Spindler im Angebot. Die Menschen vom Wild zu überzeugen – und
davon, dass es auch im Sommer schmeckt – sei zwar aufwendig, sagt
er. Doch wer das Fleisch einmal probiert habe, komme meist wieder.
Spindler setzt seine Hoffnungen in die jungen Kunden. »Die Leute
ab Mitte 20 kochen wieder, und sie kaufen wieder Wild.«
Am liebsten würde er sein Wildschwein auch an Supermärkte in
der Region liefern. Aber das sei fast unmöglich. Die einzelnen
Filialen werden von Logistikzentren beliefert. Um die Preise niedrig
zu halten, kauften sie die Ware immer in möglichst großer Stück-
zahl. Doch selbst bei idealen Jagdbedingungen – bei gutem Wetter
und bester Sicht für die Schützen – könne niemand garantieren, wie
viel Wild am Ende bei einer Jagd erlegt wird. Und wie gut dessen
Qualität ausfalle. Auf diese Unsicherheit lasse sich kein Supermarkt-
Einkäufer ein.
Das Wild, das man im Supermarkt bekommt, ist deshalb vor allem
sogenanntes Gatterwild aus Übersee: Hirsch aus Neuseeland und
Australien, seit einigen Jahren nun auch Wildschwein aus den USA.
Mit Wild habe dieses Fleisch allerdings nicht viel zu tun, so Spindler.
Die Tiere würden in Gehegen gehalten, gefüttert und geschlachtet.
Bei dem angeblichen Wildschwein aus den USA handele es sich wohl
oft nur um das Fleisch verwilderter Hausschweine. Aber mit dem
könne der Handel einfacher kalkulieren als mit regionalem Wild-
fleisch, von dem, je nach Saison, mal mehr oder weniger anfalle.
Und selbst in Berlin, wo doch besonders viele ökologisch eingestellte
Esser leben, läuft das Geschäft zäh. Der Hobby-Jäger Gustav Meyer,
69, erzählt, dass er sich vom Wildschwein mal mehr versprochen
hatte. Vor sieben Jahren gründete er seinen »Berliner Wildfleisch-
handel« in Kreuzberg, um Brandenburger Jägern die Vermarktung
abzunehmen, und er sagt frei heraus: »Das Geschäft läuft nicht so
gut, wie ich erwartet hatte.« Die Hälfte seines Umsatzes mache er in
der Woche vor Weihnachten.
Man muss weit fahren, um mal in Deutschland Begeisterung für das
Wildschwein zu erleben – zum Wacken Open Air, dem Heavy-Metal-
Festival in der Nähe von Itzehoe. 80.000 Besucher und Hunderte von
Fressbuden. Da ist auch ein Grillstand mit Wildschweinsteaks und
Wildschweinbratwürsten. Bestellen kann man auch Wildschwein-
Burger und -Leberkäse. Der Stand gehört Anna Gerken-Stamm, 55,
Händlerin und Jägerin aus Hamburg. Sie gibt sich große Mühe, den
Festival-Besuchern moderne Wildgerichte aufzutischen, zum Beispiel
»Chili con Hirsch«. Allerdings mache sie damit kaum Gewinn. Sie sei
hier, weil sie eine Mission habe: »Ich möchte den Deutschen das Wild
wieder schmackhaft machen.« Statt dreimal in der Woche Fleisch aus
dem Supermarkt sollte man lieber einmal am Wochenende Wild es-
sen. Sie selbst halte das schon lange so.
Zwei nicht ganz nüchterne Männer um die 30 mit langen Haaren
und schwarzen Klamotten wanken auf den Imbiss zu. Sie bestellen
das Chili, auf Englisch. Fast die Hälfte ihrer Kunden seien Aus-
länder, sagt Anna Gerken-Stamm. Neuseeländer, Skandinavier und
Mexikaner hätten »ein ganz anderes Bewusstsein fürs Wild«. Woran
das liegt, kann sie allerdings auch nicht sagen. Vielleicht glaubten
die Deutschen immer noch, Wild schmecke streng. Laut üblichen
Rezepten muss man einen Wildschweinrücken vor dem Garen in
säurehaltige Flüssigkeiten einlegen: in Buttermilch, Essig oder Wein.
Das sei längst nicht mehr nötig, sagt Anna Gerken-Stamm. »Aber die
Wahrnehmung ist schwer rauszukriegen aus den Leuten.«
alberto-pants.com
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