SEITE 20·SAMSTAG, 7. SEPTEMBER 2019·NR. 208 Wirtschaft FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
Vor der Sommerpause hat der Bund über-
schuldeten Kommunen seine Hilfe in Aus-
sicht gestellt. Wenn es einen großen Kon-
sens mit den Ländern gebe, werde er sich
an einer Entschuldung beteiligen. In
Rede steht eine dreistellige Milliarden-
summe. Die sozialdemokratische Finanz-
ministerin von Rheinland-Pfalz, Doris Ah-
nen, drängt jetzt zur Eile. Der Ökonom
hält dagegen.
Professor Feld, fast jede fünfte Kommu-
ne hat mehr Altschulden und Kassenkre-
dite, als sie tragen kann, vor allem in
Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz
und dem Saarland. Dennoch kritisieren
Sie die vom Bund erwogene einmalige
Entschuldung. Warum?
Das ist zunächst verfassungsrechtlich
problematisch, die Kommunen sind Sa-
che der Länder. Sie sind für eine vernünf-
tige Finanzausstattung ihrer Kommunen
verantwortlich. Das gibt nicht nur das
Grundgesetz vor, sondern steht auch in
den Landesverfassungen. Der Bund kann
auf die Kommunen nur über die Länder
durchgreifen. Es setzt zudem falsche An-
reize, die Länder aus der Verantwortung
für ihre Kommunen zu entlassen.
Der Bund hat zuletzt mehrfach versucht,
die Ländermitwirkung auszuschließen,
wenn es um Finanzierung kommunaler
Infrastruktur ging oder den Digitalpakt
für die Schulen.
Der Bund versucht abzukürzen, aber so
einfach geht es nicht. Wenn man sich die
Konstrukte anschaut, zeigt sich: Die Inves-
titionsmittel, die der Bund den Kommu-
nen zur Verfügung gestellt hat, werden
von den Ländern abgerufen und sollen
weitergegeben werden. Beim Digitalpakt
ist es ähnlich, die Länder bestimmen die
Verteilung und die daran geknüpften
Maßnahmen. Die Länder achten mit Ar-
gusaugen darauf, sich die Gestaltungs-
möglichkeiten zu erhalten, aber ohne die
entsprechende Verantwortung zu über-
nehmen.
Käme statt der Übernahme der kommu-
nalen Schulden durch den Bund nicht
auch ein Schuldenschnitt wie anfangs in
Griechenland in Frage?
Ein Schuldenschnitt ist deswegen eine
schlechte Idee, weil die Banken als Haupt-
gläubiger davon betroffen wären. Das
sind in den Bundesländern, um die es hier
geht, vor allem die Sparkassen. Manche
könnten in Schwierigkeiten geraten,
wenn sie auf einen Teil ihrer Forderungen
an die Kommunen verzichten müssten.
Ein Schuldenschnitt im eigentlichen Sin-
ne, also ein Schuldenerlass der Kommu-
nen, geht daher nicht.
In Hessen hat die schwarz-grüne Landes-
regierung knapp 5 Milliarden Euro Kre-
dite ihrer hochdefizitären Kommunen
übernommen und einen Schuldenfonds
gebildet, die „Hessenkasse“. Ist das ein
Vorbild?
Ja, auch weil das Land die Kommunen
nicht ganz aus ihrer Pflicht entlässt. Die
betroffenen Städte und Gemeinden müs-
sen Eigenleistungen erbringen, einen Teil
ihrer Kredite weiterhin bedienen und ihre
Finanzen dauerhaft sanieren. Damit sie
grundsätzlich finanziell besser ausgestat-
tet sind, hat Hessen zudem den kommuna-
len Finanzausgleich geändert, der zuvor
den schwächeren Kommunen zu wenig ge-
holfen hatte.
Wenn die Länder sich weigern, es Hes-
sen gleichzutun, was würden Sie den
Kommunen dann empfehlen?
