Süddeutsche Zeitung - 07.09.2019 - 08.09.2019

(Rick Simeone) #1
von franz kotteder

H


ellabrunn ist für Kritiker der
deutschen Esskultur das rei-
ne Paradies. Denn Speisen
und Getränke gibt es hier
wirklich ausreichend und an
jeder Ecke. Schon auf der Eintrittskarte be-
dankt man sich bei seinem amerikani-
schen Sponsor, der die weltberühmte brau-
ne Brause herstellt, und der natürlich an
den verschiedensten Kiosken auf dem Tier-
parkgelände gut vertreten ist. Nicht weit
vom Haupteingang entfernt kommt man
zur ersten Verpflegungsstation, dem Café
Rhino, nicht weit entfernt vom Nashorn-
haus. „Pizza Pommes Panini Kuchen Ge-
tränke“, verkündet ein Schild am Kinder-
spielplatz, und ein penetranter Duft von
Frittenfett weht einem entgegen, wenn
man sich dem kleinen Pavillon nähert. Da
fühlt man sich als mittelalter weißer Mann
angenehm zurückversetzt in die eigene
Kindheit. Damals machte sich noch kaum
jemand Gedanken über die Auswirkungen
von Fastfood, Fett- und Zuckeranteilen
oder Cholesterinwerten.
Was das Ernährungsverhalten angeht,
scheint die Zeit dort stehen geblieben zu
sein, wo man in den Sommerferien gerne
mit den Kindern hingeht, um sie zu bespa-
ßen. Ob es nun die städtischen Bäder sind,
der Olympiapark oder eben der Tierpark
Hellabrunn: Pizza und Burger, Pommes
und Ketchup, Cola und andere Softdrinks
beherrschen hier die kulinarische Land-
schaft. Gerade jene Orte, die Kinder anzie-
hen, geben ein recht trauriges Bild ab, was
gesunde und nachhaltige Ernährung an-
geht.
Dabei achtet der Stadtrat eigentlich
überall dort, wo er Einfluss hat, sehr dar-
auf, dass das gastronomische Angebot aus-
gewogen ist. Bei der eigenen Verwaltung,
in den städtischen Kantinen, Kindergär-
ten und Schulen soll die Verpflegung mög-
lichst nachhaltig, gesund und regional
sein. Vom kommenden Jahr an soll der An-
teil an Bio-Lebensmitteln in den Kantinen
20 Prozent ausmachen, in den Kindergär-
ten sind es jetzt schon insgesamt 50 Pro-
zent, beim Fleisch gar 90 Prozent. Gerich-
te ohne Fleisch gibt es sowieso viel öfter
als noch vor zehn Jahren, und selbst bei Piz-
za und Pommes kommen die Zutaten meis-


tens aus der Region oder wurden nach öko-
logischen Kriterien erzeugt.
Wäre man boshaft, so könnte man jetzt
sagen: Bei der Arbeit, in der Kita und in der
Schule ist man bei der Stadt streng, wenn’s
aber um die Freizeit geht, dann gibt es kei-
ne Schranken. Dabei könnten die städti-
schen Einrichtungen viel stärker steuern,
was bei ihnen auf den Tisch – beziehungs-
weise auf die Hand – kommt. Im Olympia-
park zum Beispiel hat man es sich recht
leicht gemacht: Sämtliche gastronomi-
schen Betriebe wurden an einen Großcate-
rer vergeben. Vom kleinen Kiosk über die
Bierschänken in den Hallen bis zum Dreh-
restaurant 181 im Olympiaturm ist hier

Arena One zuständig, eine Tochter des ös-
terreichischen Unternehmens Do & Co,
das zuverlässig das übliche Caterer-Einer-
lei liefert: Pommes, Currywurst, Sand-
wiches, Fisch- und Wurstsemmeln für den
Kiosk, halbe Hendl und Wiener Schnitzel
im Selbstbedienungsrestaurant, aber
auch gehobene Küche fürs 181.
Nun muss man schon einräumen: kein
Angebot ohne Nachfrage. Es ist ja nicht so,
dass sich Pizza und Pommes nicht gut ver-
kauften. Im Gegenteil. Gerade bei Kindern
kommt das alles super an. Es gibt aller-
dings auch kaum Alternativen. Ein leuch-
tendes Vorbild ist da die Speiserei im Mül-
lerschen Volksbad, mit einer Karte, für die

