GEO - 09.2019

(Nancy Kaufman) #1
Maya de Hoyos führt in den Semesterferien
Tagesbesucher über die Insel, auf der
sie jeden Winkel kennt. Sie ist ihr zu klein
geworden, wie ein Schuh, der nicht mehr
passt: Maya studiert jetzt auf dem Festland

Wie hält man es aus an


einem Ort, der so klein ist,


dass manjeden am Gang
orlronnt oder ::1m Scbwejß?

Für seine Träume ist die Insel groß genug,
sagt Adrian de Hoyos, Mayas Bruder. Er hat ein
Ziel vor Augen: Bürgermeister werden

Bis vor wenigen Jahren war der San­
Bernardo-Archipel ein eher unzugäng­
liches Gebiet, in welches sich Touristen
trotz der weißen Strände und des tür­
kisfarbenen Wassers nur sehr selten
vorwagten. Erst herrschten dort Dro­
genkartelle, darunter auch der Kokain­
könig Pablo Escobar. Sie kauften sich
Inseln und Strände und veranstalteten
wilde Feste, so erzählt es der Hobbyhis­
toriker Freddy de Hoyos, 68, ein Onkel
von Adrüi.n und Maya.
Als die Narcos besiegt waren, kamen
die Paracos, die Paramilitärs. Sie knöpf­
ten den Bewohnern Schutzgelder ab
und vertrieben einige aus ihren Häu­
sern, weil sie angeblich mit der Gueril­
la paktierten. Erst als sich die Paracos
lukrativeren Gegenden zuwandten und
abzogen, setzte so etwas wie Ruhe ein.
Jetzt sehen sich die Bewohner mit
der bisher größten Gefahr konfrontiert,

GEO 09 2019


viel schlimmer als Narcos und Paracos:
dem KlimawandeL

D


JE JUGENDLICHEN wol­
len zumeist auf der Insel
bleiben, trotzder harschen
Lebensbedingungen. Nicht
nur an Privatsphäre man­
gelt es, sondern es gibt auch kaum einen
Baum auf der Insel, keinen Strand, kein
Feld, der salzige Sandboden taugt nicht
für Pflanzen. Alles muss herangeschafft
werden -außer Fischen und Meeres­
früchten, die aber immer seltener wer­
den. Es gibt keine Frischwasserquelle,
keine Duschen, nur Regenwasser, das
in großen Tonnen gesammelt wird. Im
Sommer, wenn es nicht regnet, herrscht
häufig Wassernotstand. Dann wird das
Trinkwasserper Tankschiff aus Carta­
gena geliefert. Obwohl also das Leben
hier schwer ist, wächst die Zahl der Be-

wohner. Deshalb müssen sie dem Meer
immer mehr Raum abgewinnen, sie
bauen Stege ins Wasser und setzen wei­
tere Hütten drauf. "Wir rauben es dem
Meer", sagt Adrüi.n, "allerdings ist das
illegal, die Expansion verstößt gegen
die Auflagen im Nationalpark."
Adrian hat mit seiner Haltung einen
schweren Stand, das weiß er. Einige Be­
wohner behaupten: Jetzt kommen die
nächsten Eindringlinge- Umweltschüt­
zer mit ihren Bestimmungen. Ohne
Waffen, aber nicht weniger herrisch und
paternalistisch als vorher Narcos und
Paramilitärs.
Um neun Uhr treffen die Fremden in
Schnellbooten aus Cartagena ein. Bio­
logen, Touristen, vor allem Neugierige.
Für die meisten ist Islote eine Kurzsta­
tion auf dem Weg in die Luxusresorts
der Nachbarinseln Mucura und Tinti­
pan. Sie wollen diese Attraktion in der

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