Die Kommunen haben die Möglich-
keit, ihre Landesregierungen vor den Ver-
fassungsgerichten der Länder zu verkla-
gen. Allerdings können sie einem nackten
Mann nicht in die Tasche greifen, wenn
Saarbrücken das Saarland verklagt, wird
am Ende nicht viel dabei herumkommen.
Aber in Nordrhein-Westfalen sieht das
schon anders aus.
Das Grundgesetz enthält das Ziel gleich-
wertiger Lebensverhältnisse in Deutsch-
land. Mit seiner Entschuldungsinitiative
will der Bund dieses Ziel erreichen.
Gäbe es bessere Wege?
Mein Vorschlag wäre, auf die Entschul-
dung durch den Bund zu verzichten, statt-
dessen sollte der Bund einen Teil seiner
Umsatzsteuerpunkte an die Kommunen
abgeben und die Infrastruktur ausbauen.
Die Kommunen müssten einen größeren
Anteil an der Umsatzsteuer bekommen.
Darüber hinaus kann der Bund im Rah-
men der Gemeinschaftsaufgabe „regiona-
le Wirtschaftsförderung“ mehr tun. Das
plant die Bundesregierung ebenfalls.
Die Gemeinschaftsaufgabe ist in den ver-
gangenen Jahren doch zusammengestri-
chen worden, auch weil vieles nicht wirk-
sam war...
Stimmt, wenn nun wieder mehr Geld
fließen soll, ist zu hoffen, dass sehr genau
geschaut wird, ob das, was da finanziert
wird, einen Mehrwert für die Region hat.
Sinnvoll wären etwa zeitlich befristete Fi-
nanzhilfen an regionale Unternehmen,
die eine Chance haben, dauerhaft am
Markt zu bleiben. Die zweite Möglichkeit,
die der Bund hat, sind Infrastrukturinves-
titionen, etwa die letzte Meile beim Breit-
bandausbau auf dem flachen Land zu fi-
nanzieren. Das rechnet sich nicht für Tele-
komunternehmen oder Netzbetreiber.
Das wäre wichtig, auch wenn der Staat
nicht noch zur letzten Berghütte in den Al-
pen Kabel legen sollte. Aber wir haben im
Vergleich zu anderen Ländern viel Wirt-
schaftskraft im ländlichen Raum durch
die mittelständische Wirtschaft, die darf
man nicht von der Infrastrukturentwick-
lung abkoppeln.
Das arbeitgeberfinanzierte Institut der
deutschen Wirtschaft (IW) in Köln for-
dert, der Bund solle die Kommunen ent-
schulden unter der Bedingung einer Re-
form der Kommunalfinanzen, also unter
Abschaffung der Gewerbesteuer. Die
stört die Unternehmen seit langem als
deutsche Sonderlast. Als Ausgleich soll-
ten die Kommunen einen größeren An-
teil an der Umsatzsteuer erhalten. Was
halten Sie davon?
Verständlich, dass das IW die Perspekti-
ve der Unternehmen hat und die Gewer-
besteuer im Rahmen einer Paketlösung
loswerden will. Das ist gleichwohl poli-
tisch sehr naiv. Die Gewerbesteuer wird
nie abgeschafft werden.
Warum ist das Altschuldenthema eigent-
lich jetzt hochgekocht, insgesamt hat
sich die Finanzkraft der Kommunen
durch den langen Aufschwung doch
stark verbessert?
Die Altschuldenfrage ist verknüpft mit
der Debatte über eine Lockerung der
Schuldenbremse. Seit über einem Jahr
gibt es eine Gruppe von SPD- und Ge-
werkschaftsökonomen, die eine Kampa-
gne gegen die Schuldenbremse im Grund-
gesetz führen. Der Direktor des IW, Mi-
chael Hüther, ist Anfang des Jahres auf
diese Linie eingeschwenkt, nachdem er
gesehen hat, dass seine finanzpolitische
Linie – gleichzeitig Steuersenkungen
und Ausgabenerhöhungen für Investi-
tionen in die Infrastruktur – nur möglich
ist, wenn der Staat neue Schulden macht.