sich auch ein ganz normales Restaurant
nicht schämen müsste. Die städtischen Bä-
derbetriebe sind sehr stolz darauf. Aber:
„Unsere Bäder haben unterschiedliche
Schwerpunkte“, sagt Pressesprecher Mi-
chal Solić, „entsprechend diesen Schwer-
punkten versuchen wir, die dazu passende
Gastronomie anzubieten.“ Für den Kiosk
im Freibad heißt das: Eis und Pommes,
Speckmäuse und Zuckerstangen.
Dieses Prinzip zieht sich so durch in der
Ausflugs- und Freizeitgastronomie. Wenn
man im Tierpark Hellabrunn nach dem
Café Rhino eine Ecke weitergeht zum Kin-
derland, so grüßt einen eine Tafel mit der
Aufschrift: „Zuckerwatte Kaffee frisch ge-
brannte Mandeln Popcorn Slush“. Da
leuchten die Augen der Kleinen, die sonst
in der Kita womöglich mit Getreiderisotto
und Dinkelpuffern traktiert werden.
So geht es weiter im Hellabrunner Schla-
raffenland. Fette Würstel beim Brezn-
Sepp gegenüber vom Streichelzoo, saftige
„Bavarian Burger“ mit Pommes und Mayo
oder Pizza von den Foodtrucks beim Tier-
park-Restaurant. Das muss derzeit aus
Brandschutzgründen umgebaut werden,
ersatzweise stehen Verkaufswagen im
Biergarten. Es gibt auch Focaccia und Bio-
Schorle sowie Mineralwasser, immerhin.
Und wer sucht, der findet auch: Am Nord-
osteingang des Tierparks gibt es noch das
Flamingo-Café mit Pizza und Pasta sowie
gleich fünf (!) verschiedenen Salaten.
Nimmt die Stadt eigentlich Einfluss auf
das Speisenangebot? „Es gibt eine Ver-
pflichtung der Pächter auf volkstümliche
Preise und regionale beziehungsweise Bio-
Qualität“, sagt Tierpark-Sprecherin Lisa
Reininger, „außerdem soll ein gewisses
Qualitätsniveau erfüllt werden, also über-
wiegende Verarbeitung von Frischproduk-
ten und Produkten aus der Region, Einbe-
zug saisonaler Zutaten.“ Glutamat sei ver-
boten, ebenso wie Lebensmittel aus nicht
artgerechter Tierhaltung.
Dass dabei dann doch wieder im wesent-
lichen das große Einmaleins des Fastfood
herauskommt, ist schon erstaunlich. Da-
bei muss das gar nicht unbedingt sein. Die
Berliner Gastronomie-Beraterin Beate
Schöndienst zum Beispiel hat vor einiger
Zeit ein Konzept für den Zoo Darmstadt
entwickelt (das dann aber aus verschiede-
nen Gründen nicht umgesetzt wurde). Es

basierte vor allem auf Gerichten, die mit
den Tieren zu tun haben, die im Zoo leben.
„Gerichte für Menschen mit dem Speise-
plan der Tiere“, sagt Schöndienst. Das er-
gibt dann zum Beispiel Früchte-Bowls mit
Avocado, die sich dann auch noch einzel-
nen Tieren im Zoo zuordnen lassen, die
wiederum die jeweiligen Früchte verzeh-
ren. Eine umfangreiche Speisekarte aus

solchen Gerichten hat die Beraterin zusam-
mengestellt, aber anscheinend war’s dann
doch zu progressiv: „Es wird viel von Tier-
und Klimaschutz geredet“, sagt Schön-
dienst, „aber dann setzt man doch wieder
auf Masttierfleisch aus der Fritteuse.“ Aus-
nahmen sind selten. Im Tierpark Nord-
horn in Niedersachsen gibt es zum Bei-
spiel Fleisch von eigenen Schweinen und
Rindern, und im Wildpark Schorfheide in
Brandenburg kommen auch parkeigene
Wollschafe auf den Tisch. Das hätte durch-
aus auch einen pädagogischen Effekt,
wenn man sieht, wozu der Mensch sich
Nutztiere gezüchtet hat.
Die Aufsichtsratsvorsitzende von Hella-
brunn, Münchens Zweite Bürgermeisterin
Christine Strobl (SPD), sagt, sie stehe neu-
en Ideen durchaus aufgeschlossen gegen-
über: „Bisher war aber im Aufsichtsrat,
dem ja alle Stadtratsfraktionen angehö-
ren, kein Bedürfnis danach.“ Im Übrigen
setzt sie auf die Wiedereröffnung des gro-
ßen Tierparkrestaurants im kommenden
Frühjahr, das betrieben wird vom Schwei-
zer Unternehmen Marché International,
das zum Mövenpick-Konzern gehört.
„Dort wird es dann auch eine große Salat-
bar und frisch gepresste Säfte geben.“

