »Agent Agreement« zwi-
schen der Offshorefirma in der Karibik
und der FFU aus dem April 1999. Dieses
Dokument verschaffte der Newport Gene-
ralvollmachten bei Finanzgeschäften des
Verbands. Ein klassischer Persilschein, der
nichts darüber verriet, wer hinter der
Newport steckte. Mit diesem Wisch hatten
Verbandsfunktionäre aus der Ukraine die
Zahlungen über die Newport bei
der Finanzabteilung der Uefa legi-
timiert. Als Begründung sollen sie
»currency exchange«, also Geld -
umtausch, genannt haben.
Die Verflechtungen der Newport
mit Dynamo Kiew reichen zurück
in die Zeit, als Grigori Surkis den
Verein übernahm. Im Oktober
1992 wurde die Firma in Road
Town auf Tortola eingetragen, der
Hauptinsel der Britischen Jungfern-
inseln. Kurz darauf wurde die Klit-
sche zur geheimen Kasse von Dy-
namo Kiew. Dies regelte ein Gene-
ralvertrag, den der Klub im Juli
1993 mit der Newport schloss. Die-
se Vereinbarung gilt offenbar bis
heute, sie wurde im Juli 2010 für
20 Jahre verlängert.
Das Dokument vom Juli 2010 hat sechs
Seiten. Dynamo Kiew überlässt der
Newport die kommerzielle Nutzung aller
Geschäftsfelder: der Marketing- und TV-
Rechte sowie der Transferrechte an Spie-
lern. Dies geschehe »bona fide«, auf Treu
und Glauben. Im Gegenzug verfüge die
Newport über die »finanziellen Ressour-
cen«, die nötig seien, damit die Mann-
schaft »wettbewerbsfähig sein und große
sportliche Resultate erzielen kann«.
In zahlreichen Verträgen mit Dynamo-
Profis lässt sich nachzeichnen, wie die
Newport agiert. Ein Beispiel: der Schwei-
zer Nationalspieler Admir Mehmedi, der
2012 zu Dynamo Kiew gewechselt war
und heute beim VfL Wolfsburg spielt.
Auch Mehmedi bekam sein Geld von der
Firma in der Karibik – für seine erste volle
Saison ein Netto gehalt von 850 000 Euro,
ein Handgeld von 100 000 Euro netto so-
wie eine einsatzabhängige Prämie von
150 000 Euro.
Wem die Newport wirklich gehört, er-
schließt sich auch aus dem Generalver trag
mit Dynamo Kiew von 2010 nicht. In der


Präambel ist nicht einmal die Adresse ein-
getragen. Seitens der Newport unter-
schrieb ein Anwalt aus Zypern, doch
der Jurist diente der Firma offenbar nur
als Strohmann. In Wahrheit wurde die
Newport von Igor Surkis kontrolliert. So
steht es in einem Urteil aus dem Jahr 2009
der Kammer für Eigentumsfragen des Lon-
doner High Court of Justice.
Obwohl sie Jahr für Jahr Millionen über-
wies, interessierte sich bei der Uefa an-
scheinend niemand dafür, wer hinter der
Newport stand. »Wir waren vielleicht et-
was leichtgläubig«, schrieb ein Mitarbeiter
der Finanzabteilung Anfang 2017 an die
Juristen, die die Zahlungen prüften. Aber
er hatte gleich eine Entschuldigung parat:
Es habe niemals Klagen aus der Ukraine
gegeben, dass das Geld versickere.
Der SPIEGELbat Igor Surkis, den Präsi-
denten von Dynamo Kiew, am 12. Juni um

