Neue Zürcher Zeitung - 08.09.2019

(John Hannent) #1
NZZamSonntag8. September 2019

Freizei tsport


KAYLE

E GARRET

T / UNSPLASH

Yoga-Einheit am Strand:
Es ist empfehlenswert,
Ort undVeranstalter
sorgfältig auszuwählen.

Vonspirituellbisexotisch:


Schönerreisen fürYoga-Fans


Yoga-Ferien sind imTrend.


Doch die Vielfalt ist so gross,


dass die Wahl nicht leicht fällt.


EineÜbersi cht.


Von Michelle de Oliveira


Wennwir im Alltag in der Mittagspause oder
zwischenFeierabend und Abendprogramm
eine Stunde auf derYogamatte turnen, tut
das zwar gut, doch der Alltag holt uns meist
schnellwieder ein.Yoga-Retreats bieten die
Möglichkeit, dieYoga-Praxis zuvertiefen.
Sich für einigeTage, Wochen oder gar
Monate zurückzuziehen, um sich ohne all-
tägliche Ablenkungen ganz den Asana, der
Meditation und der Innenschau zuwidmen:
Das ist dieIdee, die hinter demRückzug
steckt.Ausserdem sindYoga-Retreats eine
guteGelegenheit, allein zuverreisen.
Anvielen Orten besteht auch dieMöglich-
keit, einTeacher-Training zu absolvieren.
Dabei muss man nicht zwingendYogalehrer
oder -lehrerinwerdenwollen: Das Training
eignet sich auch für jene, die neben dem
Übenvon Asana einen tieferen Einblick in
dieGeschichte und die Philosophie desYoga
gewinnen und etwas über die Anatomie des
Menschen lernenwollen.
Mittlerweile ist das Angebot anRetreats
unüberschaubargeworden. Es lohnt sich,vor
der Buchung zu überlegen,welche Artvon
Retreat man sichwünscht und was zu einem
passt.Verschiedene Anbieterweltweit findet
man unter http://www.bookyogaretreats.com.


Das Sportliche
Yoga trainiert unter anderem den Gleich-
gewichtssinn und dieKörperwahrnehmung,
Eigenschaften, die beim Surfen und Klettern
ebenfallsgefragt sind.Soerstaunt es nicht,
dass immer mehr Surfer auf den herab-
schauendenHundkommen undYogis die
Position des Kriegers auf dem Surfbrett
üben.Auch Klettern fordert absoluteKon-
zentration und das «Im-Moment-Sein», das
auch beimYogagelehrtwird. Ausserdem
sind solcheKombi-Retreats für all jenegeeig-
net, die ihreAuszeit abwechslungsreich
mögen.www.oceanandyoga.com


Das Spirituelle
Wer nicht ausschliesslichYoga machen, son-
dern auch in eine andereKultur eintauchen
will, kann sich einerPilgerreise anschliessen.
Dort steht neben den Asana dieReise an sich
imVordergrund. DasGehenwird Teil der
Meditation.Auch dieLehrefernöstlicher
Philosophien kann einwesentlicherBestand-
teil sein. Oftwird in Klöstern übernachtet
und eine einfacheLebensweise praktiziert.
http://www.airyoga.ch/retreats


Das Intensive
Wer die ultimativeYoga-Erfahrung sucht,
wird in einem indischenYoga-Ashram
fündig. Rishikesh zumBeispeiel, im Norden
Indiens am Ganges gelegen, ist einYoga-
Mekka. DieBeatles waren in den 1970 er


Jahren nach Rishikeshgereist, um in einem
Ashram zu meditieren.Heutereihen sich
Yoga-Schulen dicht aneinander, undYogis
aus allerWelt bevölkern die «Hauptstadt des
Yoga».Wer sich in einen Ashram zurückzieht,
wird davon wenig mitbekommen.Der Alltag
ist streng durchgeplant und beginnt nicht
selten um sechs Uhr morgens. NebenYoga
undMeditation ist einweitererBestandteil
meist auch Karma-Yoga. Dabei leistet jeder
Besucher seinenBeitrag an dieGemeinschaft,
zumBeispiel inFormvon Kochen,Putzen
oder Gärtnern.www.sivananda.org.in

