NZZamSonntag8. September 2019
Invest
DieschlechtesteWochehatte...
Dass der Gründer, Chef und
Hauptaktionär des Büroplatz-
vermietersWeWork die
schlechtesteWoche hatte,
bedeutet auch, dass es eine
guteWoche für die Anleger-
gemeinde war.WeCompany,
wie sich das Unternehmen neu
nennt, ist ein Einhorn und soll
imSeptember an dieBörse
gehen.Wie die «Financial
Times» nun aus mit den IPO-
Plänenvertrauten Kreisen
erfahren hat, dürfte die Markt-
AdamNeumann,WeWork
kapitalisierung jedoch nur
noch 20 Mrd. statt 47Mrd. $
betragen.Kurz:WeCompany
hat die Erwartungen an die
eigene finanzielle Entwicklung
massiv heruntergeschraubt –
und NeumannsVermögen im
gleichen Zug auf unter 2 Mrd. $
gedrückt.
Anleger sollten sich ein
Engagement trotzdem gut
überlegen, dennWeCompany
bleibt phantastisch hoch
bewertet. Das Unternehmen
betreibt imPrinzip ein Immobi-
liengeschäft, aber Neumann
hat esgeschafft, es als «Tech
Community» zu positionieren.
Zur Erinnerung: Im ersten
Halbjahrresultierte auf einem
Umsatzvon 1,5 Mrd. $ einVer-
lustvon 1,4 Mrd. $.Wir haben
Siegewarnt.(bis.)
EDUARD
O MUNO
Z / REUTERS
Geldspiegel
W
achstumsaktienwerden sehr
wahrscheinlich überschätzt.
Bereits seit mehrerenJahren
sind Anleger bereit, für Unter-
nehmen, die beim Umsatz rasch zulegen
können, zumTeil absurd hohePreise zu
bezahlen.Wenn dieWeltwirtschaft eher
gemächlich wächst, ist es offenbarver-
lockend, aufÜberflieger zu setzen – selbst
wenn lang nicht bei all diesen Firmen sicher
ist, ob sich das Umsatzbolzen unter dem
Strich auch einmal in derFormvon Gewin-
nen auszahlenwird. Viele Unternehmen
hingegen, denen esMonat fürMonat massig
Geld in die Firmenkasse spült,werdenvon
den Anlegern mit Nichtbeachtung bestraft.
Value-Investoren, also jene Anleger, diekon-
sequent nach unterbewerteten Titeln Aus-
schau halten,können ein Lied davon singen.
Sie müssen schon seitJahren unten durch.
Denn unterbewertete Aktienkönnen unan-
genehm langeunterbewertet bleiben.So
lange, dass in letzter Zeit sogar dieFrage
aufgekommen ist, ob man mit demValue-
Ansatz überhaupt noch eine erspriessliche
Rendite erzielen kann.
Wir wissen es natürlich nicht besser als die
Experten, sind aber der Ansicht, dass esvor
allem dann Spass macht, unterbewertete
Aktien zu halten,wennwenigstens einmal
proJahr die Kasse klingelt. Sprich,wenn
attraktiveDividendenfliessen.
Wer zumBeispiel UBS beimgegenwärti-
gen Kurs (10,7 Fr.) für unterbewertet hält,
kann es lockerverkraften,falls sich die
Aktien währendzehnJahren gar nicht bewe-
gen sollten. Hält die Grossbank an ihrer Divi-
dendenpolitikfest und bezahlt0,7 Fr., würde
man nämlich jedesJahr 6,5%vorwärts-
machen.Sehr viel mehrPerformance kann
manvon Schweizer Aktien ohnehin nicht
erwarten.Gemäss derBankPictet haben sie
im historischenSchnitt 7,4%proJahr abge-
worfen(teuerungsbereinigt).