Foodtrucks im Biergarten des Tierparkrestaurants übernehmen die Grundversor-
gung,bis das Lokal nach den Vorgaben der Brandschutzbehörde umgebaut ist. Dort
gibt es neben Pizza auch den „Bavarian Burger“. FOTOS: FLORIAN PELJAK

Das Leben lehrt, dass die größten Nieder-
lagenzunächst gern im Gewand des größ-
ten Glücks daherkommen. Diese bittere
Erfahrung musste eine Frau aus Öster-
reich machen, die den fantastischen Ge-
schichten eines Liebesschwindlers ge-
glaubt und ihm über Monate hinweg ins-
gesamt 140 000 Euro zugesteckt hatte,
bis ihr doch etwas seltsam vorkam und
sie sich der Polizei anvertraute. Dank
grenzüberschreitender Zusammenarbeit
der Strafverfolger konnten Münchner
Beamte am Dienstag vergangener Woche
zwei Mitglieder der Betrügerbande bei ei-
ner fingierten Geldübergabe am Münch-
ner Hauptbahnhof festnehmen.
Der Mann, der sich im März mit der
68-jährigen Unternehmerin aus dem Be-
zirk Gmünd in Niederösterreich auf Face-
book anfreundete, erzählte eine so un-
glaubliche Geschichte, dass sie wohl dach-
te, so etwas kann sich keiner ausdenken:
Er sei als Wissenschaftler auf einem For-
schungsschiff unterwegs, weshalb es mit
einem persönlichen Treffen auch nie
klappte. Dennoch gelang es ihm, die ein-
same Dame zu überzeugen, er sei in auf-
richtiger Liebe zu ihr entbrannt und kön-
ne sich nichts Schöneres vorstellen als ei-
ne gemeinsame Zukunft.
Angeblich führte der Forscher auf sei-
nem Schiff ein Barvermögen von 7,3 Milli-
onen Dollar mit sich. Bevor jedoch die ge-
meinsame Zukunft in Liebe und Wohl-
stand anbrechen konnte, gab es noch ein
paar winzige Hürden zu überwinden: Die
Dollarscheine seien aus Sicherheitsgrün-
den eingefärbt worden, weil er einen
Überfall von Piraten fürchtete. Um die
aufwendige Reinigung zu finanzieren,
sollte die 68-Jährige vergleichsweise be-
scheidene Beträge bezahlen.
Bei Treffen in Dresden, Linz, Wien und
Paris übergab die liebestrunkene Frau je-
weils mehrere Zehntausend Euro an Mit-
telsmänner ihres Schwarms. Auch der
Transport des Geldes vom Schiff erwies
sich wegen der hohen Anforderungen an
die Sicherheit als sehr kostspielig. Im Juli
schließlich wurde die Frau doch misstrau-
isch und wandte sich an die österreichi-
sche Polizei. Als eine weitere Geldüberga-
be in München geplant war, ersuchte das
Landeskriminalamt Niederösterreich die
bayerischen Behörden um Rechtshilfe.
Am 27. August schließlich nahmen Er-
mittler des Kommissariats für Betrugsde-
likte am Hauptbahnhof einen 44-jähri-
gen Italiener und einen 35 Jahre alten
Mann aus Kamerun fest. Die beiden wa-
ren der 68-Jährigen schon von zwei Geld-
übergaben in Paris bekannt. Aber nicht
nur die Hoffnungen der verliebten Senio-
rin wurden enttäuscht. Auch die Hoff-
nung der Betrüger, durch die Geldüberga-
ben in verschiedenen Staaten die Ermitt-
lungen zu erschweren, erfüllten sich
nicht. Österreicher und Deutsche lobten
die Zusammenarbeit als ausgezeichnet
und reibungslos. julian hans