Die Investitionsdebatte konzentriert sich
meist auf den Bund. Das eigentliche Pro-
blem sind aber zu geringe Investitionen
in einem Teil der Kommunen, denn hier
fallen die Mängel auf: kaputte Schulen,
Schlaglöcher und Ähnliches. Im Kern ist
das aber ein Problem der überschuldeter
Kommunen in drei Bundesländern:
NRW, Saarland und Rheinland-Pfalz. Die
Politik hat genügend Geld, um dafür eine
Lösung im Rahmen der Verfassung zu fin-
den: Weder sollte der Bund verfassungs-
widrig die kommunalen Altschulden
übernehmen noch die Schuldenbremse
aufgeben.
Das Gespräch führteHeike Göbel.
jch. FRANKFURT, 6. September. Die
Kommunen hoffen auf eine Milliardenför-
derung für den Ausbau des öffentlichen
Personennahverkehrs (ÖPNV). Wer zu
den Hauptzeiten mit Bus und Bahn durch
die Innenstädte fährt, erlebt oft genug,
wie überfüllt diese schon heute sind. Wie
sieht das erst mit günstigeren Fahrkarten
nach dem Vorschlag der SPD aus? „Ein
verbilligtes Jahresticket kann die erhoffte
Wirkung daher nur mit dem quantitati-
ven und qualitativen Ausbau des öffentli-
chen Nahverkehrs entfalten“, sagte Gerd
Landsberg, Hauptgeschäftsführer des
Städte- und Gemeindebundes, der F.A.Z.
„Bereits heute stoßen die ÖPNV-Systeme
in den Stoßzeiten vielerorts an die Kapazi-
tätsgrenzen.“ Er fordert Investitionen von
Bund und Ländern für mehr Busse und
Bahnen und die erforderliche Infrastruk-
tur. „Ein attraktiver ÖPNV muss preis-
wert, aber gleichzeitig gut sein“, sagte er.
Die SPD-Bundestagsfraktion schlägt
vor, dass Pendler für ihre Bahnfahrkarte
nur noch 365 Euro im Jahr zahlen sollten,
damit alle flächendeckend mit Bus und
Bahn zu bezahlbaren Preisen in der Groß-
stadt oder auf dem Land unterwegs sein
könnten. Um die Preise zu senken, sollten
die Kommunen finanziell unterstützt wer-
den. Wenn Pendler auf die Bahn umstei-
gen, werden diese voller. Die Hoffnung
dahinter ist, dass die Zahl der Autofahr-
ten sinkt und damit die Emissionen von
Kohlendioxid (CO 2 ) und Stickstoffdioxid.
Bonnund Reutlingen testen vergünstigte
Fahrkarten derzeit mit Förderung des
Bundes. Die CSU plädiert für 365-Euro-
Tickets nur für Schüler und Auszubilden-
de.
Für den Ausbau des Nahverkehrs veran-
schlagt der Städtetag zusätzliche Mittel
von mindestens zwei Milliarden Euro im
Jahr und kommt so auf 20 Milliarden
Euro in zehn Jahren. Nur mit einer dauer-
haften Gegenfinanzierung sei eine
365-Euro-Jahreskarte möglich. Ohnehin
sei die kommunale Verkehrsinfrastruktur
unterfinanziert mit einem Investitions-
stau von mehr als 38 Milliarden Euro. Für
den Städte- und Gemeindebund sollte der
Fokus zunächst auf die Schaffung zusätzli-
cher attraktiver Angebote im Nahverkehr
liegen. Weiteres Potential sieht der Ver-
band in der Ausweitung von Geltungsbe-
reichen von Jahreskarten über einzelne
Verkehrsverbünde hinaus, in flächende-
ckend verfügbaren E-Tickets und in der ta-
riflichen Verknüpfung mit Verkehrsmit-
teln wie Fahrrad und Car-Sharing.