Unter der Annahme einerWiederanlage,
ohneKosten und Steuerfolgen, würden aus
100 Fr. in UBS-Aktien inzehnJahren188 Fr.
Somacht dasWarten auf bessere Zeiten
Spass.Bei der CS Group, dieviel weniger
Dividende entrichtet, wäre ein langes An-Ort-
und-Stelle-Treten hingegen sehrfrustrierend.
Theoretisch sollte es für Investorenkeinen
Unterschied machen, ob Firmen Dividenden
bezahlen, Aktien zurückkaufen oderGeld in
wertsteigernde Investitionen stecken. In der
Praxis aber sehrwohl.Denn dieBörse besei-
tigt scheinbar offensichtliche Dinge (wie eine
Unterbewertung) nicht immer rasch.Soist
es besser, auf den Spatz in der Hand zu
setzen – nur schon aus psychohygienischen
Gründen. Empfehlenswert sind übrigens
auch die derzeit besonders günstigen briti-
schen Dividendentitel. Dort schütten Unter-
nehmen traditionell einen hohenTeil ihres
Gewinnes aus. Und der britische Fiskusver-
zichtet auf eineVerrechnungssteuer.
Markus Städeli
MitlangweiligenAktien Geld machen
3000 $
2800
2600
2400
2200
2000
201622017 018 2019
US-Aktienindex S&P 500 seit drei Jahren
Nahe am Allz eith öchst
Quelle: Swissquote
LUKE SHARETT
/ BLOOMBERG
DieBaumarkt-KetteHomeDepotrechnetmittieferenMargen.(Louisville, Kentucky, 25.Februar2019)
UmdieAktienvon
amerikanischen
Industrie-und
Technologiefirmen
soll temaneinenweiten
Bogenmachen.
D
er September gilt landläufig als
Schreckensmonat derBörsen. In den
vergangenen 100Jahren war er nicht
nur derMonat mit den grössten
durchschnittlichenVerlusten an derWall
Street, sondern auch der einzige, in dem die
Kurse häufiger fielen als stiegen. In diesem
Jahr ist die Bilanz –vorerst – eine andere.Zwar
verbuchte der breite Markt zuMonatsbeginn
einenTaucher, doch zurWochenmitte erhol-
ten sich dieKurse rasant. AmDonnerstag hat-
ten chinesische Staatsmedien durchblicken
lassen, dass im Oktober neue Handelsgesprä-
che mitUS-PräsidentDonald Trump angesetzt
seien.Prompt kletterten die Aktienindizes
nach oben. Sie stehen derzeit nurwenige
Prozentpunktevon ihrenRekordständen ent-
fernt. Nicht nur die amerikanischen Aktien-
märkte stemmen sich dem Handelsstreit ent-
gegen, auch dieUS-Wirtschaft behauptet sich
erstaunlich gut. Trotz deutlichenRezessions-
signalen und globaler Unsicherheitwuchs der
DerHandelsstreitlä sstdie
Firmengewinneschrumpfen
Konsum der privaten Haushalte mit 4,7%zu-
letzt so starkwie seit fünfJahren nicht.
Gleichzeitig schwebt die Arbeitslosenquote
derUSA nurwenig über dem tiefsten Stand
seit 50Jahren.
Auch ein Blick in die Firmenbilanzenzeigt:
Soschlimm,wie es der Handelsstreitvermu-
ten liesse, sehen die Quartalszahlen gar nicht
aus.75% der imS&P 500 notierten Unterneh-
men haben dieGewinnerwartungen der Ana-
lysten im zweiten Quartal übertroffen. «Die
Erträge sindwesentlich besser ausgefallen als
Nach einem turbule nten August werden US-Unt ernehmen im dritten Quartal aller
Voraussi cht na ch wenigerverdienen.VonSabrinaKessler, NewYork
dritten Quartal, das EndeSeptember seinen
Abschluss findet,könnten die kumulierten
Gewinne der 500 grössten börsennotierten
US-Unternehmen sogar um 3,5% sinken,
prognostiziert das Finanzdaten-Unterneh-
menFactset.
