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Wissenschaftlichen Bohr-Programms".
Forscher wollen in Moab Khotsong am
Ende eines Stollens, in drei Kilometer
Tiefe, in den Fels bohren. Der faustgro
ße Bohrkopf soll sich von dort ein paar
Hundert Meter weit bis in eine Zone frä
sen, in der Gesteinsschichten aneinan
derschrammen. Diese Bewegung hat vor
ein paar Jahren nahe der Mine ein ver
heerendes Erdbeben entfesselt.
Anhand der Bohrkerne wollen Geo
logen entschlüsseln, warum Erschütte
rungen entstehen und wie die seismi
schen Stöße das Material rundherum
zerklüften. Auf diese Weise gewisser
maßen in den Maschinenraum des Pla
neten einzudringen, hat noch kein For
scherversucht Und für die Analyse des
unterirdischen Lebens ist der Vorstoß
eine seltene Gelegenheit. Denn einfa
cher kommt man fast nicht ran.
Lau spekuliert darauf, dass der Boh
rer im rissigen Gestein der Erdbeben
zoneaufWasser stößt. Wenn es aus dem
Loch sprudelte, würde sie Proben davon
in ihre Fläschchen füllen, mit einem
Schnelltest die Lebensbedingungen be
stimmen, Temperatur, Salzgehalt und
pH-Wert. Und dann mit Kanistern zu
rückkehren, um so viel wie möglich mit
zunehmen. Das ist der Plan.
Deshalb muss sie in die Mine hinein
und hoffen, dass das Bohrloch Flüssig
keit ausspuckt. Und vielleicht auch We
sen aus der Dunkelheit.
V
ON OBEN BETRACHTET er
scheint Moab Khotsong wie
eine Trutzburg der Schwer
industrie. Und nicht wie ein
Hort der biologischen Vielfalt. Ein sta
cheldrahtbewehrter Zaun fasst einen
Komplex aus Lager hallen, Büros und ei
nem Kontrollzentrum ein. Förderbän
der überspannen das Terrain, Gleise
durchschneiden es. Wie ein einsamer
Wehrturm strebt der Förderturm empor,
dessen Scheinwerfer die Szenerie geis
terhaft illuminieren, wenn in der Mor
gendämmerung die Arbeiter durch die
Sicherheitsschleusen strömen. Hinter
dem Zaun wölbt sich über knapp hun
dert Meter Länge das sichtbarste Zei
chen des Bergbaus in den Himmel: eine
Halde aus hellgrauem Gesteinsschutt.
Doch das imposanteste Bauwerk bleibt jedem Blick ver
borgen. In jahrelanger Maloche haben Menschen unter der
Savanne Südafrikas Stollen ins Gestein gesprengt, dabei 13
vielfach verzweigte, übereinander angeordnete Ebenen er
schaffen, die "Level". Der tiefste Punkt liegt auf rund 3100
Metern, und manch ein Tunnel reicht mehr als vier Kilome
ter weit horizontal in den Fels. Die Arbeiter haben den Un
tergrund auch für senkrechte Verbindungsschächte und
Materialdepots ausgehöhlt, Aufladestationen für elektrisch
betriebene Bahnen angelegt, Rückzugsbuchten für den Fall
eines Brandes geschlagen. Knapp 6000 Kumpel bauen das
Labyrinth im Schichtbetrieb immer weiter aus. Und alles,
Mensch, Erz, Ersatzteil, Sprengstoff, wird über diesen einen
Schacht transportiert, in dem wir gefangen sind.
Zischend saust unser Aufzug hinab. Fliegt an Quergängen
vorbei, ein kurzes Aufleuchten, dann taucht er wieder ein in
Schlange stehen vor
dem Lift. Knapp 6000
Menschen arbeiten in
drei Schichten in der
Mine, gelangen nur
über Fahrstühle hinein
und wieder hinaus.
Aber auch Ersatzteile
und Erz werden in den
Aufzügen befördert,
die 24 Stunden in
Bewegung sind