Das Exotische
Wer Indien zu hektisch findet und es lieber
ruhiger mag, ist auf der indonesischen Insel
Bali richtig.Auch dort ist Hinduismus die
Hauptreligion. Rituale,Tempelzeremonien,
Tänze und Räucherstäbchen sind allgegen-
wärtig, Spiritualitätgehört zum Alltag.Ubud
imDschungel undCanggu direkt amMeer
sind zwei derYoga-Hotspots und bieten
alles, was dasYogi-Herz sichwünscht.Wer
sich fürkein Retreat entscheiden mag, kann
einzelne Stunden besuchen. Zudem gibt es
Retreats, die mit Surf-Unterrichtkombiniert

werdenkönnen.www.theyogabarn.com
oderwww.thepracticebali.com

Das Lokale
Um denRückzug zu üben, muss man nicht in
ein Flugzeug steigen und um die halbeWelt
fliegen. Das Angebot anRetreats in der
Schweiz istvielfältig. Oft finden dieYoga-
Ferien oderMeditations-Retreats in den
Bergen statt, fernabvon städtischerHektik.
http://www.shantishanti.ch

Das Selbstdisziplinierte
Natürlich kann man einRetreat auch ein-
facher haben: eine abgelegeneBerghütte
mieten, Handy ausschalten, und losgeht’s!
Wer sich fundierteYoga-Kenntnisse angeeig-
net hat und sich zutraut, über mehrereTage
allein zu praktizieren, kann auf dieseWeise
zurRuhekommen. DieseForm desRückzugs
bedingtSelbstdisziplin und Durchhalte-
willen. Sinnvoll ist, sichvorab einen
genauen, aberrealistischen Zeit- und
Übungsplan zu erstellen.Ausserdem helfen
einMenuplan undvorbereiteteMahlzeiten
dabei, nicht unnötigGedanken an die Nah-
rungsaufnahme zuverschwenden.

Kaum ist dasRetreatvorbei, fällt man oft
innert kürzester Zeit in dieHektik des Alltags
zurück, die neugewonnenen Erkenntnisse
verblassen im Nu.Wer Yoga,Achtsamkeit
undGelassenheit längerfristig kultivieren
will, tut gut daran, sich zumindest am
Anfang an einengenauen Plan zu halten.So
wird diePraxis in den Alltag integriert, bis sie
ganz selbstverständlich dazugehört.
Es ist sinnvoll, zwei bis dreiYoga-Lektio-
nen proWochefest im Kalender einzuplanen
und diesegenauso ernst zu nehmenwie alle
anderenVerabredungen undVerpflichtun-
gen. Am besten in einem Studio, in dem man
sichwohl fühlt und das günstiggelegen ist.
Oft bietenYoga-Studios auch All-you-can-
Yoga-Abos an. Diese eignen sich gut, um
verschiedene Stile undLehrer auszuprobie-
ren und sich dann im Anschluss einen pas-
senden Stundenplan zusammenzustellen.
Viele erfahreneYogis schwören auf ihre
Morgenroutine. Anstatt zuerst E-Mails und
soziale Netzwerke zu checken, empfehlen sie,
mindestens die ersten 20 Minuten desTages
achtsam zuverbringen. Wer nicht direkt auf-
stehen mag, kann sich auf eineReise durch
denKörper begeben und jedenKörperteil

Bewusste


Auszeitenin


denAlltag


integrieren


ANNI

E SRATT

/ UNSPLASH

Dem Flussder Gedankenzuschauen.