mas.BERLIN, 6. September. Auf der ei-
nen Seite die Autoindustrie, auf der ande-
ren Seite die Klimabewegung. Wer ge-
dacht oder gar gehofft haben sollte, dass
es in der Berliner Diskussionsrunde zur
Mobilität der Zukunft in der Vertretung
des Autolandes Baden-Württemberg zum
spektakulären Knall kommen würde, sah
sich getäuscht. Kontrovers, zuweilen auch
ein bisschen emotional ging es eine Wo-
che vor dem Start der Frankfurter Auto-
messe IAA zur Sache, aber letztlich war
der Austausch der Positionen so zivil wie
erwartbar. Der Präsident des Verbands
der Automobilindustrie (VDA), Bernhard
Mattes, bekennt sich sowohl zu den Kli-
mazielen, die mit dem Pariser Vertrag ge-
setzt wurden, als auch zu den härteren
Vorgaben zu den Flottenverbräuchen.
„Wir werden sie 2030 erreichen.“ Zu-
gleich warnt er vor weiteren Verschärfun-
gen. Die Industrie brauche Verlässlich-
keit. Um die alten Verhaltensmuster zu än-
dern und die riesigen Aufgaben bewälti-
gen zu können, müssten alle mitmachen.
Kerstin Haarmann vom ökologischen
Verkehrsclub Deutschland (VCD) lässt
den Verbandsvertreter kühl auflaufen.
Die Autoindustrie reagiere nur auf
Druck, meint sie. Haarmann spricht sich
für eine neue CO 2 -Steuer aus. Das gehe
schneller als ein Lizenzmodell. Der Preis
habe eine wichtige Lenkungsfunktion.
Der Kunde müsse wissen, wie Diesel und
Benzin besteuert würden. Der Verkehr
habe bisher nichts zum Klimaschutz bei-
getragen, kritisiert der Vizevorsitzende
des Bundes für Umwelt und Naturschutz
Deutschland, Ernst-Christoph Stolper.
Daimler-Vorstandsmitglied Britta See-
ger verweist auf die Modelloffensive. Sie
spricht von der Verunsicherung der Kun-
den, von Reichweitenängsten, die mit
strombetriebenen Autos verbunden sind.
Es gehe nicht um Reichweiten, sondern
um Zukunftsängste, entgegnet Luise Neu-
mann-Cosel von der Organisation Cam-
pact. Es gebe zu große, zu schwere, zu dre-
ckige Autos. Die Welt sei auf Katastro-
phenkurs. „Wir sitzen in einem Auto und
rasen mit Tempo 250 auf den Abgrund
zu.“ Die Autobauer, die immer mehr Ge-
ländewagen in den Markt drückten, säßen
am Steuer. Seeger hält dagegen: „Wenn
wir sie nicht anbieten, verkaufen sie ande-
re.“ Das überzeugt natürlich die andere
Seite ebenso wenig wie die Mahnung von
BMW-Betriebsrat Manfred Schoch, bei
dem notwendigen Wandel die drohenden
Arbeitsplatzverluste nicht auszublenden.
wvp. WASHINGTON, 6. September.
Das amerikanische Justizministerium
hat Volkswagen, BMW, Ford und Honda
ins Visier genommen wegen eines mögli-
chen Kartellvergehens. Hintergrund ist
ein Streit zwischen der Bundesregie-
rung in Washington und dem Bundes-
staat Kalifornien über Emissionsregeln.
Im Juli hatten die vier Autohersteller
den Emissionsstandards der kaliforni-
schen Regierung zugestimmt, die über
die Anforderungen der Bundesregie-
rung hinausgehen. Das Ministerium
prüft nun, ob die gemeinschaftliche Zu-
stimmung der Unternehmen Wettbe-
werbsrecht verletzt. Unter Präsident Do-
nald Trump hatte die Regierung in Wa-
shington vorgeschlagen, die bisher gel-
tenden, unter Barack Obama verabschie-
deten Anforderungen an wachsende
Energieeffizienz neuer Fahrzeuge auszu-
setzen. Kalifornien hatte sich ebenfalls
bereit erklärt, die Anforderungen zu-
rückzuschrauben, will aber längst nicht
so weit gehen wie Washington.
