Der Mittelpunkt meines Lebens ist zier-
lich, blond, hat lustige braune Augen, noch
lustigere abstehende Ohren und ein La-
chen, das Eis schmelzen lässt: unser Sohn
Anton. Anton ernährt sich am liebsten
von Pommes und Nutella, kaut bei seinen
Spielzeugautos die Reifen ab, und wenn er
läuft, dann sieht es aus wie ein Storch beim
Marathon. Ein Vater freut sich über alles,
was er in seinem Sohn wiedererkennt.
Selbst über solche Dinge.
Um Antons Rolle in unserer kleinen
Familie zu verstehen, muss man wissen,
dass er ein Rainbow Baby ist. Diesen
wunderschönen Begriff haben die Ameri-
kaner für Kinder erfunden, die zur Welt
gekommen sind, nachdem man ein Kind
verloren hat. Aber Anton hat noch etwas
anderes geschafft, als uns wieder glücklich
zu machen. Er hat mich zu einem alten
Vater gemacht, oder wie es Psychologen
ausdrücken, zu einem späten Vater. Das
klingt etwas freundlicher.
Ich bin 52, Anton ist drei. Meine Frau und
ich hatten in jener Zeit, als Anton gezeugt,
freudig erwartet und schließlich geboren
wurde, nicht groß über diese Tatsache
nachgedacht, eigentlich kein Stück. Aber
dann, vor ein paar Wochen auf dem Spiel-
platz hinter unserem Haus, hatte ich die-
sen Dialog mit einem Jungen (vielleicht
vier): „Ist das dein Sohn?“, fragte er, auf
Anton zeigend. „Ja“, erwiderte ich stolz. Der
Junge schaute wieder Anton an, dann mich,
dann kräuselte sich die Stirn seines klugen
Kinderkopfes, und er sagte: „Aber du bist
ein alter Mann.“
Seitdem beschäftigt mich das Thema.
Die schonungslose Feststellung meiner
Spielplatz-Bekanntschaft lässt mich mei-
ne Umgebung mit anderen Augen wahr-
nehmen, immer danach suchend, ob es
noch andere späte Väter gibt. Und ich stel-
le fest: Oft bin ich an Rutsche, Schaukel,
Wippe bei Weitem nicht der Älteste, der
von einem Hosenmatz „Papa“ gerufen
wird. Immer wieder denke ich an den klei-
nen Jungen und möchte ihm sagen: „Hey,
du solltest den mal sehen, der ist nicht nur
ein alter Mann, der ist ein alter Sack.“
„Ja“, sagt Frank Sommer vom Universi-
tätsklinikum Hamburg-Eppendorf, „späte
Väter, das ist ein Trend.“ Sommer ist der
erste Professor für „Männergesundheit“ in
Deutschland, nicht nur ein Urologe, son-
dern einer, der sich um alle Männerweh-
wehchen kümmert, und wie man weiß, gibt
es da ja Tausende. Sommers Sprechstunde
ist auf Monate ausgebucht, besonders von
Männern, die im fortgeschrittenen Alter
Vater werden wollen oder es bereits sind.
„Die meisten kommen zur Prävention, um
sicherzustellen, dass ihnen noch viel Zeit
mit ihrem Nachwuchs bleibt.“ Sommer hat
das mal auswerten lassen: Von 17 800 Pa-
tienten waren 6,4 Prozent über 50, als sie
zum ersten Mal Nachwuchs bekamen.
nsonsten allerdings ist der späte
Vater in Deutschland weitgehend
unerforscht. Das Statistische Bundesamt
erhebt das Alter des Vaters bei der Geburt
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