bewusst wahrnehmen. EinfacheYoga-Übun-
gen, dieKörper undGeistaufwecken, eignen
sich ebenfalls. Aber auch eineTasse Kaffee
oderTee, die bewusstgetrunkenwird, zum
Beispiel auf demBalkon und imGarten, ohne
Handy oder Zeitung,können einen sanften
Start in denTagbescheren.
Wer Meditation mag, kann entweder im
Sitzen auf einem Kissen oder auf einem Stuhl
10 bis 20 Minuten lang dem Fluss derGedan-
ken zuschauen, ohne sich inGedankenreisen
zuverlieren. Hilfreich sind Apps, die
geführteMeditationen anbieten, zumBei-
spiel Insight Timer, 7Mind oderHeadspace.
Auch denTag hindurch kannAchtsamkeit
helfen, Stress zureduzieren oder gar nicht
aufkommen zu lassen. ZumBeispielkönnte
ein Anker sein, nach jedemToilettengang
dreimal tief ein- und auszuatmen. Oder sich
die Hände bewusst zu waschen und den
ganzenKörper wahrzunehmen.
Hilfreich ist auch die App MindBell.
Regelmässig über denTag verteilt erklingt
einGong, der daran erinnert, einenMoment
innezuhalten, durchzuatmen und sich
bewusst zuwerden, was mangerade tut.
Michelle de Oliveira

Sportberatung


T


raining und
Erholung bilden eine
Einheit, erst nach
der Erholungwerden
Trainierende besser.
Durch das Training
zwingen wir denKörper in die
Knie.Wir ermüden ihn und
schädigen Strukturen, die durch
dieRegeneration, also in der
Pause bis zum nächsten Trai-
ning,wieder aufgebautwerden.
Der Körper bildet sogar Zusatz-
reserven, um sich künftigvor
derartigenBelastungen zu
schützen. In der Trainingslehre
wird dieses Phänomen als Super-
kompensation beschrieben. Im
Spitzensport ist dieRegeneration
minuziösgeplant.Freizeitsport-
ler abervernachlässigen sie oft,
was das Risiko für einÜbertrai-
ning erhöht. Ob Sie sich imÜber-
training befinden, erkennen Sie
anhand dieserSymptome:


  • erhöhte Ruheherzfrequenz

  • Muskelschmerzen,Sehnen-
    ansatzentzündungen

  • Gelenkschmerzen

  • bleischwere Beine

  • permanente Übermüdung

  • leichte Reizbarkeit

  • Niedergeschlagenheit

  • gestörtes Appetitverhalten

  • ständige Erkältungen und
    Anfälligkeit auf Infekte

  • schwindendes sexuelles Lust-
    empfinden

  • Leistungsabfall trotz hartem
    Training

  • Schlafprobleme
    Treten mehrereSymptome
    gleichzeitig auf, ist es an der Zeit,
    die Handbremse zu ziehen.Ich
    spreche aus Erfahrung.Weil ich
    wissenwollte,wie es sich
    anfühlt, habe ich michvor
    Jahren absichtlich in einÜber-
    training manövriert. Das perfide
    ist, dass dieSymptome schlei-
    chend auftauchen. DieBatterien
    werden langsam entladen.Wenn
    dann plötzlich einige der oben
    beschriebenenSymptome auf-
    tauchen, ist es zu spät.Ich fühlte
    mich niedergeschlagen, hatte
    Schlafstörungen, eine sehr kurze
    Zündschnur und argeHüft-
    beschwerden. Trotz allem beob-
    achteteich damals das starke
    Verlangen, weiter zu trainieren.
    Ich fürchtete, alles Erarbeitete
    im Nuwieder zuverlieren. Ein
    Teufelskreis der systematischen
    Selbstzerstörung.
    Ich habe mir damals eine Trai-
    ningspausevon 14 Tagen verord-
    net.Während dieser schlief ich
    acht Stunden pro Nacht, achtete
    auf eine ausgewogeneregel-
    mässige Ernährung, absolvierte
    täglich Stretchingübungen und
    20 bis 30 Minuten langeSpazier-
    gänge. Nach der Pause waren die
    Symptomeweitgehendver-
    schwunden, und dieLeistung im
    Krafttraining war deutlich besser
    als zuvor.Meine Erkenntnis:
    Übertrainingfrustriert, fühlt sich
    übel an und schränkt dieLebens-
    qualität erheblich ein. Das harte
    Training istkein Problem, aber
    die zu kurzeRegenerationszeit.
    Bleiben Sie achtsam.


Andreas Lanz istReferent
und Buchautor sowie Gründer
und Inhaber der Firma
Tatkraft-Werk GmbH.

AndreasLanz


Wenn es


demKörper


plötzlic hzu


vielwird

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