Kalifornien darf seit 1970 eigene Stan-
dards für die Reinhaltung der Luft verab-
schieden. Mehrere Bundesstaaten fol-
gen diesen Vorschriften und geben dem
Bundesstaat damit einen Einfluss, des-
sen Ausmaß dem Weißen Haus ein
Dorn im Auge ist. Präsident Donald
Trump hatte sich zum Ziel gesetzt, die
Emissionsstandards abzuschwächen,
und war darin von einem Teil der Auto-
industrie bestärkt worden. Sie sah sich
mit der überraschend stark wachsenden
Nachfrage nach SUVs und anderen gro-
ßen Autos konfrontiert, die mehr Treib-
stoff verbrauchen. Gleichzeitig stehen
die Autohersteller in Amerika vor dem
Dilemma, dass Kalifornien eigene und
in der Regel schärfere Abgasregeln als
die Bundesregierung erlässt. Deshalb
müssen sie entweder zwei Varianten ih-
rer Modelle produzieren oder die schär-
feren Regeln akzeptieren. So wünscht
die Industrie einen Kompromiss zwi-
schen Kalifornien und Washington.
Ihren Vorstoß, sich auf die kaliforni-
schen Regeln einzulassen, begründeten
die vier Hersteller im Juli mit dem
Wunsch, die Planbarkeit zu erhöhen, die
Regulierungskosten zu senken, die Au-
tos erschwinglich zu halten und der Um-
welt gerecht zu werden. Die Kartell-
wächter sind nach einem Bericht des
„Wall Street Journal“ unabhängig von
politischen Erwägungen des Weißen
Hauses aktiv geworden.
bü.DÜSSELDORF, 6. September. Die
Bundesregierung verzichtet vorüberge-
hend auf Milliardeneinnahmen aus der
5G-Auktion, damit sich die Mobilfunk-
konzerne bei der Beseitigung von Funk-
löchern beeilen. Darauf hat sich das Ver-
kehrsministerium mit der Deutschen Te-
lekom, Vodafone, Telefónica Deutsch-
land und 1&1 Drillisch verständigt. Die
vier Anbieter sollen gemeinsam rund
1400 neue Mobilfunkmasten aufstellen.
Dadurch sollen bis Ende 2021 in jedem
Bundesland wenigstens 99 Prozent der
Haushalte eine LTE-Versorgung erhal-
ten. „Dafür haben wir jetzt eine rechts-
verbindliche Zusage der Mobilfunkbetrei-
ber“, ließ sich Verkehrsminister Andreas
Scheuer (CSU) in einer Pressemitteilung
zitieren. Mit der „Ausbauoffensive“ wer-
den die in der 5G-Auktion festgelegten
Versorgungspflichten verschärft. Darin
ist bisher vorgesehen, bis Ende 2022 we-
nigstens 98 Prozent der Haushalte je Bun-
desland mit Bandbreiten von mindestens
100 Megabit je Sekunde zu erreichen.
Im Gegenzug werden die Zahlungen
für die 5G-Lizenzen durch einen Raten-
plan bis 2030 gestreckt. Insgesamt hat-
ten die vier Unternehmen Gebote über
knapp 6,6 Milliarden Euro abgegeben.
Nach den ursprünglich festgesetzten Zah-
lungsmodalitäten wäre davon eine erste
Tranche von rund 4,2 Milliarden Euro
schon im September fällig geworden.