Der ungewissen Zukunftwegen korrigieren
inzwischen auch erste Firmen ihreJahres-
prognosen nach unten. Der Landmaschinen-
HerstellerDeere & Co., dieBaumarkt-Kette
HomeDepot und dasMode-Label Abercrom-
bie & Fitch rechnen in denkommenden Quar-
talen unisono mit tiefgreifenden Einschnitten
durch den anhaltenden Handelsstreit.
Laut der japanischen Zeitung «The Nikkei»
planen deshalb schon jetzt mehr als 50 glo-
bale Unternehmen, ihreProduktion überwie-
gend aus China abzuziehen, darunter US-
Grössenwie Apple, HP undDell.Auch die
Spielzeugmarke Hasbro gab bereits bekannt,
einen Grossteil derProduktion nach Indien
undVietnam zuverlagern.
«Die Globalisierung war schon immer
Schlüsselfaktor für das Margen-Wachstum der
im S&P 500 ansässigen Unternehmen»,
schreibtSavita Subramanian,Leiterin desBe-
reichsUS-Aktien und quantitativeStrategie bei
BofA MerrillLynch, in einem Investoren-Brief.
Durch dieweltweiten Handelsunsicherheiten
sei allerdings unklar, ob die Arbitrage bei Steu-
ern undLohnkosten sowie die hohe Effizienz
weltweiter Lieferketten künftig noch aufrecht-
zuerhalten seien.«Stand jetzt ist es den ameri-
kanischen Unternehmen noch nichtgelungen,
die steigendenKosten mit ihrerPreissetzungs-
macht abzufedern.» Subramanian glaubt:
«Die Märktewerden den Effekt, den der Han-
delsstreit auf die langfristigenGewinne hat,
erst noch einpreisen.»
EineGewinnrezession – sprich einRück-
gang der Unternehmensgewinne in zwei auf-
einanderfolgenden Quartalen – drohtgemäss
Analysten allerdings nicht.«Wir sehen derzeit
keine Anzeichen dafür, dass dieProfitmargen
amerikanischer Unternehmen zwei Quartale
hintereinander sinkenwerden», sagtSam
Stovall, Chef-Investment-Strategebei CFRA
Research.Auch diePrognosenvon Factsetzei-
gen: Nach dem Dämpfer im dritten Quartal
könnte esmit den Erträgen der imS&P 500
notierten Unternehmen schon baldwieder
aufwärtsgehen.Wer sich bis dahin in sichere
Häfenflüchten wolle, so Stovall, solle einen
weitenBogen um amerikanische Industrie-
undTech-Firmen machen.
befürchtet», sagt Analyst und Aktien-Experte
Nick Raichvon EarningsScout. Die über-
raschend guten Ergebnisse seien allerdings
kein Zeichen dafür, dass der Handelsstreit die
US-Unternehmen kalt lasse. ImGegenteil:
56% aller imS&P 500 notierten Firmen be-
richteten nach dem zweiten Quartal, schon
jetzt dieAuswirkungen der Strafzölle direkt
oder indirekt in ihren Bilanzen zu spüren.
Viele Firmen hätten deshalb imVorfeld nur
sehrvorsichtigePrognosengewagt.Für Raich
ist klar: «Es gibtkeinenZweifel daran, dass der
Handelskrieg die Nettoergebnisse amerikani-
scher Unternehmen beeinflusst.»
Experten derBank Citigroup erwarten, dass
dieGewinne aller imS&P 500 notierten Unter-
nehmen sowohl in diesem als auch imkom-
menden Jahr insgesamt um 2% sinken
werden.AuchGoldmanSachs undBofASecu-
rities, die Investmentsparte der Bank of
America, erwarten in den kommenden
Monaten Gewinnrevisionen nach unten. Im
allerUS-Firmen
hattenvonMärz
bisJunidieGewinn-
erwartungender
Analystennoch
übertroffen.Doch
seitherhatsich
einigeszumNegati-
venverändert.
75 %
Quartalsge winne