Hollywood in Milbertshofen: Ein 33-Jäh-
riger aus dem Landkreis Fürstenfeld-
bruck hat am Donnerstag eine Karambo-
lage wie aus einem Actionfilm veranstal-
tet. Als die Polizei den Hyundai-Fahrer
kurz vor 22 Uhr an der Ingolstädter Stra-
ße einer Verkehrskontrolle unterziehen
wollte, gab er Gas und fuhr über eine rote
Ampel. An der Einmündung zur Schmal-
kaldener Straße rammte er einen gepark-
ten Mercedes und einen weiteren Wagen,
der dort abbog. Anschließend rammte er
an der Einmündung der Langensalzastra-
ße einen geparkten Fiat, der auf einen da-
hinter stehenden BMW geschoben wur-
de. In der Griegstraße stieß er gegen ei-
nen Parkverhinderungsbügel und gegen
ein Verkehrsschild; das Schild fiel auf ei-
nen Mercedes. Bei der Weiterfahrt über
den Gehweg stieß der Hyundai dann ge-
gen einen geparkten Opel. Der Mann
sprang aus dem rollenden Fahrzeug und
setzte seine Flucht zu Fuß fort, doch ein
Polizist war schneller. Der Fahrer war be-
kifft, sein Auto geklaut. anh

Seit es die elektrisch betriebenen Tretrol-
ler in München gibt, haben die Nutzer da-
mit schon allerhand Schindluder getrie-
ben. Hunderte Alkoholfahrten und diver-
se Unfälle hat die Polizei schon regis-
triert. Die Münchner SPD hat deshalb die
Anbieter von Mietrollern zu einer Aufklä-
rungskampagne über Sicherheit und rich-
tiges Verhalten im Straßenverkehr aufge-
fordert. Der schwedische Anbieter Voi
startet nun eine bundesweite Offensive
zur Verkehrssicherheit. Dazu bringt Voi
am kommenden Montag, 9. September,
eine App heraus, mit der Nutzer eine Art
theoretische Führerscheinprüfung absol-
vieren können. Wer sich gut schlägt, be-
kommt ein digitales Zertifikat und Frei-
minuten gutgeschrieben. Zum Wiesn-
start bietet Voi zudem am Schwabinger
Tor Fahrtrainings an, unter anderem mit
Rauschbrille, die eine Trunkenheitsfahrt
simuliert. Sie finden am Freitag, 20. Sep-
tember, nachmittags und am Samstag,


  1. September, vormittags statt (Uhrzei-
    ten stehen noch nicht fest). schub


Gesünderes Essen durchsetzen?
„Bisher war im Aufsichtsrat
kein Bedürfnis danach.“

In den städtischen
Bädern gibt es
unterschiedliche
Schwerpunkte.
Im Dantebad
bekommt man neben
Currywurst auch
Melonen mit
griechischem Joghurt.
FOTOS: CATHERINA HESS

Klare Ansage: Hier,
ander Olympiahalle,
geht es nicht um
Obst und Gemüse,
sondern eher um
Thüringer oder
Currywurst mit
Pommes Schranke,
also mit Ketchup und
Mayonnaise.
FOTOS: FLORIAN PELJAK

Fettige Freizeit


Nachden Ferien geht’s ans Abnehmen. Denn die Ausflugsorte der Stadt, die man mit Kindern aufsucht, sind das reinste
Schlaraffenland aus Burgern, Pizza und Ketchup. Alternativen zum Fastfood-Einerlei gibt es so gut wie keine

Beim Brezn-Sepp
gegenüber vom Strei-
chelzoo gibt es auch
Brezn mit Gurken
und Radieschen.
Ansonsten ist die
Speisekarte aber vor
allem mit Würstln
aller Art und Fleisch-
pflanzerln befüllt.
FOTOS: FLORIAN PELJAK

Wenigstens gibt’s
gegenübervom
Sealife-Aquarium
keine Fischsemmel:
Die süßen Crêpes
im praktischen
Pappendeckelformat
kommen hier ohnehin
viel besser an
beim Publikum.
FOTOS: FLORIAN PELJAK

Zu schön,


um wahr zu sein


Liebesschwindler ergaunert
140 000 Euro von Rentnerin

Bekiffter flüchtet


in geklautem Auto


Fahrtrainings


für E-Scooter



DEFGH Nr. 207, Samstag/Sonntag, 7./8. September 2019 MÜNCHEN R5

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