Die Konzerne zeigten sich denn auch
hochzufrieden mit dem Deal. „Denn nun
haben wir Planungssicherheit und kön-
nen mit 5G loslegen“, sagte Telekom-
Deutschland-Chef Dirk Wössner. „Für
unsere 45 Millionen Kunden im O2-Netz
ist der heute geschlossene Pakt eine gute
Nachricht“, meinte Markus Haas, Vor-
standschef von Telefónica. Besonders für
den Neuling Drillisch ist die Abmachung
ein Erfolg. Sie verringert nicht nur den
Zahlungsdruck für die knapp 1,1 Milliar-
den Euro teuren Lizenzen. Das Unter-
nehmen bekommt damit auch im ländli-
chen Raum Zugriff auf Funkmasten der
drei etablierten Betreiber. Denn die
Standorte sollen jeweils allen Betreibern
für eine Nutzung offenstehen. „Dass die-
ser Ausbau in Kooperation mit den drei
anderen Netzbetreibern geschieht, ist
ein erster und wichtiger Schritt“, sagt
Vorstandschef Ralph Dommermuth.
Kein Netzbetreiber werde ein leistungs-
starkes 5G-Netz für Deutschland allein
bauen können. Der Aktienkurs von Dril-
lisch stieg am Freitag um mehr als 11 Pro-
zent.
Größter Betreiber von Sendestandor-
ten ist die Telekom. Sie hat, wie Deutsch-
land-Chef Wössner sagte, rund 30 000
Anlagen am Netz. Nach früheren Anga-
ben des Vorstandsvorsitzenden Tim Hött-
ges hat die Telekom im vergangenen Jahr
einen durchschnittlichen Stückpreis von
212 000 Euro je Funkmast bezahlt. Die-
sen Preis zugrunde gelegt, würden die
nun vereinbarten zusätzlichen 1400 Sta-
tionen annähernd 300 Millionen Euro
kosten, die gemeinsam von den Betrei-
bern gestemmt werden sollen. Dem ste-
hen hohe Einsparungen durch die Stre-
ckung der Zahlungspflichten aus der
Auktion gegenüber. Die Einnahmen aus
der Auktion sollten in einen Digitalfonds
fließen, aus dem die Bundesregierung
den Ausbau von schnellem Internet un-
terstützen will.
Im Gespräch: Lars Feld, Direktor des Walter-Eucken-Instituts Freiburg und Mitglied der „Wirtschaftsweisen“
loe.BERLIN,6. September. Das zweite
staatlich geförderte Konsortium für die
Fertigung von Batteriezellen nimmt Ge-
stalt an. Das Bundeswirtschaftsministe-
rium teilte am Freitag mit, neun europäi-
sche Staaten hätten sich auf ein entspre-
chendes Arbeitsprogramm verständigt.
Dieses lege fest, welche Aufgaben die be-
teiligten Unternehmen übernehmen
sollten. Namen nannte das Ministerium
noch keine. Das erste Batteriezellenkon-
sortium hatte Wirtschaftsminister Peter
Altmaier (CDU) Ende April auf den
Weg gebracht, es besteht unter anderem
aus dem französischen Hersteller PSA
mit seiner deutschen Tochtergesell-
schaft Opel und dem französischen Bat-
teriehersteller Saft, der zu Total gehört.
Altmaier hatte im November vergan-
genen Jahres eine Milliarde Euro Förder-
mittel bereitgestellt, damit die für Elek-
troautos benötigten Batteriezellen nicht
mehr nur in Asien, sondern auch hierzu-
lande gefertigt werden. Andernfalls, so
die Sorge, könnten langfristig viele Ar-
beitsplätze in der für Deutschland so
wichtigen Autoindustrie verlorengehen.
Bis Mitte März hatten 30 Unternehmen,
verteilt auf sechs Konsortien, Interesse
angemeldet, darunter BMW, VW sowie
der Chemiekonzern BASF. Altmaier
will insgesamt zwei bis drei Konsortien
fördern. Nach den Regeln des EU-Beihil-
ferechts ist die staatliche Förderung dar-
an geknüpft, dass es sich um ein länder-
übergreifendes Projekt handelt und das
Verfahren innovativer sein muss als die
bislang üblichen.