eine Stellungnahme zu den Finanzgeschäf-
ten der Newport und seiner Rolle in dem
Unternehmen. Der Verein reagierte mit ei-
ner Mail, die in Kopie unter anderem an
den deutschen Presserat und die interna-
tionale Nichtregierungsorganisation Repor-
ter ohne Grenzen versandt wurde. Auf
22 konkrete Fragen ging der Klub inhalt-
lich nicht ein. Begründung: Die gesetzte
Frist von acht Tagen verletze »das Recht
auf eine faire Erwiderung«. Die Geschäfts-
beziehung zwischen Dynamo Kiew und
der Newport sei »Gegenstand zahlreicher
Prüfungen durch ukrainische Steuerbehör-
den, Club Financial Control Body der
Uefa, unabhängige Prüfer sowie weitere
Inspektoren« gewesen. Der Klub hob her-
vor: »Diese Prüfungen förderten keinen
einzigen Verstoß zutage, was die Recht-
mäßigkeit der finanziellen Beziehungen
dieser Organisationen bezeugt.«
Nach erneuter Bitte um Stellungnahme
meldete der Verein sich am 25. Juni mit
einer zweiten Mail. Im Namen von Igor
Surkis wies Dynamo Kiew den Verdacht
der Geldwäsche durch die Newport sowie

den Verdacht der Veruntreuung der Uefa-
Millionen als »unbegründet« und »mani-
pulativ« zurück. Der Klub bot dem
SPIEGELein persönliches Treffen mit Igor
Surkis an. Dies sei allerdings erst nach Sur-
kis’ Urlaub möglich.
Grigori Surkis reagierte auf die Fragen
nicht, die ihm der SPIEGELstellte: ob er
an der Newport beteiligt sei; ob er seinen
Einfluss als langjähriges Mitglied der Uefa-
Exekutive dafür genutzt habe, dass die
Zahlungen für den ukrainischen Verband
bis 2016 weiter an die Newport flossen.
Die Uefa bestätigte die Überweisungen
an die Newport. Sie habe erst im Dezem-
ber 2016 festgestellt, dass ihre Millionen
an den ukrainischen Verband auf jenes
Konto flossen, das auch Dynamo Kiew
nutzte. Seither werde das Geld direkt auf
ein Verbandskonto in der Ukraine geleitet.
Eine Kommission habe die Vorgänge bis
Mai 2017 untersucht. Ergebnis:
»Keine offensichtlichen Regelver-
letzungen durch Funktionäre des
ukrainischen Verbandes oder der
Uefa.«
Tatsächlich? Es gibt einen Vor-
gang aus dem März 2015, der Zwei-
fel zulässt. Damals soll der ukraini-
sche Verband die Uefa schriftlich
gebeten haben, Zahlungen an die
Newport zu stoppen. Ging dieses
Fax in der Buchhaltung der Uefa
unter? Das Verbandsgeld floss wei-
ter an die Newport, bis Dezem-
ber 2016 mehr als 100 Millionen
Euro. Erst bei der Untersuchung
der Geldströme tauchte das Schrei-
ben auf.
Als Uefa-Chefjurist Alasdair Bell
das erfuhr, schrieb er an einen
Kollegen: »Wenn dieses Fax ein Original
ist, ... das von uns niemals beantwortet
wurde, dann wirft das einige ernsthafte
Fragen auf ... Vielleicht hätte man zu die-
sem Zeitpunkt zwei und zwei zusammen-
gezählt und sich daran erinnert, dass der
Präsident von Dynamo Kiew der Bruder
eines Mitglieds des Exekutivkomitees der
Uefa ist?« Bell schob hinterher: »Oder viel-
leicht nicht.«
Ein anderer hochrangiger Uefa-Mann
schrieb an Bell: »Die Frage ist: Hat man
etwas übersehen (das Fax verloren, zu ant-
worten vergessen ...), oder hat irgendje-
mand einen ›Befehl von oben‹ bekom-
men? Diese Geschichte ist nicht vorbei.«
Vom SPIEGELdazu befragt, antwor -
tete die Uefa: Der Eingang eines solchen
Schreibens vom März 2015 sei in ihren Bü-
chern nicht vermerkt. Vielmehr habe der
ukrainische Verband die Uefa Anfang
2016 gebeten, man möge doch weiter an
die Newport zahlen – statt auf ein Konto
in der Schweiz nun auf eines in Zypern.
Rafael Buschmann, Michael Wulzinger

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HARALD SCHMITT / BPK
Dynamo-Kiew-Präsident Igor Surkis 2006
»Befehl von oben?«
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