Anders als im Fall Airbus, den Altmai-
er gerne als Vorbild für eine europäische
Industriepolitik nennt, soll es sich bei
der Batteriezellenförderung um eine
zeitlich befristete Anschubhilfe han-
deln. Der Staat soll sich nicht an den
Gemeinschaftsunternehmen beteiligen.
ppl.LONDON, 6. September. Die Brexit-
Wirren spalten nun auch die deutschen
Ökonomen. Marcel Fratzscher, der Chef
des Deutschen Instituts für Wirtschaftsfor-
schung (DIW), ist inzwischen für einen
harten Brexit, also einen britischen EU-
Austritt ohne Abkommen am 31. Oktober.
„Lieber ein Ende mit Schrecken als ein
Schrecken ohne Ende – lieber jetzt ein har-
ter Brexit als eine Hängepartie, die sich
noch ein oder zwei Jahre hinzieht“, sagte
er der Nachrichtenagentur dpa. Der harte
Brexit jetzt sei weniger schlimm als eine
abermalige Verschiebung. Die Kosten für
Deutschland seien eher gering, deutsche
Verbraucher kaum betroffen und Chaos
vermeidbar.
Andere Ökonomen widersprachen dem
entschieden. „Einen No-Deal-Brexit zu
fordern ist riskant“, sagte Guntram Wolff,
Direktor des Brüsseler Thinktanks Brue-
gel, der F.A.Z. Eine harte Grenze in Irland
würde den Frieden bedrohen und zu er-
heblichen wirtschaftlichen Einbrüchen
dort führen. Zweitens sieht er bei einem
No-Deal Brexit große logistische Proble-
me. Große Unternehmen seien vorberei-
tet, der Mittelstand aber eher nicht. „Am
schwersten wiegen aber die politischen
Verwerfungen“, warnte Wolff. Die politi-
schen Beziehungen zwischen Großbritan-
nien und Europa und auch Deutschland
würden schwer leiden.
Auch der Präsident des Ifo-Instituts Cle-
mens Fuest widersprach Fratzscher: „Ich
halte Empfehlung für einen harten Brexit
für falsch, ja für gefährlich.“ Die EU sollte
die Austrittsfrist für das Vereinigte König-
reich verlängern, sagte Fuest der F.A.Z.
„Die Vorstellung, die Unsicherheit würde
nach einem harten Brexit aufhören, ist ir-
reführend.“ Nach einer Studie des Ifo-Insti-
tuts würde ein harter No-Deal-Brexit alle
Seiten sehr teuer kommen. Am schlimms-
ten wäre Irland betroffen, dessen Wirt-
schaftsniveau nach der Berechnung mittel-
fristig um mehr als 8 Prozent fallen würde,
wogegen die Briten „nur“ 2,8 Prozent ein-
büßen würden. Für Deutschland errechne-
ten die Ifo-Ökonomen eine Wohlstands-
einbuße von 0,7 Prozent.
Der Chefvolkswirt der Deutschen
Bank, David Folkerts-Landau, hat sich
wiederholt eher optimistisch gezeigt, dass
Großbritannien auch einen harten Brexit
wirtschaftlich gut wegstecken könnte.
„Ein No-Deal-Brexit ist nicht das Ende
der Welt“, sagte Folkerts-Landau kürz-
lich. In Reaktion auf den DIW-Vorstoß
warnte auch das in Kiel ansässige Institut
für Weltwirtschaft vor einem Fehler. „Der
harte Brexit wäre die schlechteste Lösung
- für die Briten, aber ebenso für die EU“,
sagte IfW-Chef Gabriel Felbermayr. Die
Position der EU sei nicht so stark, wie vie-
le meinen, fügte er hinzu.
VW und BMW in amerikanischen
Klimastreit hineingezogen
Justizministerium prüftmögliches Kartellvergehen
Teurer Pakt gegen Funklöcher
Ratenplan für 5G-Rechnung / Mehr Masten auf dem Land
Mehr Batteriezellen aus Europa
Wirtschaftsministerium will zweites Konsortium fördern
Mit Tempo 250 in den Abgrund?
Autoindustrie diskutiert über Klimaschutz
Deutsche Ökonomen uneins über No-Deal-Brexit
DIW-Chef Fratzscher wirbt für harten EU-Austritt, andere Ökonomen widersprechen heftig
dc.BERLIN,6. September. Für Unter-
nehmen der Paketbranche sollen bald
härtere Regeln greifen, wenn sie eigene
Lieferaufträge von anderen Paketdienst-
leistern ausführen lassen. Die zuständi-
gen Ressorts der Bundesregierung ha-
ben sich laut Arbeitsministerium auf ein
Gesetzespaket verständigt, das unter an-
derem die Einführung einer verschärf-
ten Nachunternehmerhaftung für die Pa-
ketbranche vorsieht. Der Gesetzentwurf
sei am Freitag zur vorbereitenden Ab-
stimmung an alle Ressorts verschickt
worden und solle voraussichtlich Mitte
September vom Kabinett beschlossen
werden, erläuterte das Ministerium auf
Anfrage. Es bestätigte damit eine Mel-
dung des Magazins „Der Spiegel“. Mit
der geplanten Haftungsregel sollen Pa-
ketdienste nicht mehr nur für Lohnan-
sprüche von Mitarbeitern ihres Vertrags-
partners haften, falls dieser den Mindest-
lohn missachtet – sondern zusätzlich für
dessen Sozialbeiträge. Bisher gelten sol-
che verschärften Haftungsregeln nur für
das Baugewerbe und die Fleischindus-
trie.
Gleichzeitig will die Regierung die
Wirtschaft durch einige Rechtsänderun-
gen von Bürokratie entlasten. So will sie
Aufbewahrungsvorschriften für Steuer-
dokumente lockern. Zudem ist geplant,
für die Krankmeldung von Arbeitneh-
mern anstelle der „gelben Zettel“ ein di-
gitales Meldeverfahren zuzulassen. Die
Bürokratieentlastung soll sich auf jähr-
lich 1,7 Milliarden Euro summieren.
Das Gesamtpaket geht auf einen Kom-
promiss im Koalitionsausschuss zurück.
Die SPD hatte die im Koalitionsvertrag
nicht vorgesehene Paketdienst-Haftung
durchgesetzt und der Union dafür zuge-
sagt, den im Koalitionsvertrag vereinbar-
ten Bürokratieabbau zu unterstützen.
„Der Bund sollte die Kommunen nicht entschulden“
hw.BERLIN, 6. September. Bundesjustiz-
ministerin Christine Lambrecht (SPD)
will Verbraucher besser gegen bestimmte
Inkassopraktiken schützen. Sie will Kos-
ten für die Einforderung geringer Beträge
und Einigungen mit den Schuldnern in be-
stimmten Fällen deckeln und Inkassoun-
ternehmen verpflichten, über die Folgen
bei verspäteten Zahlungen und die Kosten
einer außergerichtlichen Einigung zu in-
formieren. Ihr am Donnerstag verschick-
ter Gesetzentwurf stößt beim Koalitions-
partner auf Kritik. Die Unionsfraktion teil-
te mit, es gebe „noch reichlich Gesprächs-
bedarf“. So fehle eine Regelung, um Identi-
tätsdiebstahl zu vermeiden, monierte die
Rechtspolitikerin Elisabeth Winkelmeier-
Becker (CDU). Gemeint ist, dass Dritte
den Namen und die Kreditkartendaten ei-
nes Verbrauchers missbrauchen und dabei
Inkassounternehmen instrumentalisie-
ren. Der Berichterstatter Sebastian Steine-
ke (CDU) will eine zentrale Aufsicht.
Härtere Regeln für Paketdienste
Anbieter sollen für Verstöße von Vertragspartnern haften
Union und SPD streiten
über Inkassoregeln
Milliarden für günstigenÖPNV
Städte fordern Hilfen, um 365-Euro-Fahrkarte einzuführen
Der streitbare Marktwirtschaftler über die Pflichten der Länder und die Kampagne gegen die Schuldenbremse
Lars Feld Foto Helmut Fricke